Rundbrief Nr. 27



Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

meine am Ende des letzten Rundbriefs vorsichtig zum Ausdruck gebrachte Hoffnung, die Zahlen mögen nach unten gehen, scheint sich nun tatsächlich zu erfüllen: Im Sommer und Herbst scheinen persönliche Treffen und Veranstaltungen wieder möglich zu werden. Mein Gedanke, auch Gesprächskreise oder vielleicht so etwas wie einen Stammtisch zu organisieren, wurde von Frau Klose in ihrem beigefügten Antwortbrief begrüßt. Schade, daß gerade sie einen so weiten Anfahrtsweg nach Bonn oder Köln hat. Ihre Briefe machen mir stets große Freude, sie ist in vielen Thomas-Mann-Themen wunderbar zuhause. So gebe ich jedenfalls die Bitte um Anregungen für eine Lokalität in die Runde, die sich für solche Treffen eignen würde. In Bonn käme das, vielen bekannte, Restaurant Delikart im Landesmuseum in Betracht, wenngleich dies eben ein ausgewiesenes Speiselokal ist und wir vielleicht nicht so gern gesehen sind, wenn wir stundenlang nur reden und trinken. Das Weingut Sülz ist etwas ab vom Schuß – aber wie gesagt, ich warte auf Vorschläge.

Doch zunächst wollen wir unsere Veranstaltung im Woelfl-Haus ins Auge fassen. Das Plakat habe ich Ihnen mit dem letzten Rundbrief zukommen lassen. Die Konzertlesung „Adorno-Beethoven-Thomas Mann“ wird in Zusammenarbeit mir dem Woelfl-Haus und dem Richard Wagner Verband Bonn am 30. Juni 2021 um 19.00 Uhr im Woelfl-Haus stattfinden. Die Veranstaltung wird live gestreamt; ob und wenn ja wieviel Publikum im Saal sein kann, wird sich kurzfristig gemäß den geltenden Corona-Bestimmungen ent- scheiden. Um die Sache zu finanzieren benötigen wir in jedem Falle mehr zahlende Gäste, als das Woelfl-Haus im besten Falle aufnehmen könnte. Daher an dieser Stelle die Bitte, für dieses Streaming-Angebot (https://www.woelflhaus.de/events/adorno-beethoven- thomas-mann; https://dringeblieben.de/videos/adorno-beethoven-thomas-mann ) in Ihrem Be- kanntenkreis Werbung zu machen. Hier ein Ausblick auf das Programm:

Es wurde von dem Musikphilosophen Michael Fürtjes gemeinsam mit dem Pianisten Kotaro Fukuma 2019 anläßlich des 50. Todestags von Adorno und im Blick auf das Beethoven-Jahr 2020 konzipiert. In Amorbach, dem beliebten Kindheitsort Adornos, kam es im November 2019 zu einer begeistert gefeierten Aufführung. Zwei Pressestimmen zu dieser Veranstaltung finden Sie im Anhang.

Vor op. 111 von Beethoven kommen in unserem Programm 3 kleine Klavierstücke von Adorno und die Klaviersonate von dessen Kompositionslehrer Alban Berg zur Aufführung. Außerdem synchronisieren die Herren Fukuma und Fürtjes Klavierspiel und Lesung der im Roman geschilderten Sonaten-Passagen.

Das Programm:

Theodor W. Adorno (1903-1969) Drei Klavierstücke (1927-1945)

  1. Adagietto – Hommage á Bizet
  2. Die böhmischen Terzen
  3. Valsette

Alban Berg (1885-1935) Klaviersonate op. 1

Thomas Mann (1875-1955) Lesung aus dem Kapitel VIII des Romans  „Doktor Faustus“

Ludwig van Beethoven (1770-1827) Klaviersonate Nr. 32 c-Moll op. 111

So weit die Vorschau auf diesen sicher spannenden Abend. Wer keine technische Möglichkeit hat, an dieser Veranstaltung online teilzunehmen, aber dennoch dabei sein möchte, möge sich bei mir melden. Vielleicht kann ich mit Frau Dr. Haider-Dechant so etwas wie eine Warteliste für Präsenzgäste anlegen.

