Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,
es ist mir eine Freunde, Ihnen mitteilen zu können, daß unsere Matinee mit Janka Zündorf ein voller Erfolg war: Der wunderbare Wohnraum unserer großzügigen Gastgeberin Frau Ulrike Keim – der ich an dieser Stelle im Namen des Vereins nochmals ausdrücklich danken möchte – war voll besetzt, und der Vortrag von Janka Zündorf mit dem Titel „Metapher, Mythos, Heilmittel: Milch und Milchkuren in Thomas Manns Werk“ setzte alle Anwesenden in Erstaunen: Sie bewies einen großen Überblick auf das Gesamtwerk von Thomas Mann und ihr Vortrag war wunderbar strukturiert, sie beleuchtete ihren Gegenstand von allen Seiten: der Kulinarik, der Mystik, der Medizin, der Sexualität, und zeigte daran exemplarisch, wie Thomas Mann all dieses mitgebrachte und angelesene Wissen zu Kunstwerken verschmolz, und damit Zeugnisse der Kultur seiner Zeit erschuf, etwas das ihn von allen anderen Schriftstellern seiner Zeit unterschied. Wir waren angenehm überfordert, konnten beim anschließenden kalten Buffet mit Milch und Schampus noch einige Punkte mit ihr ansprechen und sind dennoch froh, daß ihr Vortrag im Jahrbuch erscheint: Genau da gehört er hin, neben die Vorträge der alten Profis von der Thomas Mann Tagung. Janka Zündorf ist Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes (ein Name, der sich etwas überlebt hat). Jedenfalls ist es eine Freude zu sehen, daß das Geld bei ihr gut angelegt ist, und ich freue mich darauf, von Ihr noch vieles zu hören und zu lesen.
Stammtisch
Bei unserer Mitgliederversammlung hatten wir beschlossen, einen regelmäßigen Stammtisch einzurichten. Die Terminfindung gestaltet sich wie immer schwierig. Mit all jenen, die Interesse angemeldet haben, habe ich versucht, mich abzustimmen, aber einer oder eine ist immer verhindert. Und dennoch haben wir einen Termin gesetzt: 7.Mai 2024 um 18.30 im Restaurant DelikArt im Bonner Landesmuseum unweit des Bahnhofs. Ich freue mich auf den unmittelbaren Austausch mit Ihnen in entspannter Atmosphäre. Zwei bitten: Bitte kündigen Sie ihr Kommen einige Tage vorher bei mir an, damit ich einen entsprechend großen Tisch reservieren kann – und bringen Sie einen kleinen Hunger mit, wenn jeder nur ein Glas Wasser trinkt, werden wir nirgends lange gelitten sein.
100 Jahre Zauberberg im Hotel Excelsior Ernst in Köln:
Diesen Termin am 3.Juni mit Bernt Hahn am Lesepult hatte ich bereits angekündigt. Ich werde hierzu noch einen Flyer entwickeln, den Sie mit dem nächsten Rundbrief erhalen. Auch hier meine Bitte um Anmeldungen. Ich möchte Sie als Mitglieder und langjährige Interessenten unsere Arbeit bevorzugen. Ab Mitte Mai werde ich in der Lengfeld’ schen Buchhandlung – keine fünf Minuten vom Excelsior entfernt – eben jene Flyer auslegen. Dieser wunderbare Laden hat genau das Publikum, das sich für unsere Arbeit interessieren und von der Existenz unseres Vereins erfahren könnte.
Ich wünsche allerseits schöne Ostertage und sage auf bald Ihr Peter Baumgärtner
Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,
am kommenden Sonntag den 10 März ist es so weit: Die Bamberger Studentin und Mitglied im Jungen Forum Janka Zündorf kommt nach Bonn. In einer Matinee um elf Uhr im Hause unseres Mitglieds Frau Ulrike Keim hält sie den Vortrag „Metapher, Mythos, Heilmittel: Milch und Milchkuren in Thomas Manns Werk“ zu Gast. In gekürzter Form konnten die Gäste der Internationalen Thomas Mann-Tagung in Düsseldorf ihren Vortrag bereits im Abendprogramm hören.
In ihrer Ankündigung schreibt sie:
,,Es schimmerte weiße im Saale vor lauter Milch: an jedem Platz stand ein großes Glas, wohl ein halber Liter voll…“, heißt es im Zauberberg. Doch nicht nur hier, in beinah allen Werken Thomas Manns findet die Milch Eingang: Der ,,Erwählte“ Gregorius etwa saugt bei seinem Bußgang auf dem Felsen ,,Erdmilch“, den kränkelnden Großherzog Albrecht kann man geradewegs als passionierten Milchtrinker bezeichnen, im Faustus wird die Prostituierte Hetaera Esmeralda mit einer ,,Milchhexe“ assoziiert. Was es mit diesen Phänomenen auf sich hat, inwiefern hier Diskurse der Wende zum 20. Jahrhundert und metaphorische Überformungen Eingang finden, soll in diesem Vortrag umrissen werden. Schlaglichter sollen u.a. auch auf die ,,Blutmilch“, die ,,Milchbrüderschaft“ und das ,,Milchige“ als Atmosphärenbegriff geworden werden.
Auch wenn ich sie schon in Düsseldorf gehört habe, bin ich sehr gespannt. Wie bereits angekündigt, ist der Platz im schönen Wohnzimmer von Frau Keim beschränkt. Es sind schon einige Anmeldungen bei mir eingegangen, daher hier nochmals die Bitte, dies unbedingt zu tun. Die Freunde unseres Ortsvereins bitte ich um Verständnis dafür, daß ich unsere Mitglieder nach oben auf die Liste setze, und dann leider Absagen erteilen muß, wenn die Liste zu lang wird.
Weitere Vorankündigungen:
Am 3.Juni sind wir im Hotel Excelsior-Ernst in Köln zu Gast. Im Gereons-Saal mit Blick auf den Dom wird Bernt Hahn aus dem Zauberberg lesen, wahrscheinlich aus dem Schneekapitel. Halten Sie sich den Abend frei. Weitere Details folgen.
Die Thomas-Morus-Akademie in Bensberg veranstaltet am 4. und 5. Mai ein literaturgeschichtliches Seminar zum 100.Geburtstag eines Klassikers: Thomas Manns Zauberberg. Ich bin dann leider oder zum Glück in Urlaub. Es wäre schön, wenn unsere Ortsverein vertreten wäre. Dort trifft man immer wieder Menschen, die unseren Ortsverein nicht kennen.
Im Mai wird uns Herr Prof. Büning-Pfaue wieder durch den Botanischen Garten führen. Der genaue Termin steht noch nicht fest.
Das Protokoll unserer Jahresmitgliederversammlung reiche ich in Kürze nach.
Ich grüße allerseits in den Vorfrühling hinein und sage auf bald Ihr Peter Baumgärtner
Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,
im Vorfeld der Jahresmitgliederversammlung verzichte ich auf einen Ausblick auf das Jahr 2024 und berichte nur über die beiden Veranstaltungen am vergangenen Wochenende, die ganz neue Erfahrungen und Chancen in unser Vereinsleben einbrachten.
Zunächst zum literarisch-musikalischen Abend mit Johanna Krumstroh und Oli Bott.
Leider brach an diesem Abend der Winter über uns herein verbunden mit Eisregen und Straßenglätte, sodaß von den rund 40 angemeldeten Personen nur rund 30 die Anreise wagten. Dies war ausgesprochen schade, da, wie ich am Ende den beiden Künstlern sagte, wir die Sprache Thomas Manns noch nie so eindringlich hatten erleben dürfen wie an diesem Abend. Johanna Krumstroh las den Text nicht, sie spielte ihn: sie gestikulierte, sie modulierte ihre Stimme, sie ahmte dialektale Färbungen nach – man versank im Geschehen!
