Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

in diesem Rundbrief möchte ich in erster Linie an Termine am Anfang des nächsten Jahres erinnern. Schon ganz bald, am 12. Januar ‘24 dürfen wir das Literaturkonzert mit dem Titel: „Die Buddenbrooks und die Musik“ erleben, und zwar im Haus an der Redoute in Bad Godesberg um 19.00 Uhr. Die Schauspielerin Johanna Krumstroh wird begleitet vom Vibrafonisten Oli Bott sicher einen eindrucksvollen Abend bereiten. Frau Krumstroh legt Wert darauf zu erwähnen, daß sie dieses Literaturkonzert im Auftrag des Literaturbüros Ostwestfalen-Lippe geschrieben hat. Eine tolle Institution mit einem eindrucksvollen Programm. Schauen Sie sich auf deren Seite im Netz um!
„Die Musik im Hause Buddenbrook spielt zuweilen eine große Rolle. Die Charaktere werden durch sie gezeichnet – durchaus amüsant, wie der Herr Organist Edmund Pfühl – oder mit geheimnisvoller Ausstrahlung, wie Gerda mit ihrer Stradivari.
Die Musik ermöglicht ein innigliches, fast wortloses Verstehen zwischen Gerda, Hanno und dem Herrn Organisten von Sankt Marien, doch sie zeigt ebenso die tiefen Abgründe zwischen Gerda und Thomas. Es ist ein Abend voller überraschender Wendungen.“
Gleich am Tag darauf, am Samstag, den 13.Januar, beginnt in der Thomas Morus Akademie in Bensberg die zweitägige Tagung Die Männer bei den Manns. Als Referent ist neben Dr. Rolf Füllmann aus Köln der uns wohlbekannte Prof. Dr. Thomas Wortmann aus Mannheim geladen. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit ihm.
Dann am Sonntag, den 10. März ‘24 hatte ich Sie gebeten, sich den Matinee-Termin im Haus von Frau Ulrike Keim vorzumerken. Janka Zündorf, die ich, wie im letzten Rundbrief ausgeführt, in Düsseldorf kennenlernen durfte, wird zu uns zum Thema Thomas Mann und die Milch sprechen. Dies wird ein ganz besonderes Ereignis, verbunden mit der Freude zu sehen, welch interessante Forscherinnen und Forscher zu Thomas Mann nachkommen.
Noch ein Satz zur Tagung in Düsseldorf: Da ich nur einen Abend dort sein konnte, hatte ich unser Mitglied Herrn Marcus Pfeifer gebeten, davon zu berichten. Dies tat er in einem ausführlichen und persönlichen Brief. Er gestattete mir, diesen dem Rundbrief beizufügen.
Im letzten Rundbrief hatte ich von Thomas Manns Rede Deutschland und die Deutschen gesprochen. Ich habe bei Bernt Hahn angefragt, ob er bereit sei, uns diese Rede vorzutragen wie zuletzt die Leiden und Größe Richard Wagners. Er sagte sofort zu und nun läuft eine Anfrage im Lew-Kopelew-Forum, ob dort dieser Vortrag stattfinden könnte. Wenn ich dort keine Zusage bekomme, wird sich ein anderer Ort finden, gerne in Köln, um auch mal wieder auf unsere Mitglieder von dort zuzugehen.
Im letzten Rundbrief hatte ich auch angefragt, ob ich den mir unbekannten Dr. Dieter Strauss nach Bonn einladen solle, um über seine Publikation über Thomas Mann und seine drei Töchter zu berichten. Ich erhielt darauf nur eine Rückmeldung, woraus ich schließe, daß kein Interesse besteht.
Unser Kölner Mitglied Thomas Schmalzgrüber schrieb mich an, daß ihn für die anstehenden Weihnachtsferien die Lust anwandelt, sich an unser Übersetzungsprojekt der Hommage de la France à Thomas Mann zu begeben – siehe Rundbrief Nr. 51. Alle frankophilen Mitglieder sind aufgefordert, es ihm gleichzutun. Es wäre schön, wenn wir 2025 eine Übersetzung beieinander hätten. Ich verteile gerne die Scans von einzelnen Texten.
