Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,
beginnen will und muß ich mit unserem wundervollen Stammtischabend! Dreizehn Leute saßen an einem langen Tisch und unterhielten sich drei Stunden lang sehr angeregt, ohne Tagesordnung aber mit wechselnder Sitzordnung, alle verhielten sich frei und ungezwungen. Keine akademischen Höhenflüge, sondern einfach gebildete Leute unter sich mit einem gemeinsamen Lieblingsautor, auf den man sich aber keinesfalls beschränkte. So habe ich mir das Vereinsleben immer vorgestellt – und ich denke, die anderen Anwesenden auch. Ein nächster Termin wurde sogleich gesucht und gefunden: Wir sehen uns wieder am 19. August im Haus der Schlaraffia in der Schedestraße – ich werde nochmals daran erinnern!
Bei dieser Gelegenheit machte Herr Prof. Hans Büning-Pfaue auf seine Führung „Pflanzen im Werk von Thomas Mann“ im Botanischen Garten beim Poppelsdorfer Schloß am Samstag, den 25. Mai um 16.00 Uhr aufmerksam. Er wird dabei unterstützt von unseren Vorstandsmitgliedern Frauke May-Jones und Dorothee von Hoerschelmann. Die Führung wird veranstaltet vom Freundeskreis Botanische Gärten Bonn – und nur über diesen ist eine Anmeldung möglich. Die Teilnehmerzahl ist beschränkt und es sind nur noch wenige Karten übrig. Hier der Link zur Anmeldung:
https://www.botgart.uni-bonn.de/de/freundeskreis/download/bestellformular-2024.pdf
100 Jahre Zauberberg im Hotel Excelsior Ernst in Köln:
Diesen Termin am 3. Juni mit Bernt Hahn am Lesepult kennen Sie bereits. Wie angekündigt, habe ich einen kleinen Flyer dazu entwickelt, den Sie im Anhang finden. Leiten Sie ihn gern an Freunde und Bekannte weiter, oder drucken ihn aus und verteilen ihn in dieser Form (jeweils drei auf einem Blatt!) Für diesen Abend sind schon einige Anmeldungen bei mir eingegangen. Daher nochmals die dringende Bitte, sich kurzfristig anzumelden. Ich werde den Flyer in wenigen Tagen auch in Kölner Buchhandlungen auslegen – ich möchte Herrn Hahn einen vollen Raum bieten und freue mich auf Ihr Kommen!
Georgien
Wie Sie sicher den Medien entnommen haben, hat die prorussische Regierung in Georgien ein Gesetz beschlossen, nachdem alle Einrichtungen, die aus dem Ausland Geldzuwendungen erhalten, unter Spionageverdacht gestellt und verboten werden können. Dies trifft auf den gerade gegründeten Thomas-Mann-Freundeskreis nicht zu. Dennoch ist die Empörung groß bei unseren liberal und freiheitlich gesinnten Partnern in Kuatissi und Tiblis. Lesen Sie hierzu den Brief von Natia Tscholadze im Anhang. Der Link führt zu einem Instagram-Filmchen, in dem der lautstarke Protest der insbesondere jungen Menschen gezeigt wird. Natia lud mich schon mehrfach ein, Sie und ihre Freunde in Georgien zu besuchen. Wir sollten beim nächsten Stammtisch darüber sprechen, ob wir eine gemeinsame Reise dorthin organisieren.
Feuilleton

Bernhard F. Schoch machte mich auf das Büchlein von Uwe Timm „Den Zauberberg neu lesen“ aufmerksam. Es erschien bereits 2012 im Verlag der Buchhandlung Klaus Bittner in Köln; es handelt sich um die Niederschrift eines Vortrags, den Timm in Augsburg gehalten hatte. Ich habe den Text mit Begeisterung gelesen; die Besonderheit an ihm ist Timms literarischer Zugang, seine Lust am Genuß der Sprache, und man glaubt wahrlich, diesen großen Roman neu zu entdecken. Klaus Bittner hat noch ein gutes Dutzend Exemplare des Buches auf Lager, ein Gutteil davon handsigniert. Besuchen Sie seine Buchhandlung – Sie werden ein famoses Sortiment vorfinden!
Jean Améry und Thomas Mann
Vor einigen Wochen war der uns wohlbekannte Hanjo Kesting in der Buchhandlung Böttger in Bonn und stellte sein bereits vor 10 Jahren erschienenes Buch „Augenblicke mit Jean Améry“ vor.