Frau Krumstroh war auf den Spuren von Gerda Arnoldsen, auf den Spuren der Musik in den Buddenbrooks und wurde kongenial begleitet vom Vibraphonisten Uli Bott aus Berlin. Uli Bott ist zuhause im Free-Jazz wie auch in der Klassik – beides stellte er unter Beweis: den sprachlichen Vortrag untermalte er mit zarten Klängen, stets die Dramatik der Szenen unterstreichend, und zwischen den Kapiteln schob er als Intermezzi Solostücke ein, an einer Stelle ein Violinkonzert von Bach – auf dem Vibraphon! Ganz neue Klangerlebnisse für uns alle.
Die beiden spielten anderthalb Stunden ohne Pause, alle lauschten gebannt diesem Sprach- und Musikerlebnis und spendeten am Ende lang anhaltenden Beifall.
Ein letztes Wort zum Haus an der Redoute: Ich bin sehr froh, von den Freunden des Schauspiels Bonn auf die Nutzungsmöglichkeit dieses wahrlich historischen Gebäudes (errichtet 1790) aufmerksam gemacht worden zu sein. Es bietet einen einfachen und dennoch prachtvollen Rahmen (die Familie Buddenbrooks hätte sich darin wohlgefühlt) und wir konnten es als Bonner Verein für kleines Geld anmieten. Dies wird noch öfter geschehen.
Im Anhang an den Rundbrief sehen Sie Johanna Krumstroh und Oli Bott in Aktion.
Noch einige Worte zum Seminar „Die Manns und die Männlichkeit“ in der Thomas-Morus-Akademie in Bensberg. Ich hatte mich angemeldet, da dort der von mir hochgeschätzte Thomas Wortmann als Referent auftrat. Er hielt erfrischend lebendige Vorträge zum Frühwerk der Manns mit dem besonderen Augenmerk auf die Darstellung von Männlichkeit. Man mag die Erkenntnis schlicht bezeichnen, daß insbesondere im Frühwerk Thomas Manns nur schwache, gebrochene und zerbrechliche Männerfiguren auftauchen. Ein sehr spannendes Thema, zumal auch in den Werken des dann schon berühmten Schriftstellers Thomas Mann eher schwache Männerfiguren im Mittelpunkt stehen, man denke an Hans Castorp und Adrian Leverkühn – und schon in den Buddenbrooks sitzen bekanntlich am Ende nur noch Frauen zusammen.
Zu diesem Themenkomplex gab Thomas Wortmann zusammen mit Sebastian Zille 2016 den sehr lesenswerten Band „Homme fragile“ heraus, in dem Beiträge von insgesamt 15 Autoren zum Thema versammelt sind.
Sein Co-Referent war Rolf Füllmann aus Köln; Er hatte einen Stapel von Fehldrucken seines Handbuchs zu Thomas Mann (in der Reihe Literatur kompakt) dabei, die er zu fünf Euro feilbot, und den Ertrag unserem Ortsverein als Spende überließ. Ich danke nochmals auf diesem Wege.
Zum Abschluß empfehle ich Ihnen dringend, die Seminare der Thomas-Morus-Akademie wachsam im Auge zu behalten. Diese bietet ein außerordentlich interessantes Programm in einem gediegenen und gleichzeitig modernen Ambiente. Über eine Zusammenarbeit unseres Ortsvereins mit der Akademie wird nachgedacht.
Ich wünsche Ihnen allseits alles Gute und an die Mitglieder unseres Ortsvereins gewandt wünsche ich mir, möglichst viele von Ihnen zu sehen bei unserer Mitgliederversammlung, herzlich Ihr Peter Baumgärtner
Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,
in diesem Rundbrief möchte ich in erster Linie an Termine am Anfang des nächsten Jahres erinnern. Schon ganz bald, am 12. Januar ‘24 dürfen wir das Literaturkonzert mit dem Titel: „Die Buddenbrooks und die Musik“ erleben, und zwar im Haus an der Redoute in Bad Godesberg um 19.00 Uhr. Die Schauspielerin Johanna Krumstroh wird begleitet vom Vibrafonisten Oli Bott sicher einen eindrucksvollen Abend bereiten. Frau Krumstroh legt Wert darauf zu erwähnen, daß sie dieses Literaturkonzert im Auftrag des Literaturbüros Ostwestfalen-Lippe geschrieben hat. Eine tolle Institution mit einem eindrucksvollen Programm. Schauen Sie sich auf deren Seite im Netz um!
„Die Musik im Hause Buddenbrook spielt zuweilen eine große Rolle. Die Charaktere werden durch sie gezeichnet – durchaus amüsant, wie der Herr Organist Edmund Pfühl –oder mit geheimnisvoller Ausstrahlung, wie Gerda mit ihrer Stradivari.
Die Musik ermöglicht ein innigliches, fastwortlosesVerstehenzwischenGerda,Hanno und dem Herrn Organisten von Sankt Marien, doch sie zeigt ebenso die tiefen Abgründe zwischen Gerda und Thomas. Es ist ein Abend voller überraschender Wendungen.“
Gleich am Tag darauf, am Samstag, den 13.Januar, beginnt in der Thomas Morus Akademie in Bensberg die zweitägige Tagung Die Männer bei den Manns. Als Referent ist neben Dr. Rolf Füllmann aus Köln der uns wohlbekannte Prof. Dr. Thomas Wortmann aus Mannheim geladen. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit ihm.
Dann am Sonntag, den 10. März ‘24 hatte ich Sie gebeten, sich den Matinee-Termin im Haus von Frau Ulrike Keim vorzumerken. Janka Zündorf, die ich, wie im letzten Rundbrief ausgeführt, in Düsseldorf kennenlernen durfte, wird zu uns zum Thema Thomas Mann und die Milch sprechen. Dies wird ein ganz besonderes Ereignis, verbunden mit der Freude zu sehen, welch interessante Forscherinnen und Forscher zu Thomas Mann nachkommen.
Noch ein Satz zur Tagung in Düsseldorf: Da ich nur einen Abend dort sein konnte, hatte ich unser Mitglied Herrn Marcus Pfeifer gebeten, davon zu berichten. Dies tat er in einem ausführlichen und persönlichen Brief. Er gestattete mir, diesen dem Rundbrief beizufügen.
Im letzten Rundbrief hatte ich von Thomas Manns Rede Deutschland und die Deutschen gesprochen. Ich habe bei Bernt Hahn angefragt, ob er bereit sei, uns diese Rede vorzutragen wie zuletzt die Leiden und Größe Richard Wagners. Er sagte sofort zu und nun läuft eine Anfrage im Lew-Kopelew-Forum, ob dort dieser Vortrag stattfinden könnte. Wenn ich dort keine Zusage bekomme, wird sich ein anderer Ort finden, gerne in Köln, um auch mal wieder auf unsere Mitglieder von dort zuzugehen.
Im letzten Rundbrief hatte ich auch angefragt, ob ich den mir unbekannten Dr. Dieter Strauss nach Bonn einladen solle, um über seine Publikation über Thomas Mann und seine drei Töchter zu berichten. Ich erhielt darauf nur eine Rückmeldung, woraus ich schließe, daß kein Interesse besteht.
Unser Kölner Mitglied Thomas Schmalzgrüber schrieb mich an, daß ihn für die anstehenden Weihnachtsferien die Lust anwandelt, sich an unser Übersetzungsprojekt der Hommage de la France à Thomas Mann zu begeben – siehe Rundbrief Nr. 51. Alle frankophilen Mitglieder sind aufgefordert, es ihm gleichzutun. Es wäre schön, wenn wir 2025 eine Übersetzung beieinander hätten. Ich verteile gerne die Scans von einzelnen Texten.
Herr Prof. Hans Büning-Pfaue kündigte an, im nächsten Sommer seinen Rundgang durch den Botanischen Garten reaktivieren zu wollen. Für alle jüngeren Mitglieder: Mein Vorgänger im Amt bot diesen Rundgang 2016 schon einmal an unter dem Titel Pflanzen im Werk von Thomas Mann. Ein Grund zur Vorfreude!