Nun zu meinem wahrscheinlich letzten literarischen Exkurs im Rahmen des Rundbriefs, in der Hoffnung, daß sich die kommenden wieder stärker dem aktuellen Vereinsgeschehen widmen können. Um die Gemeinnützigkeit unseres Vereins zu belegen, werde ich die Rundbriefe des letzten Jahres in einer gedruckten Broschüre zusammenfassen. Wer Interesse an einem Exemplar hat, möge sich bei mir melden.

Angeregt durch die Ausstellung: ‚Dichtung und Revolution – Kurt Eisner, Gustav Landauer, Erich Mühsam, Ernst Toller‘1, die 2018 in der Monacensia in München stattfand, bin ich seither dem sehr besonderen Verhältnis von Thomas Mann zu Ernst Toller nachgegangen. Ich bemühe mich nun, die Dinge chronologisch zu ordnen.

Toller wird 1893 im heutigen Polen in eine jüdische Familie hineingeboren. Im Januar 2015 meldet er sich freiwillig an die Front und erlebt vor Verdun 13 Monate die Hölle.

Körperlich und seelisch zerrüttet landet er im Sanatorium und versucht in expressionistischen Gedichten sein Kriegstrauma zu verarbeiten. 1917 beginnt er in München ein Studium der Literatur- und Staatswissenschaften. Der Anblick des Isenheimer Altars – damals noch im München – löst Albträume aus. Er lernt Rilke und auch Thomas Mann kennen, der an der Hochschule aus seinen Texten liest. Mit seinen ersten Gedichten wagt Toller einen Besuch beim berühmten Dichter. „…Er läßt sich die Manuskripte geben, er liest mit mir jede Zeile, lobt diese und sagt, warum die andere unzulänglich, bewundernswert ist seine Geduld, gemessen und väterlich sein Rat. Er behält sich einige Papiere, zwei Tage später schreibt er mir einen langen Brief, er hat nochmals geprüft und belehrt den jungen Menschen, der diese schöne Haltung nie vergißt.“2

Er freundet sich mit dem um eine Generation älteren Kurt Eisner an; beide sind in ihrem Herzen Künstler und finden sich bei Kriegsende mitten in der Politik wieder. Die Ermordung Eisner spült Toller in die erste Front der Revolutionäre. Thomas Mann erwähnt ihn erstmals in seinem Tagebuch: Die Erlasse sind vom ehem. Studenten Toller aus Ostpreußen gezeichnet, der uns einmal Eier schickte. (9.4.1919) Die Gedichte sind vergessen, in Zeiten der Not sind Eier wichtiger.

In dem beigefügten, längeren Text von Wolfgang Frühwald wird die Rolle Tollers in der Revolution im Detail geschildert. Das Kapitel im Ausstellungskatalog der Monacensia zu Ernst Toller ist vielsagend überschrieben mit ‚Armeeführer, der nicht schießen will‘.

Jedenfalls hat der Spuk bald ein Ende, Toller flieht, wird gefaßt. Ihm droht die Exeku- tion. Viele wohlmeinende Stimmen bewahren ihn davor, auch Thomas Mann verwendet sich für ihn. ‚Ich stelle dem jungen Toller brieflich ein Zeugnis aus, das ihn vor weiteren Verhaftungen schützen soll‘ schreibt er am 3.6.2019 in sein Tagebuch.

Im Gegensatz zu allem Putschisten von der rechten Seite müssen Toller und seine Kameraden ihre Strafen absitzen. Toller muß fünf Jahre in Festungshaft ertragen. Sein Leben hinter Gittern ist in Briefen gut dokumentiert. 2018 wurden die Briefe von Ernst Toller (1915-1939)3 vom Wallsteinverlag herausgegeben. Zwei Bände mit insgesamt 1.750 Seiten – eine Großleistung des Herausgeberteams, die aus aller Welt 1681 Briefe zusammentrugen und vorzüglich edierten. Tollers Umgang mit Sprache ist virtuos: Leidenschaftlich und zuweilen mit zu viel Pathos versehen sind seine politischen Briefe, wunderschön und fast gesanglich seine Liebesbotschaften und entschieden scharf, seine intellektuelle Überlegenheit ausnutzend, seine Briefe an die Obrigkeit, an den Gefängnisdirektor, den Zensor und andere. Er wußte von seinen Rechten, oft mußte er um sie kämpfen, häufig hat er sie nicht bekommen. 1922 versucht er, vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden, wagt es, sich an Thomas Mann zu wenden, von dem er „… weiß, daß er mich nicht mit den Augen des Bürgers sieht, daß er, quand même, einer der seltenen »gentlemen« unter den Schriftstellern ist.“4 Thomas Mann reicht ein entsprechendes Schreiben beim Justizministerium ein, jedoch ohne Erfolg.

