Rundbrief Nr. 44 + Anlagen Stefan Zweig in Amerika | Jan Assmann | Bilder | Lieder



Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

ich erlaube mir, Sie nochmals auf den Vortrag von Prof. Wortmann am Mittwoch, den 14.12. um 18.30 Uhr hinzuweisen. Er findet im Clubraum des Verwaltungsgebäudes der evangelischen Kirchen Bonns statt, den man früher nur als LESE angekündigt hätte. Bei dem gewählten Titel „Abenteuertourismus im doppelten Sinne. »Thomas Manns „Eisenbahnunglück“ und das unbekannte(re) Werk« erinnerte ich mich an Wortmanns Vortrag im Januar dieses Jahres bei der Thomas- Morus-Akademie in Bensberg. Im Rundbrief Nr. 36 hatte ich geschrieben: „Er berichtete über die Statussymbole von Thomas Mann und machte dies an der frühen Erzählung ‚Eisenbahnunglück‘ fest, die einen weit weniger dramatischen Verlauf nimmt, als der Titel vermuten läßt, schildert sie doch eine Begebenheit, die TM 1906 selbst erlebt hatte. Prof. Wortmann, in Mannheim lehrend aber aus dem Rheinland stammend, ist bei aller Wissenschaftlichkeit mit einem humorvollen Redefluß gesegnet. Es war erstaunlich, wie er mit seinem germanistischen Analysebesteck diesen kurzen Text zergliederte und erstaunliche Erkenntnisse zutage förderte.“

Die Erinnerung daran erfüllt mich mit Vorfreude auf den Abend, den wir nun Mitte Dezember mit ihm erleben dürfen. Wer zuvor schon die Bekanntschaft mit ihm machen möchte, kann dies bereits am kommenden Donnerstag tun, wo er wieder an einer Veranstaltung der Thomas-Morus-Akademie teilnimmt, die auch online besucht werden kann. Gegenstand des Abends ist der preisgekrönte Spielfilm von Maria Schrader:

»Vor der Morgenröte – Stefan Zweig in Amerika«.

Als Anlage 1 zum Rundbrief finden Sie die entsprechende Ankündigung im Akademieprogramm.

Ein zweiter, externer Veranstaltungshinweis betrifft wieder Thomas Mann. Der uns wohlbekannte Ägyptologe Jan Assmann wird als Gast der ETH in Zürich einen Vortrag unter dem Titel

«Thomas Manns ‹Morgenlandfahrt› – die Josephsromane»

halten. Auch an dieser Veranstaltung können Sie online teilnehmen. Nähere Angaben finden Sie in der Anlage 2.

Doch nun zur Rückschau auf unsere eigene Veranstaltung, zu unserem Georgienabend im Woelfl-Haus. Hier präsentierte zunächst Frau Natia Tcholadze eine Kurzfassung ihrer Promotionsarbeit zur »Sinfonischen Architektonik von Thomas Manns Zauberberg«. Ihr Vortrag war neben ihren literarischen Kenntnissen von einem breiten musikalischen Wissen geprägt. Mit Unterstützung von Herrn Prof. Hermann Dechant bereiten wir eine Publikation vor. Frau Dr. Tcholadze ist inzwischen Mitglied unseres Ortsvereins, zwei weitere (Geschenk-) Mitgliedschaften sind in Vorbereitung; Frau Tcholadze denkt darüber nach, in ihrer Heimat- und Universitätsstadt Kutaissi einen eigenen Ortsverein zu gründen. Im Briefwechsel mit ihr spüre ich, wie sie – bei all ihren Sorgen ob des nahen Krieges – in der Beschäftigung mit der Literatur ihren seelischen Ausgleich findet.