In der kommenden Woche werde ich mich mit den Vorstandskolleginnen zusammensetzen. Wir werden nicht nur über den Termin zur nächsten Jahresmitgliederversammlung beraten, sondern auch über weitere Veranstaltungen im kleinen, internen Mitgliederkreis, die im nun vergangenen Jahr sehr gut aufgenommen worden waren. Ideen und Vorschläge hierzu sind immer erwünscht!
Von der Event-Agentur von Magdalena Bahr, Bonn, wurde ich angesprochen, ob unsererseits Interesse bestehe, an den Tagen des Exils, siehe Kasten im Anhang, teilzunehmen. Da die Anmeldefrist knapp bemessen ist, sagte ich sofort zu. Die Veranstaltungsreihe wird mit Unterstützung der Körber-Stiftung und der Stadt Bonn breit beworben – für uns auch eine Chance, ein breiteres Publikum anzusprechen. Das Thema Exil liegt bei Thomas Mann auf der Hand. Wir könnten die ganzen 14 Tage mit entsprechenden Veranstaltungen anfüllen. Angesprochen und schon eine Zusage bekommen habe ich von unserem Vorstandsmitglied Prof. Dr. Friedhelm Marx, der im letzten Jahr Stipendiat am letzten Exil-Wohnort Thomas Manns in Los Angeles war und zum gerade erschienen Buch Das Thomas Mann House einen Text beigetragen hat – womit wir schon ins Feuilleton hinübergleiten.
Feuilleton
Hatte der Wallstein-Verlag Weihnachten im Visier, als den Bildband Das Thomas Mann House herausgab? Ich nenne das Buch Bildband, da es in erster Linie durch eine aufwändige Gestaltung und professionelle Photographien hervortritt. Die bestellten Autoren werden zur Füllung der Zwischenräume gebraucht, die analog zu den Bildern das Haus raumweise zu betrachten haben. Der arme Heinrich Detering mußte über die Garage schreiben, unser Vize-Vorstand Friedhelm Marx, hat immerhin das Eßzimmer erwischt. Es bleibt nicht aus, daß die illustren Gäste, die dort häufig verkehrten, mehrfach erwähnt werden. Irmela von der Lühe sollte über Erikas Schlafzimmer schreiben, erwähnt dieses in einem Halbsatz, und liefert eine lesenswerte Kurzbiographie von Erikas Jahren in den USA.
Man könnte das Ganze als einen literarischen Katalog mit vielen Schöner-Wohnen- Bildern abtun, wenn da nicht der einleitende Artikel von Heinrich Wefing wäre: ‚Innen Lübeck, außen Kalifornien: Thomas Manns Villa als Schutzraum im Exil‘. Kurzum: Als Weihnachtsgeschenk durchaus brauchbar, aber nicht unverzichtbar.
Lassen Sie mich am Ende noch an einen Autor erinnern, der in einem ganz besonderen Verhältnis zu Thomas Mann stand und dessen großartigen Roman Die Insel des zweiten Gesichts ich die letzten Wochen ein zweites Mal las: Albert Vigoleis Thelen! Die beiden Autoren begegneten sich zweimal: Einmal 1937 in Locarno, und einmal 1947 in Amsterdam. 1937 finden sich in Manns Tagebuch einige Einträge zu Thelen, insbesondere zu dessen Übersetzertätigkeit portugiesischer und holländischer Literatur. In Thelens Briefband Meine Heimat bin ich selbst findet man einige Korrespondenz. Thelen bittet Mann mehrfach um ein Vorwort zu seinen Übersetzungen von Hendrik Marsmann und Teixeira de Pascoaes. Erfüllt wurde die Bitte nicht. Thelen hält Pascoaes für einen geeigneten Nobelpreiskandidaten, Mann setzt sich aber weiter für Hesse ein.
Nach der Begegnung mit Thomas Mann 1947 notiert Thelen: „die begegnung mit thomas mann war sehr schön, er ist ein charmanter plauderer, und gar nicht das grosse tier, das er dichterisch ja darstellt.“ 1953 wagt er auch, Mann um eine Rezension seiner Insel anzugehen, obschon er schon im Anschreiben humorvoll bescheiden formuliert:
„Ich erwarte natürlich nicht, dass Sie die 1000 Seiten lesen, und wenn Sie mich fragen: ja, warum schickt er mir seinen Schmäucher überhaupt zu? dann möchte ich sagen, dass die »Insel« bei Ihnen in einem stillen Winkel auch ungelesen sehr gut aufgehoben ist.“ So wird das Schicksal dieses Buches auch gewesen sein. Thomas Mann hat wohl kurz darin verwundert geblättert und antwortet dann höflich, daß er sich mit dem „merkwürdigen, bunten und krausen Roman“ schon beschäftigt habe. Thomas Mann hatte in seinen letzten beiden (europäischen) Jahren hinreichend viel damit zu tun, ein breites Kreuz für sein eigenes Werk zu machen, Anfeindungen erfährt er hinreichend viele, ähnlich wie Thelen, dessen Atheismus man ihm übelnimmt und ihn auch als Pornographen beschimpft. Über seine radikal antifaschistische Haltung von Anfang an schweigt man sich aus, ein Tabu von großer Macht.
Ich wünsche Ihnen geruhsame Feiertage in Ihrem Lesesessel, im neuen Jahr melde ich mich bald wieder, herzlich Ihr Peter Baumgärtner
Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,
diesen Rundbrief muß ich leider mit einer traurigen Nachricht beginnen: Das Gründungsmitglied unseres Ortsvereins Herr Jürgen Haberland ist im Sommer verstorben. Mich erreichte diesen Nachricht verspätet und auf Umwegen: Aus Lübeck erhielt ich die Nachricht, daß verschiedene Spenden mit dem Betreff „Jürgen Haberland“ dort eingegangen seien. Mit seinem letzten Willen hatte er statt Blumen um Spenden für unsere Gesellschaft gebeten. Auf diesem Wege sind über tausend Euro bei uns eingegangen. Wir verneigen uns in Dankbarkeit. Der Familie habe ich kondoliert.
Im Rundbrief Nr. 50 hatte ich Ihnen von der Anfrage von Frau Johanna Krumstroh berichtet. Zusammen mit dem Vibraphonist Oli Bott hat sie ein Literaturkonzert mit dem Titel: „Die Buddenbrooks und die Musik“ entwickelt. Frau Krumstroh schrieb:
„Die Musik im Hause Buddenbrook spielt zuweilen eine große Rolle. Die Charaktere werden durch sie gezeichnet– durchaus amüsant, wie der Herr Organist Edmund Pfühl – oder mit geheimnisvoller Ausstrahlung, wie Gerda mit ihrer Stradivari.
Die Musik ermöglicht ein innigliches, fastwortlosesVerstehenzwischenGerda,Hanno und dem Herrn Organisten von Sankt Marien, doch sie zeigt ebenso die tiefen Abgründe zwischen Gerda und Thomas. Es ist ein Abend voller überraschender Wendungen.“
Schauen Sie sich auf ihrer Webseite um: johanna.krumstroh.de – Sie werden interessante Entdeckungen machen. Für eine Realisierung eines Abends mit ihr hatte ich im April um Spenden gebeten – es kamen 260,- Euro zusammen, ich danke an dieser Stelle nochmals herzlich. Mit den Spenden, die für Herrn Haberland eingegangen sind, haben wir einen hinreichenden Grundstock um die Sache anzugehen. Johanna Krumstroh und Oli Bott werden uns am 12. Januar ‘24 beehren, und zwar im Haus an der Redoute in Bad Godesberg um 19.00 Uhr. Es wird ein heiterer und dennoch besinnlicher Abend werden und dies auch im Sinne unseres verstorbenen Herrn Haberland sein. Merken Sie sich den Termin vor – ich werde nochmals daran erinnern.
