Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,
die ‚südlicheren Tage‘ kommen schneller und heftiger als erwartet und wir wollen hoffen, daß sie uns noch einige Zeit erhalten bleiben, denn ich bin mit Frau Dr. Bensch im Weingut Sülz gewesen, um unseren nächsten ‚Gartensalon‘ an eben jenem Ort zu besprechen: Königswinter, Ortsteil Oberdollendorf, Bachstraße 157; https://www.gut-suelz.de. Sollte uns bis dahin die Sonne untreu geworden sein, können wir dort im Kelterhaus mit bis 20 Personen coronakonform sitzen. Frau Dr. Bensch wird anhand von Briefen und anderen Selbstzeugnissen die langsam reifende Entscheidung Thomas Manns und seiner Familie erläutern, ihre neu gewonnene Heimat USA wieder in Richtung Europa zu verlassen. Das Erkennen von Ähnlichkeiten zu gegenwärtigen politischen Zuständen ist ausdrücklich erwünscht. Ich sitze noch daran, Tagebucheinträge dieses Thema betreffend in einer Art Zeitraffer zusammenzufassen. Denn läßt man alle anderen Alltagssorgen Thomas Manns beiseite, seine Arbeit an ‚Der Erwählte‘, seine gesundheitlichen Befindlichkeiten, seine Schwierigkeiten im Umgang mit dem neuen elektrischen Rasierapparat und auch den hübschen Franzl, dann tritt ein ungeheuer hellsichtiger und sorgenvoller Wesenszug Thomas Manns zutage.
Wir wollen nicht länger als eine dreiviertel Stunde ‚referieren‘, und dann in eine offene Gesprächsrunde übergehen, bei der auch Sie Gelegenheit haben, Ihre Beiträge und Ideen zum Thema einzubringen. Es ist ein spannendes und auch ergreifendes Thema. Sind die ausgedehnten Europareisen seit 1949 nichts anderes als Sehnsuchtsreisen? Dies empfinde ich, je mehr ich mich damit befasse: Waren sie nicht die Suche nach einem Fleckchen alter Erde, in dem er zu ruhen wünschte? Die Entdeckung der Sonette Michelangelos trifft ihn natürlich gerade in seiner letzten großen Verliebtheit, aber waren sie ihm nicht noch mehr? „Ob auch die Zeit mich stündlich spornt und drängt: / Gib Du der Erde wieder / Die kranken, wandermüden Glieder –“.
Diese Reisen durch Frankreich, die Schweiz, Deutschland und nach Österreich waren eben auch eine große Mühe für einen alten Herrn von 75 Jahren, für die es eines starken inneren Antriebs bedurfte. Reiste er doch über die holprigen Nachkriegsstraßen in einem Hillmann Minx, einem englischen Mittelklassewagen (der Hersteller wurde 1970 von Peugeot übernommen) mit 37,5 PS und 109 km/h Höchstgeschwindigkeit. Da kann man bei allen hoch gelobten Fahrkünsten von Erika seine abendliche Erschöpfung wohl verstehen – doch dies alles nur ganz nebenbei…

Zurück zu den praktischen Dingen der Gegenwart: Auch wenn das Weingut Sülz sehr viel Raum bietet, muß ich Sie bitten, sich vorher bei mir für den 24.9. anzumelden. Die Corona-Zeiten machen bürokratisch.
So hat Herr Büning-Pfaue inzwischen für den Saal der Schlaraffia in der Schedestraße ein Hygiene-Konzept erarbeitet und erste Referenten hierfür sind angefragt. Und ich stehe mit dem Goldschmied Hans-Joachim Weingarz in Kontakt, in dessen schönem Ladengeschäft in der Friedrich-Breuer-Straße ich vor drei Jahren meine Erkenntnisse zu Walter Geffcken und dem frühen Bildnis von Thomas Mann zum Besten gab. Anhand einer Probebestuhlung werden wir ermitteln, wie viele Personen sich zwischen den geschmückten Vitrinen sich zum Literarischen Salon versammeln können. Herr Weingarz hat mich übrigens im Zusammenhang mit den ‚zwei südlicheren Tagen‘ dazu aufgefordert, den Anfang von Wolfgang Hildesheimers ‚Mitteilungen an Max…‘ wieder zu lesen: „Aber irgendeiner hat auch die letzte Süße in den schweren Wein gejagt. Ich habe den Kerl nicht zu fassen gekriegt, wahrscheinlich hat er nachts gejagt.“
Köstlich! In diesem Sinne herzlich: Bis bald Ihr Peter Baumgärtner
PS: Im Anhang finden Sie noch die digitalen Lektüre-Workshops unserer Muttergesellschaft, die Sie auch auf der entsprechenden Homepage finden können.