Ernst Tollers ‚Schwalbenbuch‘5 ist der literarische Ertrag dieser harten Zeit: Pathetische Poesie der Hoffnung und der Verzweiflung geschrieben im Gefängnis und vor dem Git- terstäben die freundliche, freie und friedliche Natur, das Fürsorgliche dieser Tierchen, das Miteinander der Paare, das Kümmern um die Kleinen. Mit ihnen flogen Tollers Träume davon, ihnen taten die Wärter, die Menschen, Gewalt an, zerstörten die Nester, alles eine große Metapher auf das Leben und ein Selbstbild eines empfindsamen Herzens.

Auf einem Kongress gegen koloniale Unterdrückung in Brüssel im Februar 1927 lernt Toller den Privatsekretär Mahatma Gandhis und späteren ersten Ministerpräsidenten von Indien Jawaharlal Nehru kennen. Die beiden blieben fortan in Kontakt.

Im gleichen Jahr 1927, also drei Jahre, nachdem er aus der Festungshaft entlassen wurde, veröffentlicht er das Buch ‚Justiz-Erlebnisse‘, in dem er als mittlerweile sehr bekannter Theaterautor sich in der Öffentlichkeit für eine Amnestie der noch einsitzenden Kameraden aus Zeiten der Räterevolution einsetzt. Er bittet Thomas Mann, sich für dieses Buch zu verwenden. Was dieser mit einem offenen Brief im Berliner Tageblatt vom 31.7.1927 auch tut: „Sehr geehrter Herr Toller! Ihr Justizbuch ist gekommen und ich habe es mit furchtbarem Eindruck gelesen. […] Welch ein abscheulicher Mißbrauch zu Rachezwecken ist getrieben worden mit dem Begriff des Hochverrats, der praktikabel sein mag, in Tagen eines klaren, eindeutigen und legitimen Staatslebens, aber jeden Rechtssinn verliert in Zeiten wie 1919! Welch ein Unsinn, daß seit acht Jahren Menschen unter der Fuchtel von Zuchthauswärtern stöhnen und verkommen… […] Welch widerwärtiges, auf Eis Konservieren einer Rachesucht, die heute nicht einmal mehr lebendig empfunden werden kann! […]“6

Nachdem Toller im April 1933 in Ascona bei Thomas Mann zu Gast war, spricht er im Mai auf dem PEN-Kongress in Ragusa. Die offiziellen deutschen Delegierten protestieren, bringen die gastgebenden Jugoslawen in eine schwierige Lage. Darüber berichtet er in einem Brief an Klaus Mann, den er für seinen Aufsatz gegen Gottfried Benn lobt. Darin auch erste Abreden zu ‚Eine Jugend in Deutschland‘, Tollers Autobiographie seiner jungen Jahre, die noch im gleiche Herbst bei Querido erscheinen sollte. (Der Querido-Verlag wurde als Verlag deutschsprachiger Autoren 1933 von Emanuel Querido gegründet – ein gleichnamiger holländischer Verlag bestand schon seit 1915. Er wurde geleitet von Fritz H. Landshoff und Alice van Nahuys, von Klaus Mann stets nach Kräften unterstützt. 1940, nach Einmarsch der Deutschen, wurde er zerschlagen. Emanuel Querido wurde 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet.)

In den 30er Jahren ging Ernst Toller völlig auf in seinem Kampf gegen Hitler. Allein auf das Wort setzend, Netzwerke knüpfend und Publikationen unterstützend, tat er alles, um den Nazis noch in den Arm zu fallen. In der von Klaus Mann in den Jahren 1934 und 1935 herausgegebenen literarischen Zeitschrift DIE SAMMLUNG7 finden sich einige Beiträge Tollers, poetische, erzählerische, essayistische – aber immer politische. Die Freundschaft zu Klaus Mann vertieft sich. Die Absolutheit ihres Kampfes bindet sie zusammen. In einem Brief vom 2.11.1934 zeigt er sich entzückt von Klaus Manns ‚Flucht in den Norden‘.8 Im gleichen Jahr 1934 sind sie gemeinsam auf Moskaureise. Klaus Mann erinnert sich in seinem ‚Turning-Point‘ (1942, Der Wendepunkt, 1952): „Ernst Toller, und dessen revolutionärem Pathos das emotionell-humanistische Element bestimmend war, neigte zu Abweichungen, die von den Strenggläubigen als ‚kleinbürger- lich-sentimental‘ gegeißelt wurden.“