Über den letzten Monatswechsel fand in Düsseldorf die diesjährige Thomas-Mann-Tagung statt. Wie angekündigt konnte ich nur am ersten Abend zugegen sein. Den Jahresrückblick auf unsere Vereinsaktivitäten erledigte Herr Schmalzgrüber für mich, sein Auftritt wurde allseits gelobt, ich danke nochmals ausdrücklich; und Herr Schoch kümmerte sich um unser georgisches Mitglied Frau Choladze, sie hat sich sichtlich wohlgefühlt. Die Tagung fand statt im Haus der Universität in der Stadtmitte, einem schön restaurierten klassizistischen Stadtpalais. Wir wurden vom Düsseldorfer Germanistik- Professor Dörr begrüßt, der in seinen witzig-launigen Begrüßungsworten die häufigen Besuche Thomas Manns in Düsseldorf hervorhob, womit man nach der Schlacht von Worringen einen zweiten Sieg über die Kölner errungen habe. (Wie würde sich Bonn schlagen?)
Herr Prof. Wißkirchen steckte bei seinem Eröffnungsvortrag den Rahmen der Tagung ab und hob hervor, daß wir in den späten Erzählungen Thomas Manns einen wieder leichteren, gelösteren Autor erleben dürfen, im Gegensatz zum Bruder Heinrich, dessen späte Texte immer hermetischer wurden. Die entspanntere Feder von Thomas belegte Herr Wißkirchen mit einem Zitat aus Die Betrogene mit der Vorstellung der Witwe Tümmler, die ihres heiteren Gemahls entbehren mußte, dessen öftere Abweichungen von der Richtschnur der ehelichen Treue nur das Merkmal überschüssiger Rüstigkeit gewesen waren. Ich bedauere sehr, nicht alle drei Tage erlebt zu haben, freue mich auf das nächste Jahrbuch und mache hiermit Werbung dafür, an den Jahrestagungen zahlreich teilzunehmen.
Am Abend des Eröffnungstages gab es einen Empfang im Heinrich-Heine-Haus. Hier wurde zwei Mitgliedern des jungen Forums Gelegenheit gegeben, mit Interventionen ihr Können und Wissen unter Beweis zu stellen, mit dem ausdrücklichen Hinweis, dies angesichts des bereitstehenden Buffets kurz und knapp zu tun. Eine davon war Janka Zündorf, eine 23-jährige Studentin aus Bamberg, die über das Thema Thomas Mann und die Milch referierte. Bei der Ankündigung des Titels standen allen Anwesenden die Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. Was dann aber folgte war ein Feuerwerk von Ideen und Zitaten aus fast allen großen Werken Thomas Manns, von medizinischen und mythischen Bezügen, die dieser mit der Milch verknüpfte. Das Buffet war vergessen und am Ende erhielt Frau Zündorf einen donnernden Applaus von allen Seiten. Ich ging direkt zu ihr und fragte: Und wann kommen Sie nach Bonn? Diese Frage ist inzwischen geklärt: Sie wird am Sonntag, den 10. März ‘24 zur Matinee in das Haus von Frau Ulrike Keim kommen! Frau Keim sagte auf meine Anfrage sofort zu, diese Schnittstelle zwischen Medizin und Literatur ist genau ihr Thema. Ich danke schon jetzt herzlich.
Gleichfalls in Düsseldorf wurde ich aufmerksam gemacht auf Thomas Manns Rede Deutschland und die Deutschen, gehalten unmittelbar nach Kriegsende in Washington. Ein dichter, intensiver und nie anklagender Text von großer Nachdenklichkeit. In Zeiten wieder aufkommender antiliberaler und nationalistischer Gedanken ist er von großer Aktualität. In der neu eröffneten Gemäldesammlung Zeit im Wandel des Bonner Landesmuseums finden sich eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten. Daher fragte ich dort an, ob wir innerhalb der Sammlung eine Veranstaltung durchführen könnten, erhielt aber leider eine Absage vom Direktor des Hauses, dem Germanisten Prof. Dr. Valk. Als Sprecher des Thomas-Mann-Textes hätte ich gerne wieder Bernt Hahn gewonnen. Anregungen für alternative Veranstaltungsorte nehme ich gerne entgegen.
Mein Kollege Oliver Fischer hatte Herrn Dr. Dieter Strauss nach Hamburg eingeladen; er sprach dort unter dem Titel Einfach kompliziert über Thomas Mann und seine drei Töchter. Strauss hat bereits mehrere Bücher über die Familie Mann veröffentlicht. Der Vortrag wurde in Hamburg gut aufgenommen. Ich kenne weder den Autor noch seine Bücher – das muß aber nichts heißen. Besteht ihrerseits Interesse, Herrn Strauss nach Bonn einzuladen? Ich bitte um entsprechende Rückmeldungen.
Feuilleton
Unser Freund Tobias Schwartz machte mich auf die Autorin Gabriele Tergit aufmerksam. Sie war in der Weimarer Republik sehr populär, wurde mit dem satirischen Roman Käsebier erobert den Kurfürstendamm berühmt und angesichts des immer stärker werdenden Antisemitismus begann sie schon 1932 mit der Konzeption ihres wichtigsten Romans Effingers, den sie dann in ihren Jahren des Exils in den Städten ihrer Flucht vorantrieb. In der Nachkriegszeit hatte sie dann größte Mühe, für ihren 900-Seiten Roman einen Verlag zu finden.
Es ist sicher kein Zufall, daß in Effingers sehr viele Motive aus den Buddenbrooks aufscheinen. Die Erzählung beginnt in den 1870er Jahren, in denen die Buddenbrooks enden. Erzählt wird die Geschichte einer jüdischern Familie, die im Kaiserreich zu Wohlstand gelangt. Die geschilderten gesellschaftlichen „Probleme“ sind die gleichen wie bei Thomas Mann: Da ist die fleißige und wohlhabende Unternehmerfamilie, die Schwierigkeiten hat, die Kinder „richtig“ zu verheiraten, da sind die Versuchungen am Wege, die Neigung zum Künstlertum, der Tod eines schönen und künstlerisch begabten Enkels der Gründergeneration. Auf Tonio Kröger kommen junge Leute zweimal wortwörtlich zu sprechen in ihrer Sehnsucht und ihrem jungen Verliebtsein. Noch werden Andeutungen von Antisemitismus weggewischt wie lästige Fliegen. Bis zum ersten Krieg leuchten die besagten Motive Thomas Manns nacheinander auf – freilich in ganz anderer Sprache, lakonisch, knapp, in filmischen Szenen den Fokus wechselnd von einem Familienmitglied zum andern, und das ganze stets mit der nötigen Prise Humor gewürzt. Dann der Krieg, die Niederlage, der Währungsverfall – die Bedrohung wird nicht ernst genommen, lauter Widerstand vermieden, man will nicht provozieren – die Beklemmung nimmt zu, dann die Entrechtung, die Vertreibung, Verschleppung, Ermordung. So knapp die letzten Kapitel gehalten sind, so sehr fühlt man den Schmerz Gabriele Tergits bei der Niederschrift.
Auch die Erzähltechnik gemahnt an Thomas Mann, an der dessen Leitmotive. Tergit hebt vier Kapitel hervor, Querschnittskapitel würde ich sie bezeichnen, einen Überblick gebend über die Familie. Mit der Phrase ‚Was für ein Frühlingstag‘ beginnen viele, viele Absätze in den Kapiteln über die Jahre 1887, 1913, 1930 und zuletzt 1948; wie ein Idyll anmutend, aber das Unheil schon in sich tragend.
Ein unbedingt lesenswertes Buch.
Es grüßt herzlich Ihr Peter Baumgärtner
Brief von Frau Fehrle
Es ist mutig, wenn Heinz Strunk seinen Roman mit dem Titel „Zauberberg 2“ vor Mitgliedern der Thomas-Mann-Gesellschaft präsentiert, aber genau deshalb hätte er sich gut darauf vorbereiten sollen. „Verloren“ hatte Heinz Strunk durch zwei Dinge:
1. Auf den Zuruf „Lauter bitte“, weil das Mikro anfangs zu leise war, reagierte er mit „Das ist nicht meine Aufgabe“, faktisch korrekt, aber in einem gereizten und arroganten Ton geäußert.