Im langen Gespräch danach beim Wein schilderte uns Herr Kesting Jean Améry als sehr liebenswerten Menschen, dessen beinahe angekündigter Freitod ihn bis heute tief berührt. Der Blick aus diesem tiefzerfurchten Gesicht, in dem sich alles erlittene Leid wie auch sein brillanter Geist ausdrückt, bleibt jedem eingebrannt, der ihm begegnet ist.
Kesting hob auch hervor, daß Améry sich intensiv mit Thomas Mann beschäftigte. Am ausführlichsten in seinem Text „Bergwanderung – Noch ein Wort zu Thomas Mann“.

Dieses „Wort“ umfaßt 26 Seiten, und entstand 1975. Zum hundertsten Geburtstag des Dichters hatte man Améry um einen Text bedrängt, und er hebt an mit der Feststellung, daß eigentlich schon alles gesagt sei zu Thomas Mann, man alle Aspekte seines Werks schon durchleuchtet hätte – nicht ahnend, was in den nächsten 50 Jahren noch geschrieben werden würde…
Améry legt seinen Text als literarische Metapher an, er benutzt das Bild einer Bergwanderung, dessen Gipfel unerreichbar ist und unergründlich, und dies, obgleich er seit 45 Jahren mit Manns Werk befaßt ist. Das Ganze ist der Versuch der Beschreibung einer unergründlichen Liebe. Mit dem geistigen Besteck seines geistigen Mentors Sartre bekommt Améry Mann nicht zu fassen, und große Denker wie Adorno nähmen sich ihm gegenüber aus wie „das »Schwätzerchen« Naphta neben dem keinen Satz zu Ende bringenden Peeperkorn.“
Améry nähert sich Mann mit dem Dualismus „Weichheit und Majestät“ – eine wunderbare Passage des Textes, einem Bekenntnis zur Emotion, das Améry im gesamten Werk Manns ausfindig macht, anhand von vielen Figuren, doch die Liebste ist ihm Detlev Spinell mit seinem Satz: „Ich habe dieses Leben nicht gemacht, ich verabscheue es.“ Améry neidet es Thomas Mann, daß dieser bei aller „Sympathie mit dem Tode“ Lebensfunken daraus zu schlagen weiß, und dies eben in erster Linie mit den Waffen des Humors und der Ironie. Améry versteht diese Waffen gut zu beschreiben, versteht diese aber für sich nicht zu nutzen. Die Jahre im KZ und das Erleiden der Folter haben sie ihm zunichte gemacht. Doch gerade deshalb versucht Améry sich an Mann festzuhalten, der eben kein Denker war, sondern „träumerischen und unscharfen Geistes“. „Thomas Mann dachte mit Geist und Leib und Seele“ resümiert Améry und trifft damit den Punkt, dem alle Verehrer Thomas Manns fraglos zustimmen können.
Wenn Améry von einem „letzten Wort“ zu Thomas Mann spricht, dann muß es zuvor andere gegeben haben. Ich machte mich auf die Suche und staunte, daß er Thomas Mann sehr häufig erwähnt, zuweilen nebenbei, oft an zentraler Stelle.
Dies trifft insbesondere zu auf die Textsammlung „Unmeisterliche Wanderjahre“. Schon der Titel verrät: Die deutsche Literatur ist der wankende Grund, auf dem er stand. Aber nicht Goethe ist es, den er immer in gedanklicher Griffweite hat, sondern es ist Thomas Mann. In der Auseinandersetzung mit seiner eigenen Jugend bezeichnet Améry sich als Narr und fühlt sich in der „Schlafstroh-Jugend“ aus dem Faustus gut erfaßt. Im zweiten Kapitel, das die ersten Jahre nach 1933 beleuchtet, fällt der Satz: „… daß er, Thomas Mann, endlich, endlich auch sein Nein in allerschönsten Sätzen gesagt hatte, an den schweizerischen Würdenbold, an den Dekan der Universität Bonn…“
Im letzten Kapitel der Wanderjahre versucht Améry die Strukturen seines Denkens und seiner Zeit zu erfassen. Ich maße mir nicht an, alles verstanden zu haben, aber erstaunlich auch hier sein Bezug zu Thomas Mann, und sei es nur um zum Ausdruck zu bringen, daß er die Gerätemedizin ablehne und den Rat eines Dr. Grabow vorziehen würde und lieber etwas Taube und Franzbrot essen. Bei der Erwähnung Leverkühns wird deutlich, daß Améry sich diesem seelenverwandt fühlt. Abseits der Welt in einer eigenen Sphäre der Geistigkeit. Hier liegt wohl die tiefe Sympathie mit Thomas Mann begründet – ich werde ihr weiter nachspüren.