Toller konnte aber auch anstrengend sein. Klaus notiert am 22.1.1936 in Den Haag: „In Tollers „Briefen aus dem Gefängnis“ (Er hetzt dieses Thema – seine Gefangenenzeit – gar zu schamlos zu Ende, übrigens gibt es einige aufschlussreiche und einige rührende Stellen.)“ und am 26.10.1936 in New York: „Cocktail – Empfang … Toller spricht zu lang und zu pathetisch.“

Im Wendepunkt wird Klaus Mann einige Jahre später notieren: „Ernst Toller kam – eine Persönlichkeit von sehr rührenden und liebenswürdigen Eigenschaften: hilfsbereit und kameradschaftlich bei aller Ich-Erfülltheit, aufrichtig bei aller Neigung zum Rhetorischen, dankbaren Herzens und oft heiteren Sinnes bei übrigens gefährlich sensitiver psychischer Disposition und einer ominösen Tendenz zum Manisch-Depressiven.“

Im Jahr 1936 kommt es zu wiederholten Begegnungen Tollers mit Nehru. Dieser wurde in Indien Anfang der 30er Jahre mehrfach inhaftiert, lernte im Gefängnis die deutsche Sprache und las mit großer Begeisterung die Texte Tollers, gerade dessen ‚Jugend in Deutschland‘: Nehrus Frau ist 1936 schwer erkrankt, ein langer Sanatoriumsaufenthalt in Badenweiler kann sie nicht mehr retten. Zu dieser Zeit beginnt seine Tochter Indira in London ihr Studium und trifft dort mit dem Ehepaar Toller häufig zusammen. Toller hatte im Jahr zuvor Christiane Grautoff – die Tochter von Thomas Manns Schulfreund Otto Grautoff – geheiratet, die als Schauspielerin in London in Stücken ihres Mannes sehr erfolgreich auftritt. Zur Tochter Nehrus entwickelt sich ein freundschaftliches Verhältnis. In einem Brief von 1936 schreibt sie über Indira: „Sie kam mir wie eine Blume vor, die der Wind leicht wegblasen könnte; aber ich glaube, daß sie den Wind nicht fürchtet.“9 Welch richtige Einschätzung! Diese Briefe entnahm ich übrigens einem Bänd- chen, das sich seit vielen Jahren in meinem Bücherschrank versteckt: Jawaharlal Nehru – Ernst Toller: Dokumente einer Freundschaft 1927 -1939. Es ist 1989 in Halle und Leipzig im ‚Mitteldeutschen Verlag‘ erschienen und mit einem der letzten Vereinnah- mungs-Vorworte der DDR von längst verstorbenen Personen versehen. (Der Begriff ‚mitteldeutsch‘ überlebte nicht nur die DDR, nein, er lebt bis heute in der Verlags- und Rundfunkwelt, als würde es irgendwann wieder ein weiter östlich gelegenes Deutsch- land geben.)

Am 28.12.1937 notiert Klaus Mann in Hollywood in sein Tagebuch: „Nach feinem Dinner in Gesellschaft: Rückweg mit Toller zu Fuß. Ziemlich bittere Gespräche über Hollywood“ Toller hatte im Februar 1937 einen lukrativen Einjahresvertrag als Drehbuchautor bei den MGM-Studios unterschrieben. Ab Juni 1937 bezieht er mit seiner Frau Christiane ein Haus in Santa Monica. Doch stellt sich bald heraus, daß er mit den Arbeitsmethoden der Filmindustrie nicht zurechtkommt. Schon am 6.3.1938 schreibt er an Klaus Mann: „Es ist ja seltsam, dass man in Städten, die einem zuwider sind, nicht einmal in der eigenen Klause ruhig und friedlich bleibt.“ Zu diesem Zeitpunkt ist er schon zurück in New York und bewohnt ein Zimmer im Mayflower Hotel, in dem er sich im Folgejahr das Leben nehmen sollte.