Für den zweiten Teil des Abends hatte unser Mitglied Frau Ekaterine Horn für wundervollste Unterhaltung gesorgt: Georgische Volkslieder vorgetragen von Rezo Tschchikwischwili und Nino Winjbergen-Shatberashvili (wer die beiden Nachnamen unfallfrei ausspricht, erhält einen Preis) Beide waren überaus hinreißend, Nino mit all ihrer Schönheit, Stimme und Ausstrahlung, Rezo als Vollblutschauspieler, Komödiant, Pianist und Gitarrist einzigartig. Im Nachgang lud Frau Prof. Haider-Dechant die Künstler noch zur Brotzeit in der Bauernstube ein, wobei sich in bester Stimmung Rezo T. alsbald als Tamada (თამადა – „Tischführer“) bewährte und mit einem herzlichen Gaumarjos (გაუმარჯოს – „Prost“) immer wieder sein Glas erhob – womit Sie hiermit auch ihre erste Unterrichtsstunde in Georgisch erhalten hätten. In der Anlage 3 finden Sie einige photographische Eindrücke des Abends, in Anlage 4 die Übersetzungen der Liedtexte von Ekaterine Horn. Die Veranstaltung ist übrigens noch im Netz abrufbar: All jene, die ein Streaming-Ticket gelöst hatten, können die Aufzeichnung beliebig oft ansehen, die Gäste, die am Abend vor Ort waren, können auf Nachfrage im Woelfl-Haus einen entsprechenden Link erhalten, und all jene, die ich nun neugierig gemacht habe, können im Nachgang ein entsprechendes Ticket erwerben. Es kostet wie immer 22,- Euro. Da mit den bereits erzielten Einnahmen alle Unkosten des Woelfl-Hauses beglichen werden konnten, können wir alle zusätzlichen Einnahmen zum weiteren Ausgleich der Honorare nutzen. Falls also Interesse besteht, bitte ich den Betrag auf das Konto unseres Ortsvereins zu überweisen und mir dies mitzuteilen. Vom Woelfl- Haus wird Ihnen dann der Link übermittelt. Ich wünsche Ihnen damit viel Freude!

Noch ein Satz zur Publikation des Vortrags von Tobias Schwartz im Museum Koenig: Die Druckvorlage ist fertig, die ISBN wird gerade besorgt – ich hoffe noch auf eine Auslieferung vor Weinachten.

Feuilleton

Dieser Tage meldete sich Frau Dr. Ulrike Keim bei mir und berichtete, daß sie gerade vom Verlag druckfrisch eine Reihe von Exemplaren des von ihr verfaßten Buches, von der Biographie Martin Gumperts, des Freundes von Thomas Mann, erhalten habe. Sie übergab mir ein Exemplar – ich habe es sofort ‚verschlungen‘. Hier mein Bericht:

Ein außergewöhnliches Leben in zwei Welten – Der Arzt, Dichter, Forscher und Schriftsteller Martin Gumpert.

Mit diesem außergewöhnlich langen Titel ist das Buch soeben im Verlag für jüdische Kultur und Zeitgeschichte überschrieben. Autorin ist die Bonner Ärztin Frau Dr. Ulrike Keim, die auch einmal einige Semester Germanistik studierte und somit prädestiniert war, ein Lebensbild dieser schillernden Figur Martin Gumpert (1897-1950) zu verfassen. In jahrelanger Arbeit hat sie sich Quellen erschlossen, die bislang unbekannt waren. Als Sohn eines Arztes in Berlin stieß Gumpert schon als Schüler zum Dichterkreis der Expressionisten, mußte im Krieg Lazarettdienste leisten, verlor seine erste große Liebe durch die spanische Grippe, studierte Medizin, entwickelte sein berufliches Ethos, nachdem der Arzt auch immer das soziale Umfeld des Kranken im Blick haben muß, wurde angesehener Dermatologe, bevor ihn die Nazis 1933 mit Berufsverbot belegten. Er besinnt sich zurück auf seine frühe Leidenschaft, das Schreiben. So erschien 1934 sein erster Roman: „Hahnemann – Die abenteuerlichen Schicksale eines ärztlichen Rebellen und seiner Lehre der Homöopathie“. Als Autor dieses Buches ist er Thomas Mann bereits bekannt, als Gumpert ihn 1935 in Kilchberg besucht und eine lebenslange Freundschaft ihren Lauf nimmt.

1937 findet er auch zur Lyrik zurück, allerdings hat er den Expressionismus hinter sich gelassen, vielmehr blickt er in dem Band „Berichte aus der Fremde“ in einem ‚prosaischen Alltagston‘ auf sein Leben zurück.

1933 begann man dort Meine Freunde zu quälen, meine Sprache zu schinden. Schmutz und Unrat befielen das Land. Ich habe versucht es zu ertragen.