Auch Ihnen wünsche ich interessante literarische Entdeckungen und sage auf bald Ihr Peter Baumgärtner
Brief von Natia Tscholadze
Lieber Peter,
es ist eine große Großzügigkeit von Dir und der gesamten Thomas-Mann-Gemeinschaft, in dieser schwierigen Zeit an mich zu denken. Hier herrscht wirklich Terror, eine unaufhörliche Konfrontation zwischen dem intelligenten georgischen Volk und der prorussischen Regierung. Was mich am meisten freut, ist, dass die gesamte georgische Jugend, einschließlich meines Sohnes, da ist und sich ihre Zukunft nicht nehmen lässt. Diese Regierung ist der Ausgangspunkt für alles, aber wir werden auch nichts aufgeben. Auch wenn es in Kutaissi Demonstrationen gibt, ist die Mehrheit der Bevölkerung nach Tiflis gekommen, deshalb sind sie bei uns nicht so groß. Ich möchte auch unbedingt nach Tiflis, aber leider ist mein Mann anderer Meinung, deshalb verfolge ich die Ereignisse nur im Fernsehen und im Internet.
Außerdem kontaktieren mich mein Sohn und viele Freunde aus Tiflis über ihre Handys.
Diese russische Barbarei in Georgien muss ein für alle Mal ein Ende haben. Das ganze georgische Volk ist bereits dieser Meinung. Jetzt hat die Regierung auch eine Demonstration zur Unterstützung dieses Gesetzes organisiert, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass alle, die dort waren, Beamte waren, die unter Androhung des Arbeitsplatzverlustes gezwungen wurden, an der Demonstration teilzunehmen. In der Nähe des Rathauses wurden Personenbusse eingesetzt. Dort waren alle „Unterstützer“ versammelt. Die Botschaften der Regierung wurden offiziell bestätigt und verteilt, mit genauen Anweisungen an bestimmte Personen: „1 Person aus jeder Familie“. Wegen unserer politischen Einstellung standen wir natürlich nicht auf diesen Listen. Aber sie schauen uns nicht freundlich an 🙂 Aber egal, diese Farce wird mit ihrer Herrschaft enden, der gesunde Menschenverstand wird nicht wieder unter dem russischen Stiefel zertrampelt werden. Das lassen wir nicht mehr zu. Es gibt Hoffnung, unsere europäischen politischen Freunde sehen deutlich die Selbstaufopferung des georgischen Volkes und sein Streben nach europäischen Werten.
Was die Thomas-Mann-Gesellschaft in Georgien betrifft: Auch hier geben wir nicht auf, wir haben neue Mitglieder gewonnen. Am Sonntag ist das orthodoxe Osterfest in Georgien. Wenn das vorbei ist, werden wir alle zusammenkommen und neue Mitglieder aufnehmen.
Ich arbeite gerade an einem Projekt, um die Geschichten von Thomas Mann in unseren Schulen zu fördern. Ich habe zwei Kurzgeschichten, die mit den Schülern erarbeitet werden. Das wird sehr interessant. Aber das alles nach dem Osterfest und auch nach dem friedlichen Ende dieser Unruhen.
Vielen Dank für das Gedenken, die Unterstützung und die Ermutigung in dieser Zeit. Deine Natia
PS: Ich habe wieder einen langen Brief verfasst 🙂
https://www.instagram.com/reel/C6bZ02IMoxy/?igsh=MTNra3I5OW82MDNqeA==
THOMAS MANN
100 JAHRE
DER ZAUBERBERG

DER ORTSVEREIN BONN – KÖLN
der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft
lädt ein zur Lesung am 3.Juni ‘24 um 19.30 Uhr im Hotel
EXCELSIOR ERNST


es liest BERNT HAHN Anmeldung an baumgaertner@thomasmann-bonnkoeln.de