2. Er ratterte dann zwei Romankapitel so schnell, undeutlich nuschelnd und monoton herunter, dass er selbst dadurch für eine irritierte Zuhörerschaft sorgte. Später war er auch germanistisch nicht auf der Höhe, denn selbst beim dritten Mal verstand er die in korrektem Deutsch gestellte Frage einer der Damen aus Georgien, warum in seinem Titel der Artikel (Der) fehle, nicht. Leider trug Edo Reents von der FAZ, befreundet mit Heinz Strunk, mit seinen wenigen Kommentaren und Fragen nicht zur Erhellung bei, er war als Moderator absolut überflüssig.
Es war natürlich ein Versäumnis des Veranstalters, das Buch und Heinz Strunk nicht eingeführt zu haben. Niemand kannte diesen Schriftsteller, da half nur Wikipedia …
Nach der Kaffeepause am Sonntag folgte einer der Höhepunkte der diesjährigen Tagung, nicht nur meiner Einschätzung nach. Das Podiumsgespräch zu den Gegenwartsbezügen 2024 mit Schwerpunkt Demokratie und Meinungsfreiheit wurde perfekt von Jan Ehlert von NDR Kultur moderiert: bestens vorbereitet, kluge Fragen, sachliche Diskussion. Dabei bezog sich Natascha Strobl, Expertin für Rechtsextremismus, sehr wohl auf den Roman und zwar ganz explizit auf die Kapitel „Die große Gereiztheit“ und „Der Donnerschlag“. Sie führte aus, dass der „Deckmantel Meinungsfreiheit“ gefährlich sein kann, Prof. Sina ergänzte, dass die Vielstimmigkeit im Zauberberg „Reiz und Gefahr“ gleichermaßen sei, mit dem Kipppunkt Gewalt.
Das wird im FAZ-Artikel von Jannis Koltermann nicht korrekt wiedergegeben. In seinen Charakterisierungen von Hans Castorp und Joachim Ziemßen verkürzt er das Wesen der Figuren in diskussionswürdiger Weise und versucht im gesamten Artikel zwanghaft (geistige?) Verbindungen herzustellen, vom BSW über den Brauereikeller bis zum Weltfest des Populismus, ganz zu schweigen von der Wortwahl „spezialistisch“ sowie „abwägende Äquidistanz“. Was ist bloß mit dem Feuilleton-Personal bei der FAZ los?
Zu 100% stimme ich der Einschätzung zu, dass solche Tagungen „vielfältig und bereichernd“ sind, nicht nur wegen der „offiziellen“ Programmpunkte, sondern gerade auch wegen der informellen Gespräche mit allen Teilnehmern. Ich kann nur appellieren, diese Veranstaltungen zu besuchen!
vom Freitag, den 29.September bis Sonntag, den 1.Oktober in Düsseldorf unter dem Titel „Chaos und Neubeginn. Thomas Manns späte Erzählungen“ statt.
Internationale Thomas Mann-Tagung 2023 – Deutsche Thomas Mann-Gesellschaft (thomas-mann-gesellschaft.de)
Es wäre schön, wenn auch unser Ortsverein zahlreich vertreten wäre. Ich allerdings werde aus privaten Gründen nur am Freitag teilnehmen und am Samstag in der Früh wieder abreisen. Wie alle Jahre findet am Samstagnachmittag die Mitgliederversammlung statt, in der auch unser Ortsverein gehalten ist, über seine Tätigkeiten zu berichten. Ich würde nur sehr ungern einen Vorstandskollegen aus Lübeck bitten, einen von mir verfaßten Bericht zu verlesen. Es wäre schön, wenn jemand von Ihnen diese Aufgabe übernehmen würde, und diesem Vortrag auch eine persönliche Note geben könnte. Zur Vorbereitung stehe ich natürlich vollumfänglich zur Verfügung.
Eine besondere Freude ist es mir, daß unser Mitglied Natia Chaladze aus Kutaissi, Georgien, zu dieser Tagung anreist. Wir kennen sie von Ihrem Vortrag im vergangenen Jahr im Woelfl-Haus. Ich werde sie am Freitagabend auch mit den Vorständen unserer Gesellschaft bekannt machen. Unser Mitglied Herr Schoch sagte bereits zu, ihr bei ggf. auftretenden Problemen unterstützend zur Seite zu stehen.
Abschließend darf ich Ihnen mitteilen, daß die Gattin von Hans Büning-Pfaue Angela von Blomberg in 14 Tagen aus der „Prä“-Rehabilitation nach Hause entlassen wird, nachdem sie vor zwei Monaten von einem rauschgiftsüchtigen Tesla-Fahrer überfahren worden war. Ihr gelten die besten Genesungswünsche des gesamten Ortsvereins.
Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,
leider waren es nur acht Personen, die der Einladung zur Matinee im Hause von Frau Dr. Ulrike Keim vergangenen Sonntag gefolgt sind. Bevor sie mit der Vorstellung ihrer Gumpert-Biographie begann, schilderte sie in lebendigster Form von der Mühe und der Lust an der Recherchearbeit für dieses Buch. Wir erfuhren, daß große Teile des Nachlasses von Gumpert in einem Archiv in Berlin schlummern, andere in Jerusalem zu finden waren, wo man ihr mit großer Hilfsbereitschaft entgegenkam, und auch mit den Enkeln von Gumpert in den USA konnte sie in Kontakt treten, denen die deutsche Herkunft ihres Großvaters kaum noch bewußt war. Nur durch diese energische Arbeit konnte sie an unbekannte Fotos kommen und in ihrem Buch bislang unveröffentlichte Briefe Thomas Manns veröffentlichen. Sie legte großem Wert darauf, den altruistischen Berufsansatz Gumperts als Arzt zu schildern wie auch die enge persönliche Freundschaft zu Katia und Thomas Mann, mit denen er mehrfach in den USA die Weihnachtstage gemeinsam mit seiner kleinen Tochter verbrachte. Auf Gumperts große Liebe zu Erika Mann wurde Frau Keim aufmerksam bei der Lektüre der Erika-Mann-Biografie von Irmela von der Lühe. Diese Lektüreerfahrung war es auch, die ihr den Anstoß gab, selbst das Schreiben einer Biografie in Angriff zu nehmen, zumal sie, wie wir alle, durch Corona zum Hausarrest verdammt war. Wer sich von der erfrischenden Art von Frau Keim selbst ein Bild machen will, kann dies auf YouTube tun, wo eine halbstündiges Interview mit ihr hinterlegt ist: Standort Berlin – ,,Ein außergewöhnliches Leben in zwei Welten” – YouTube, oder akustisch im WDR3-Zeitzeichen zum 125. Geburtstag Gumperts unter: ZeitZeichen – 13. November 1897: Der Arzt und Schriftsteller Martin Gumpert wird geboren – Zeitzeichen – Sendungen – WDR 5 – Radio – WDR.
Mit ganz besonderer Freude kann ich an dieser Stelle verkünden, daß Frau Dr. Ulrike Keim seit vergangenen Montag Mitglied unseres Ortsvereins ist. Ich empfinde dies als große Bereicherung und freue mich auf die Zusammenarbeit!
Als Literaturliebhaber muß man aber ganz abgesehen von der Freundschaft zur Familie Mann das literarische Schwergewicht Martin Gumpert betonen. Die beiden Romane Hahnemann und Dunant habe ich Ihnen bereits vorgestellt. Den schmalen Gedichtband Berichte aus der Fremde verfaßte Gumpert 1937 in New York und erschien 1938 im Verlag Die Arche in Zürich. 2017 wurde er im Südverlag in Berlin neu aufgelegt. Für mich sind die Verse darin das Schönste, was ich je an Poesie gelesen, man hört förm- lich seine so wundersam leise und eindringliche Stimme – großartig. Darin auch das intensivste Liebesgedicht, das Erika Mann wohl je erhalten hat, es ist überschrieben mit Bericht 3 – hier einige Strophen:
Gibt es denn mehr als dies: Beugung Deines Nackens, Wenn du den Strumpf vom Halter lösest Und ich auf deine Nähe warte. Sich am Tage zu sehen Als fremde Tagmenschen mit eigenem Willen Und von der Nacht zu wissen Und der Eintracht unseres Atmens? […]
Ist dann nicht Frieden in unserer Mitte, Wenn dein Kopf auf meinem Arm ruht Und der Schimmer der letzten Zigarette Uns den Weg in die Heimat des Schlafes leuchtet? Geruch der Nähe, Pulsschlag, Haut an Haut, Wächst über uns der Wald der Wände, Und Hand in Hand durchwandern wie die Stille Zum fernen Ort der Zärtlichkeiten […]
Nun, da ich weiß, wie sehr ich Dich liebe, Wird es unser Schlaf sein, nicht Deiner und meiner, Komm, laß uns teilen das nährende Brot und den heilsamen Wein Der Versunkenheit.