Thomas Mann verwendet sich für ihn, legt ein gutes Wort für ihn ein bei Ferdinand Lion, dem Herausgeber von ‚Maß und Wert‘. An Gumpert schrieb er dann: „Er ist ein häkelig-mäkelig Köpfchen, und ich glaube, Sie können sich etwas einbilden darauf, daß er doch wenigstens eines Ihrer Gedichte mit spitzen Fingern […] ausgewählt hat…“

Nun, 1937 war er bereits ein Jahr in den USA, es war eben nicht mehr zu ertragen in Deutschland. In New York angekommen mietete er sich im Bedford-Hotel ein und verliebte sich alsbald in Erika Mann und eine Amour fou zweier ganz gegensätzlicher Persönlichkeiten nahm ihren Lauf: Der sein inneres Feuer immer bändigende, sanfte Martin Gumpert konnte die extrovertierte, laute, oft provokante Erika Mann auf Dauer nicht an sich binden. Die Briefe der beiden aneinander, die Frau Keim zitiert, sind dennoch geprägt von höchstem Respekt füreinander. Vom Auf und Ab dieser Beziehung unberührt bliebt das sehr freundschaftliche Verhältnis zu Katia und Thomas Mann. Als Beweis höchster Zuneigung ist daher das Bildnis Gumperts als Mai-Sachne im vierten Band der Josefs-Tetralogie zu werten. So heißt es dort, er habe „…beides vereint, nicht heute ein Arzt und Schreiber ein andermal, sondern dieses in jenem und eines zugleich mit dem anderen, worauf man den Ton legen muß, denn meiner Meinung nach ist es von vorzüglichem Wert.“

Dann der Doktor Faustus: Welch besseren Berater in Sachen Syphilis hätte Thomas Mann sich wünschen können, als den Dermatologen Gumpert? Dann Manns Lungenkrebs – Katia sucht Rat bei Martin Gumpert. Aber dann: Martin Gumpert erleidet 1946 einen ersten Herzinfarkt. Thomas Mann ist tief erschrocken, möchte seinen Freund auch weiter an seiner „Seite wissen“ und ermahnt ihn: „Achten Sie also auf meinen Vorsprung und kommen Sie bald wieder auf die Beine!

Nun, Gumpert achtete den Vorsprung nicht und starb 1955 drei Monate vor Thomas Mann.

In Ulrike Keim hat Martin Gumpert eine Biographin gefunden, die ihm in Sachen Leidenschaft in nichts nachsteht. Sie hat das Feuer dieses hochsympathischen Humanisten trefflich eingefangen. Selbst die medizinischen Passagen sind für Laien gut verständlich. Wir werden im nächsten Jahr sicher eine Veranstaltung mit ihr machen – aber besorgen Sie sich vorab schon das Buch, es wird Sie bereichern. Wer sich noch einen weiteren Eindruck von Martin Gumpert verschaffen will – und auch die Stimme von Frau Keim hören möchte -, kann sich in der Mediathek des WDR das Zeitzeichen vom 13.11.2022 anhören, darin wurde an den 125. Geburtstag Gumperts erinnert.

Auf bald Ihr Peter Baumgärtner

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Stefan Zweig in Amerika

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Vor der Morgenröte – Stefan Zweig in Amerika

Preisgekrönter Spielfilm von Maria Schrader (2016)

24. November 2022 (Do.) | 19.30 Uhr bis 21.00 Uhr

Stefan Zweig gehörte mit seinen brillanten psychologischen Novellen zu den populärsten deutschsprachigen Schriftstellern seiner Zeit. Als jüdischer Intellektueller und radikaler Pazifist trat er dem aufkeimenden Nationalismus entgegen und musste schließlich fliehen – um dann in Brasilien den Freitod zu wählen.

„Vor der Morgenröte“ ist ein elegant bebildertes und hochkarätig besetztes filmisches Epos über die Exiljahre des Schriftstellers. Maria Schraders preisgekröntes Werk von 2016 lässt eine untergegangene Weltordnung erahnen, in der der Protagonist noch angesichts des Abgrunds ein zukünftiges geeintes Europa erträumt.

Unter sachkundiger Leitung des Germanisten Prof. Dr. Thomas Wortmann, Universität Mannheim, widmet sich das KinoKolloquium dem gemeinsamen, moderierten Gespräch rund um den Film. Nach einem eingehenden Vortrag von Prof. Wortmann zu Entstehungsgeschichte, Besetzung, Motiven und Hintergründen wird Gelegenheit zu Gespräch und Austausch geboten.

Der Film selbst wird allen angemeldeten Gästen vorab per Link zugesandt und kann bis zur Veranstaltung jederzeit und beliebig oft geschaut werden.

Jan Assmann

Thomas Mann Lecture mit Jan Assmann

Am 30. November 2022 ist der Kulturwissenschaftler und Ägyptologe Jan Assmann zu Gast an der ETH Zürich. Er spricht über Bezüge zwischen den Werken von Thomas Mann und Hermann Hesse.