Am 25.2.1939 notiert Klaus Mann in sein Tagebuch: „Toller. Abendessen mit ihm allein. … Ganz nett, wenngleich Toller sehr niedergeschlagen, auch finanziell bedrängt u.s.w.“

Am 11. Mai 1939 sind sie gemeinsam bei einem politischen Kaffeekränzchen bei Mrs. Roosevelt, ihr Mann war unabkömmlich, mußte regieren – was Wunder in dieser Zeit.

„…auf der Fahrt von New York nach Washington habe ich ihn im Pullmann-Wagen neben mir gehabt, wir verbrachten den Tag zusammen. Ein reicher, bunter Fest- und Reisetag. Toller, empfänglichen Herzens, dankbaren Gemüts, schien den Tag im Weißen Haus zu genießen. Ein paarmal klagte er freilich über Müdigkeit. „Wenn ich nur heute Nacht etwas schlafen könnte!“ Es war nur ein leiser Seufzer, nur für mich bestimmt, denn wir waren Freunde. … Es war unser letztes Beisammensein. Ein paar Tage später berichteten die Blätter, Ernst Toller habe sich in seinem New Yorker Hotelzimmer erhängt. Warum? Kein letzter Brief war da…“ Es folgt eine wehmütig-bewundernde Rückschau auf die Jahre ihrer Freundschaft, und dann: „Ich mußte an seinem Sarge sprechen. Er lag hinter mir, das Würgemal am Hals gnädig verdeckt. Ich wagte nicht, ihm ins Gesicht zu schauen. Ich hatte Angst. Ich schämte mich meiner Tränen. Wem galten sie! Doch nicht ihm, der endlich schlafen durfte.“ 10

Neben allem dokumentarischen Wert dieser Aufzeichnungen sind sie in ihrer eindeutigen Vieldeutigkeit auch große Literatur. Klaus Mann schreibt, er ‚mußte… sprechen‘. Ja, Thomas Mann ist gebeten worden zu sprechen, aber kann auf die Schnelle nicht aus Kalifornien anreisen. Klaus trägt die Rede seines Vaters vor. In Thomas Manns Rede auf dem Schriftstellerkongress am 2. Juni 1939 in New York geht er dann allerdings ausgiebig auf Ernst Toller ein.11 Leider handelt es sich bei dem überlieferten Text um eine Rückübersetzung ins Deutsche, der Originaltext ist leider verloren, gleichwie – so nehme ich an – seine Grabrede für Toller, die Klaus am offenen Sarg halten mußte. Im Tenor wird diese ähnlich geklungen haben: Verständnis für die Verzweiflung, mahnen- der Aufruf zusammenzustehen und durchzuhalten.

Um wieviel weniger dramatisch ist unsere Situation heute. Wir haben durchgehalten und ich hoffe, wir können am 30. Juni gemeinsam einen wunderschönen Abend erleben,

herzlich Ihr Peter Baumgärtner


1 Gleichnamiger Ausstellungskatalog von Laura Mokrohs, Regensburg 2018

2 Ernst Toller: Eine Jugend in Deutschland; 1934; Hamburg 1963 / 1988. Seite 55

3 Ernst Toller: Briefe 1915-1939; Göttingen 2018

4 Briefe, Seite 257, Band 1, Brief 203 vom 17.März 1922

5 Ernst Toller: Das Schwalbenbuch; 1923; Leipzig 1957 (Insel-Bücherei Nr.633)

6 Briefe, Seite 655, Band 1, Brief 616 vom 26.Juli 1927, Anmerkungen

7 Briefe, Seiten 960ff, Band 2, Brief 1017 vom 17.Juli 1933

8 Klaus Mann: Flucht in den Norden; 1934; München 1977

9 Jawaharlal Nehru – Ernst Toller: Dokumente einer Freundschaft 1927 -1939, Halle und Leipzig 1989. S.111

10 Wendepunkt, Seite 392 ff

11 Schriftsteller im Exil‘; in TM gesammelte Werke in Einzelbänden, (Frankfurter Ausgabe) ‚Rede und Antwort – über eigene Werke – Huldigungen und Kränze – über Freunde, Weggefährten und Zeitgenossen‘