1937 berichtet er noch aus der Fremde, neu in New York, 1938 ist er angekommen, etabliert als Arzt, wieder auf der Seite der Schwachen. In dem Roman Der Geburtstag scheinen viele autobiographische Aspekte auf. Er schreibt keine Poesie mehr – Erika hat sich von ihm getrennt – auch keine Helden der Geschichte tauchen auf: alles ist ganz Gegenwart, Nachtleben, Ehrgeiz, Eifersucht: Naturalismus mit hoher Sprachgewalt, Annäherung an Steinbeck… womit ich den Übergang zum Feuilleton einleiten möchte…
Feuilleton
… in dem ich Ihnen wärmstens die aktuelle Neuinszenierung des Bonner Schauspiels ans Herz legen möchte: John Steinbecks Von Menschen und Mäusen: einfach, dicht, intensiv, großartig vom Bühnenbild bis zur Musik – unbedingt anschauen. Dies war auch eines der letzten Theaterstücke, die Thomas Mann sah am 1.Juni 1955 im Züricher Central-Theater. Er notierte in sein Tagebuch: Die Dramatisierung (sehr gut) von Steinbecks »Mice and Men«, gut gespielt, eindrucksvoll.
Abschließen möchte ich mit meinem literarischen Steckenpferd, das ich seit Jahren verfolge und unterstütze: Die auf Deutsch erstmals erschienen Romane von Anthony Powell im Berliner Elfenbein-Verlag. Nach den zwölf Bänden der Reihe Ein Tanz zur Musik der Zeit kamen in den letzten Jahren noch die weiteren fünf Vorkriegsromane Powells auf den Markt, zuletzt Täuschung und Selbsttäuschung. Allesamt geprägt von britischem Understatement, leisem Humor, trefflichen Dialogen, kurz: Wundervolle Gesellschaftsbilder, Literatur mit Suchtgefahr…
Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,
zur Einladung von Frau Dr. Ulrike Keim und der Vorstellung ihrer Gumpert-Biographie in ihrem Hause sind inzwischen sieben Anmeldungen bei mir eingegangen. Schwerpunkt des Abends Wird Gumperts enges Verhältnis zu Erika und Thomas Mann sein und dessen Verewigung in den Joselfs-Romanen. Das wird sicher eine nette Runde. Für weitere sieben Personen ist sicherlich noch Platz bei ihr. Bitte melden Sie sich bis spätestens Freitag bei mir, damit sie sich darauf einstellen kann. Hier nochmals Termin und Ort:
Matinee am Sonntag, den 27.August um 11.00 Uhr
in Bonn-Kessenich, Bergstraße 136
Am gleichen Tage, abends um 18.00 Uhr findet in der alten Kirche des Collegium Leoninum eine Gedenkveranstaltung an den Bonner Pianisten
Karlrobert Kreiten
statt. Dies ist eine Veranstaltung der Theatergemeinde Bonn gemeinsam mit dem Demokratischen Salon. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit Thomas Mann ist nicht gegeben, aber er würde es begrüßen, diesem ganz jung ermordeten empfindsamen Künstler zu gedenken. Alles weitere finden Sie im angefügten Flyer.
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Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an unser Mitglied
Prof. Dr. Hermann Dechant
soll hier nicht unerwähnt bleiben. Bei der Veranstaltung im Gobelin-Saal des alten Rathauses wurde insbesondere seine lebenslange Förderung des musikalischen Nachwuchses hervorgehoben. Über die etwas aus der Zeit gefallene Darstellung einer Hundetreibjagd im Hintergrund hätte auch Thomas Mann schmunzeln würde. Und unser General- Anzeiger widmete ihm und Madonna (65) eine ganze Seite. Auch dies sei dem so humorvollen Menschen Hermann Dechant gegönnt!
Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,
vergangenen Sonntag durften wir einen wunderbaren Tristan-Abend im Woelfl-Haus erleben. Es war weit mehr als eine Lesung, die meine Co-Vorsitzende Frauke May- Jones mit ihrem Partner Philip Stemann präsentierten, es war vielmehr eine musi- kalischliterarische Vorstellung. Der Abend wurde eingeleitet, untermalt und gegliedert von Musikeinspielungen und der Text im Wechsel von den beiden gelesen, wobei Stemann stets die Rolle von Spinell übernahm und May-Jones jene von Frau Klöterjahn und Herrn Klöterjahn im fliegenden Wechsel, die eine mit piepsend- verletztem Stimmchen und die andere dunkel-polternd. Es war eine wunderbare Verschmelzung von Literatur, Musik und Schauspiel, und damit – gerade für diesen ausnehmend knapp bemessenen Thomas-Mann-Text eine treffliche Art der Literaturvermittlung.
Man spürte, wieviel Vorbereitung und Übung die beiden investiert hatten. Leider war der Abend nur spärlich besetzt. Einige Gäste verfolgten die Vorstellung aus der Ferne, ihnen wurde Bild und Ton zeitgleich auf den heimischen Bildschirm zugespielt. Auch Sie, meine sehr verehrten Damen und Herrn, haben noch die Chance, die Vorstellung – zeitversetzt – zu erleben. Über die Seite Woelfl-Haus Bonn – Tristan (woelflhaus.de) können Sie sich noch ein Streaming-Ticket erwerben. Dies würde sowohl Ihrem Genuß und Ihrer Erbauung dienen als auch dem Kontostand unseres Ortsvereins. Ich würde einen solchen Abend nie als defizitär bezeichnen – er war ein Gewinn allemal – aber mehrere Veranstaltungen in dieser Art können wir uns in einem Jahr nicht leisten.
Daher habe ich bislang noch davon abgesehen, die Schauspielerin Johanna Krumstroh und den Vibraphonisten Oli Bott mit ihrem Literaturkonzert „Die Buddenbrooks und die Musik“ einzuladen (siehe Rundbrief Nr.50).
Es ist anzufügen, daß unser kölsches Bremer Mädchen Frauke May-Jones und ihr Bremer Partner Philip Stemann gerne mit ihrer Lesung Gastspiele in anderen Orten in diesem weiten Land wahrnehmen würden. Nicht nur Thomas-Mann-Verehrer kämen auf ihre Kosten, Richard-Wagner-Fans dürfen sich gleichermaßen angesprochen fühlen.
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Die ‚Burleske‘ Tristan wirkt sowohl hinsichtlich des Inhalts wie auch des Spielorts wie eine Fingerübung zum Zauberberg. Die am letzten Sonntag anwesenden Mitglieder unseres Ortsvereins fragten sich, woher Thomas Mann schon um die Jahrhundertwende die Expertise nahm, einen solchen Höhenluftkurort plastisch zu beschreiben, eben lange vor dem Zauberberg und den berühmten Visiten Thomas Manns bei seiner maladen Katia in Davos. In Borchmeyers Bibel fand ich viel zu den mythologischen Bezügen des Tristan-Textes, aber nichts zum Handlungsort. In Harpprechts noch dickerem Kompendium ist die Geschichte eingewickelt in Thomas Manns geheimnisvolle erotische Sondierungen zum eigenen Geschlecht, aber auch nichts zur Lokalität der Handlung. In der Thomas Mann Chronik entdeckte ich allerdings, daß er im Sommer 1901 auf dem Rückweg aus Italien in der Nähe von Meran im Mitterbad im Ultental Station machte. Diese Badeanstalt ist leider seit 50 Jahren dem Verfall preisgegeben und liegt hoch in den Bergen von Bozen in Südtirol und gehörte damals noch zur K&K-Monarchie Österreich- Ungarn. Der leitende Arzt in Mitterbad war Dr. Christoph Hartung von Hartungen – ein Name, wie ihn Thomas Mann nicht besser hätte erfinden können. Er war in damaligen Künstlerkreisen sehr beliebt (Christian Morgenstern soll in seinen Armen gestorben sein), und die jungen Herren Heinrich und Thomas waren bei ihm häufig zu Gast. Zu Doktor Leander konnte ich leider keine Ähnlichkeiten feststellen. Auf Wikipedia kann man einige interessante Entdeckungen dazu machen.