Thomas Mann und Hermann Hesse pflegten einen jahrzehntelangen Austausch: Mann schätzte Hesses «Der Steppenwolf» und sah «Das Glasperlenspiel» in Verbindung mit seinem eigenen Roman «Doktor Faustus». Jan Assmann geht in seinem Vortrag auf die weniger etablierten Bezüge zwischen den Werken beider Autoren ein und zeigt die Zusammenhänge zwischen Hesses «Glasperlenspiel» und Manns Josephsromanen auf.

Die Thomas Mann Lecture findet in diesem Jahr wieder in Präsenz statt. Jan Assmann hält seinen Vortrag mit dem Titel «Thomas Manns ‹Morgenlandfahrt› – die Josephsromane» am 30. November 2022 um 18.00 Uhr, im Audi Max der ETH Zürich. Gleichzeitig kann die Veranstaltung online verfolgt werden.

Thomas Mann Lecture mit Jan Assmann – Thomas-Mann-Archiv | ETH Zürich

Bilder

Lieder

1.    Georgien, meine Schöne

Ein Wiegenlied singt mir der Wind Die Platane erzählt ein Märchen,
Die Trauerweide hat mich wie ein Kind Mit seinen hängenden Ästchen
mit Zärtlichkeit und Eifersucht erfüllt!
Refr.:
Georgien, meine Schöne, Wer ist schöner als Du?

2.    Suliko

Sucht ich, ach, das Grab meiner Liebsten Fragend überall: Wer weiß wo?
Weinend klagte ich oft mein Herzelend: Wo bist du, mein lieb Suliko?
Blühte dort am Waldrand die Rose, Morgensonnenschön, still und froh.
„Fragt ich hoffnungsvoll das Blümlein: Sag, bist du mein lieb Suliko?“
Sang die Nachtigall in den Zweigen. Brannte mir das Herz lichterloh
„Sag mir doch, du holde Sängerin Bist gar du mein lieb Suliko?“
Neigt die Nachtigall drauf ihr Köpfchen, Aus der Rosenglut klang es so Silberhell und tröstend wie ihr Lied:
„Ja, ich bin‘s, ich bin Suliko!“ (Deutsche Übersetzung von Ernst Busch)

3.    Das Schicksalsrad

Überall war ich auf der Suche nach dem Schicksal, Die Zeit und Augenblicke machten mich nieder, Die Schuld der Sühne trifft man immer wieder, Warum wird der Himmel dabei nicht finster?
Refr.:
Das Schicksalsrad dreht sich in Eile, Mit uns geht die Zeit zur Neige,
Wer weiß, wer kann die Wunden heilen? Das Schicksalsrad dreht sich in Eile.

4.    Der sentimentale Tango

Die Berge sind voller Wehmut
Und die Dämmerung macht sich breit, Alles verschwindet in Demut
Und die Brücke der Treue entzweit.
Alles verschwindet spurlos, Der Zweig der Treue verwelkt, Alles geschieht zeitlos
Bis der Frühling wieder alles erhellt!
Refr.:
Das Leben singt, das Licht singt, Dieses Herz zwitschert: „Ich liebe Dich!“

5. Wenn der Mond aufgehen möchte

Vor dem Aufstieg des Mondes am Himmel, laufe ich entlang des Flussufers singend.
Refr.:
Komm Frühling, komm Liebe zurück zu mir, Ich sehne mich so sehr nach Dir!

6.    Der bunte Schmetterling

Flieg doch bitte langsam,
Du, mein bunter Schmetterling! Flieg nicht weit und einsam
Aber auch nicht zurück, Du Liebling!
Refr.:
Oh, Du bunter Schmetterling, Flieg doch nicht so beschwingt!

7.    Nebel im Herbst

Herbstlich liegen die Nebelschwaden, Die Schwalben fliegen weit weg, Willst Du mir wirklich sagen,
Dass Du gehst, welch ein Schreck!
Refr.:
Ich kann es gar nicht wagen, Meinen Schmerz Dir zu sagen, Habe ich Dich so verletzt, Dass Du mich jetzt verlässt?

8.    Im Frühling blüht die Mandelblüte

Ich bin hier, ich bin da, Ich bin wirklich überall,
Da ich selbst die Sonne bin
Für die Erde, die alles verschlingt.
Refr.:
Ich bin hier, ich bin da, Ich bin wirklich überall!

9.    Tagsüber singe ich in Deinem Garten

Tagsüber singe ich in Deinem Garten,
In der Nacht bewache ich Deine Blumen, Schenke mir bitte zuerst Dein Lachen, Und danach Deiner Mohnblume!
Refr.:
Die Mohnblume in Deinem Garten Liebkost mich strahlend und lachend, In der Nacht werde ich auf Dich warten, Deine schönen Blumen bewachend!