Hinsichtlich des ‚mineralischen‘ Namens des „verwesten Säuglings“ Spinell sprach ich den uns wohlbekannten Goldschmied Hans-Joachim Weingarz an, in dessen Ladengeschäft vor einigen Jahren schon eine Veranstaltung unseres Ortsvereins stattfand. Ich habe ihn auf den Halbedelstein ‚Spinell‘ angesprochen und wurde wie folgt belehrt:
Also, mit dem Halbedelstein ist es folgendermaßen bestellt. In den Fünfzigern hat eine internationale Normungskommission (cibjo) vom Begriff des Halbedelsteins Abstand genommen, weil man nicht wusste, wie man sogenannte Edelsteine von Halbedelsteinen trennen soll. Seit den 1880gern konnte man Rubine von Spinellen unterscheiden und mußte feststellen, daß in den schräbbeligen britischen Kronjuwelen viele Rubine Spinelle sind. Schade, schade. Aber so schlimm können die Dinger nicht sein. Wir könntenDir, für welchen Zweck auch immer, eine sehr schöne und edle Spinellkette verkaufen. Spinell war allerdings auch das Material, welches man als erstes synthetisches Mineral produzieren konnte. Alle blauen Aquamarine in Oma’s Silberschmuck sind synthetische Spinelle. Mit dem echten nicht zu verwechseln…
Bevor Sie nun ihre Schmuckschatullen durchwühlen, bitte ich noch den Hinweis der Eheleute Volhard zur Kenntnis zu nehmen: Sie erinnerten daran, daß im Jahre 2005 im Kursaal von Travemünde in Gedenken an den fünfzigsten Todestag von Thomas Mann eine Sondersendung des Literarischen Quartetts aufgezeichnet wurde, die man noch im Netz abrufen kann: https://youtu.be/38WwVNI9LyI
Ich genoß das Filmchen, schwelgte in Erinnerungen an diese unterhaltsame wie zwiespältige Reich-Ranicki-Show. Gegenstand damals waren nicht die großen Romane Thomas Manns, sondern dessen frühe Erzählungen – und der Tristan wurde zuerst behandelt. In dieser Sendung versuchte Iris Radisch dem großen Meister Paroli zu bieten, (von wegen: Text aus den üblichen Thomas-Mann‘schen Schubkästen: Hanseatische Kaufmannschaft im Gegensatz zum Künstlertum, Musik und Todessehnsucht) wurde aber erfolgreich von Reich-Ranicki pariert, dessen Worte ich nicht wiederzugeben wage: Gönnen Sie sich den Spaß!
Auch unser Mitglied Marcus Pfeifer hat von seiner niederrheinischen Heimat aus den Tristan verfolgt und zeigte sich in einer Mail sehr zufrieden damit. Beim Hören des Textes fühlte er sich an Heines Gedicht „Im Hafen“ erinnert, das er vor einigen Wochen beim Lyrik-Marathon in Düsseldorf verlesen hatte, zumal es dort um ein Erlebnis im Bremer Ratskeller geht, dem auch Spinell einen Besuch abgestattet haben will. Allerdings nahm Heine nicht den Modergeruch wahr, sondern den Rosenduft des Weins, Lebenslust statt Todessehnsucht. Lag gerade darin für Thomas Mann der Wert Heines? War Heine sein Gegengewicht zur Schwermut Schopenhauers oder zu Isoldes Liebestod im Tristan.
Veranstaltungshinweis
Ich erinnere gerne nochmals an die Einladung von Frau Dr. Ulrike Keim zur Vorstellung ihrer Gumpert-Biographie in ihrem Hause: Sie lädt ein zur
Matinee am Sonntag, den 27.August um 11.00 Uhr
in Bonn-Kessenich, Bergstraße 136
Es liegen schon einige Anmeldungen vor – es können gerne noch einige mehr werden. Anmeldungen, wie gesagt, bitte an mich – besten Dank.
Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,
in vier Wochen ist es so weit: Frauke May-Jones wird am 23.Juli 2023 im Woelfl- Haus uns einen Tristan-Abend präsentieren.
Die Opern- und Konzertsängerin und Sprecherin wird zusammen mit Philip Stemann (Theaterregisseur, Autor, Sprecher) die Erzählung „Tristan“ lesen und mit viel Musik begleiten! Auszüge aus Wagners „Tristan“, der „Walküre“, seinen „Wesendonck– Liedern“ (eingesungen von Frauke May-Jones) und Klaviermusik Chopins, werden die Lesung musik-dramatisch ergänzen.
„Es war die Zeit der Maienblüte meiner Begeisterung für das „“Opus metaphysicum“ (TristanundIsolde),(…).AberMusikbeschreibung war immer meine Schwäche (und Stärke?)“….so Thomas Mann 1953.
In seinem schon 1901 dem Bruder Heinrich angekündigten Plan einer „Burleske“ mit dem Titel „Tristan“, wird Thomas Mann, wie später noch so oft „(…) so viel Musik machen, als man ohne Musik füglich machen kann“. Gleichzeitig tiefernst in der vorm geistigen Ohr erklingende Musik der Burleske und ironisch, wenn sie schweigt, folgt er Nietzsches Forderung, die Mythen Wagners ins Bürgerliche zu übersetzen. Eine Literarisierung der Musik Wagners im dichten Gewebe von Manns Worten.
Die Veranstaltung wird auch gestreamt. Ich bitte darum, sich dort auch unmittelbar an- zumelden und ein Ticket vorab zu erwerben, da die Anzahl der Sitzplätze beschränkt ist.
Dann habe ich die besondere Freude, die Einladung der Autorin der Biographie von Martin Gumpert Frau Dr. Ulrike Keim an dieser Stelle anzukündigen: Sie lädt ein zur Matinee am Sonntag, den 27.August um 11.00 Uhr zu sich nach Hause in Bonn Kessenich, Bergstraße 136. Sie wird bei der Vorstellung ihres Buchs:
„Ein außergewöhnliches Leben in zwei Welten – Der Arzt, Dichter, Forscher und Schriftsteller Martin Gumpert“ einen besonderen Schwerpunkt auf dessen Verhältnis zu Thomas und Erika Mann setzen. Im Rundbrief Nr.44 habe ich auf die Vorzüge dieses Buchs schon ausführlich hingewiesen, diesen Text habe ich nochmals angehängt. Sie kann bis zu 16 Gäste empfangen. Anmeldungen bitte an mich – es wird sicher eine sehr aufschlußreiche Begegnung für uns werden. Ich danke Frau Keim an dieser Stelle schon für Ihre Großzügigkeit.
Eine ganz besondere Veranstaltung findet in Wiesbaden statt: Die Thomas-Morus- Akademie lädt ein zum Seminar: Und das Wunderbare war ich – Thomas Manns„Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ 31. August bis 3. September 2023
Als Referenten sind neben anderen die Leiterin des Buddenbrook-Hauses Frau Dr. Birte Lipinski und „unser‘ Präsident Prof. Dr. Hans Wißkirchen geladen. Nähere Informationen finden Sie unter tma-bensberg.de
Im letzten Rundbrief hatte ich Sie auf die Aufführung von „Mario und der Zauberer“ im Schauspielhaus hingewiesen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Es war in jeder Hinsicht großartig! Der Saal war voll, der Applaus am Ende wollte kein Ende finden. Die Schülerinnen und Schüler des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums haben sich die Theater- Adaption des Stücks selbst erarbeitet, ein ganzes Jahr geprobt und eine Aufführung zu- stande gebracht, die Thomas Manns Sprache leuchten ließ und dem Inhalt der Novelle vollständig gerecht wurde: Die Aspekte der faschistischen Ausgrenzung von Fremden und der Verführbarkeit des Menschen wurden hervorragend herausgearbeitet. Es ist ein Jammer, daß nur eine Aufführung stattfinden konnte, es ist eine Freude zu sehen, daß Thomas Mann für die Schule noch nicht verloren ist. Dieser Abend bescherte ihm sicher viele neue Leser!
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Bevor ich Ihnen noch zwei Bücher anempfehle, möchte Sie in kleinen Ansätzen an der vielfältigen Korrespondenz mit unserem Mitglied Jürgen Quasner aus dem tiefen Süden unseres Landes teilhaben lassen. Da es mir immer wieder eine Freude ist, seine mit feiner Ironie gesetzten Briefe zu lesen, bat ich darum, ihn in meinem Rundbrief zitieren zu dürfen, was er gestattete.
Im ersten Jahrbuch unserer Gesellschaft von 1988 fand er in dem sehr lesenswerten Beitrag von Heinz Gockel mit dem Titel „Faust im Faustus“ das Briefzitat Thomas Manns
„Aber der Dr. Faustus ist gar nicht mein Faust, sondern das ist eher der ‚Josef‘.“ Quasner schreibt dazu:
Die hier zitierte Briefstelle an Hausmann habe ich in den „Selbstkommentaren“ auch gefunden. Wenn Th. Mann nach der „Lotte“ Goethe nicht mehr als Gestalt in seinen eigenen Werken darstellt, befaßt er sich umso mehr mit Exzellenz in Reden und Essays. Ammeisten interessiert mich, wie er dazu kommt, Joseph seinen Faust zu nennen.
Dazu würde ich anführen:
die ausgedehnte Lebensfahrt von beiden, die Begegnung mit allen Sphären oder zum Teil deren Durchdringung, deren Aneignung, ihre besonderen Fähigkeiten, der hoch kompetente Gelehrte versus Traumdeuter mit staatsmännischer Karriere.
Unter Gefahren die Erlösung des Teufelsbündners dank seines Strebens, bei Joseph der denkbar höchste Aufstieg eines Migranten, ohne die von den Juden nicht eingeführte Erlösung;
Die Figuren zeigen wesentliche Unterschiede. Faust hat keine Familie, keine Verwandten, verführt aus Frust Gretchen und stürzt sie ins Unglück; Joseph wird verführt, verleumdet, eingesperrt und siedelt später seine ganze Sippe als Volk Israel an.
Das mystische Brimborium am Ende von Faust II: für den alten Goethe als Wunschtraum für sich selbst, für uns heute unzumutbar, obsolet, der ganze Joseph bis heute frisch, weniger fromm als fröhlich frei, die integrierende Überwindung von Felix Krull, Joseph als der stärker gleißende Hochstapler, Th. Manns eigenes unerreichtes Wunschbild …
So far so good?
Und einige Tage später legte er nach:
Th.MannbetontineinemBrief vom 8.5.40 an Menno ter Braak, er habe vorher „nie so eifrig und genau alles gesammelt, was mir schriftlich und gedruckt über ein Buch vor Augen kam.“ Er meint seine „Lotte“, in der englischen Übersetzung „The beloved returns“, „noch der beste“ Titel, „weil er der spirituellste ist und die Idee der Wiederkehr überhaupt durchschimmern läßt“ (Selbstkommentare S.58).Undjetztkommt‘s, daßgeradedieser„Roman“– hier in feet of geese – in seiner „Langweiligkeit durch eine gewisse Aufregung balanciert wird, die die Realisierung des Mythos mit sich bringt“.
So rückt auch die „Lotte“ mit „Joseph“ zusammen, wo auch allerlei balanciert wird, und Th. Mann verspürt „leichten Unmut“, daß gerade dieser Roman in Deutschland nicht erscheinen kann. Den leichten Unmut darf man wohl als beherrschten Zorn interpretieren.
Bei der Veranstaltung mit Frau Dr. Bensch wurde ich auf den 2008 erschienenen Roman vom Martin Walser ‚Ein liebender Mann‘ aufmerksam gemacht. Es ist ein toller Roman, wie ich finde: Goethe wird keineswegs der Peinlichkeit ausgesetzt, wie dies in Thomas Manns Umgebung gemutmaßt hatte, und er dann den ‚Tod in Venedig‘ vorzog zu schreiben, aber wahrscheinlich waren Aschenbachs Neigungen ihm auch näher als jene Goethes. Zurück zu Walser. Seine Darstellung Goethes ist respektvoll, eine gelungene Mischung von ‚Condition humaine‘ und ‚Comédie humaine‘; es gibt keine schlüpfrigen Altherrengedanken sondern überzeugende Dialoge. Walser liefert das Portrait einer selbstbewussten jungen Frau, einer ‚Contresse‘, einer Frau, die wagte, zu widerspre- chen, das letzte Wort zu haben, die Goethe genau deshalb liebt, sicher auch, weil sie ein hübsches Äußeres hat. Solch devoten Schmetterlinge umflattern den Meister zuhauf, aber die lassen ihn kalt. Walser gelingen wundervolle Sätze für Goethe, so etwa
„Ich bin ein Kartenhaus, das behauptet, eine Festung zu sein“. In den letzten Kapiteln wird aus den Versuchen, einen Goethe zu erschaffen eine recht unverhohlene Selbstdarstellung des alten Alphamannes Walser, der Auseinandersetzung mit dem, was nicht mehr ist, wie es war. Aber auch das paßt, ist glaubhaft auch für Goethe. All dies hat auch Thomas Mann getrieben, wenn er seinen Schiller in „Schwere Stunde“ sagen ließ, wie er zu Goethe stehe…
Nur mittelbar mit Thomas Mann zu tun hat folgende Entdeckung: Beatrice Harraden: Wie Schiffe in der Nacht. Ein schmaler Roman, keine 150 Seiten stark:
Eine in heiterem Ton melancholisch-traurige Liebesgeschichte, die Begegnung zweier einsamer Menschen in einem Schweizer Lungensanatorium, zwei Menschen finden sich wie zwei Schiffe in der Nacht, nehmen kurz voneinander Notiz in der unendlichen Dunkelheit und Weite des Meeres und des Lebens. Es liest sich, wie ein Skizzenbuch zum Zauberberg: die Hauptfigur, ein Mr Alliston, weilt sieben Jahre dort oben, erscheint wie eine Mischung aus Hans Castorp und Hofrat Behrens und wird allerseits nur als ‚der unangenehme Mensch‘ bezeichnet wird, erfährt zum ersten Mal so etwas wie Liebe zur weiblichen Hauptfigur, einer gewissen Bernadine, die man als Selbstbild der frauenbewegten Autorin sehen kann, und ein holländischer Mynheer nimmt sich das
Leben. Allein, der Roman erschien 30 Jahre vor dem Zauberberg, wurde im englischen Sprachraum zum Million-Seller, erst 1921 erschien eine deutsche Ausgabe. Nicht auszuschließen, daß er in Davos auslag, als Katia dort in Kur war und von ihrem Mann besucht wurde. Nachweisen läßt sich nichts. Außerdem entspricht es nicht meiner Vorstellungswelt, daß Thomas Mann das Buch einer Suffragette in die Hand genommen haben soll…
Aber ganz seitab von diesen Thomas-Mann-Bezügen: Es ist ein hoch lesenswertes Büchlein, das mich ein wenig an Tucholskys Schloß Gripsholm erinnert hat. Es wurde nun neu übersetzt und erschien in dem wunderbaren Kleinverlag Edition A-B-Fischer aus Berlin, der von Angelika und Bernd Fischer betrieben wird.