Herr Prof. Hans Büning-Pfaue kündigte an, im nächsten Sommer seinen Rundgang durch den Botanischen Garten reaktivieren zu wollen. Für alle jüngeren Mitglieder: Mein Vorgänger im Amt bot diesen Rundgang 2016 schon einmal an unter dem Titel Pflanzen im Werk von Thomas Mann. Ein Grund zur Vorfreude!
In der kommenden Woche werde ich mich mit den Vorstandskolleginnen zusammensetzen. Wir werden nicht nur über den Termin zur nächsten Jahresmitgliederversammlung beraten, sondern auch über weitere Veranstaltungen im kleinen, internen Mitgliederkreis, die im nun vergangenen Jahr sehr gut aufgenommen worden waren. Ideen und Vorschläge hierzu sind immer erwünscht!
Von der Event-Agentur von Magdalena Bahr, Bonn, wurde ich angesprochen, ob unsererseits Interesse bestehe, an den Tagen des Exils, siehe Kasten im Anhang, teilzunehmen. Da die Anmeldefrist knapp bemessen ist, sagte ich sofort zu. Die Veranstaltungsreihe wird mit Unterstützung der Körber-Stiftung und der Stadt Bonn breit beworben – für uns auch eine Chance, ein breiteres Publikum anzusprechen. Das Thema Exil liegt bei Thomas Mann auf der Hand. Wir könnten die ganzen 14 Tage mit entsprechenden Veranstaltungen anfüllen. Angesprochen und schon eine Zusage bekommen habe ich von unserem Vorstandsmitglied Prof. Dr. Friedhelm Marx, der im letzten Jahr Stipendiat am letzten Exil-Wohnort Thomas Manns in Los Angeles war und zum gerade erschienen Buch Das Thomas Mann House einen Text beigetragen hat – womit wir schon ins Feuilleton hinübergleiten.
Feuilleton

Hatte der Wallstein-Verlag Weihnachten im Visier, als den Bildband Das Thomas Mann House herausgab? Ich nenne das Buch Bildband, da es in erster Linie durch eine aufwändige Gestaltung und professionelle Photographien hervortritt. Die bestellten Autoren werden zur Füllung der Zwischenräume gebraucht, die analog zu den Bildern das Haus raumweise zu betrachten haben. Der arme Heinrich Detering mußte über die Garage schreiben, unser Vize-Vorstand Friedhelm Marx, hat immerhin das Eßzimmer erwischt. Es bleibt nicht aus, daß die illustren Gäste, die dort häufig verkehrten, mehrfach erwähnt werden. Irmela von der Lühe sollte über Erikas Schlafzimmer schreiben, erwähnt dieses in einem Halbsatz, und liefert eine lesenswerte Kurzbiographie von Erikas Jahren in den USA.
Man könnte das Ganze als einen literarischen Katalog mit vielen Schöner-Wohnen- Bildern abtun, wenn da nicht der einleitende Artikel von Heinrich Wefing wäre: ‚Innen Lübeck, außen Kalifornien: Thomas Manns Villa als Schutzraum im Exil‘. Kurzum: Als Weihnachtsgeschenk durchaus brauchbar, aber nicht unverzichtbar.
Lassen Sie mich am Ende noch an einen Autor erinnern, der in einem ganz besonderen Verhältnis zu Thomas Mann stand und dessen großartigen Roman Die Insel des zweiten Gesichts ich die letzten Wochen ein zweites Mal las: Albert Vigoleis Thelen! Die beiden Autoren begegneten sich zweimal: Einmal 1937 in Locarno, und einmal 1947 in Amsterdam. 1937 finden sich in Manns Tagebuch einige Einträge zu Thelen, insbesondere zu dessen Übersetzertätigkeit portugiesischer und holländischer Literatur. In Thelens Briefband Meine Heimat bin ich selbst findet man einige Korrespondenz. Thelen bittet Mann mehrfach um ein Vorwort zu seinen Übersetzungen von Hendrik Marsmann und Teixeira de Pascoaes. Erfüllt wurde die Bitte nicht. Thelen hält Pascoaes für einen geeigneten Nobelpreiskandidaten, Mann setzt sich aber weiter für Hesse ein.
Nach der Begegnung mit Thomas Mann 1947 notiert Thelen: „die begegnung mit thomas mann war sehr schön, er ist ein charmanter plauderer, und gar nicht das grosse tier, das er dichterisch ja darstellt.“ 1953 wagt er auch, Mann um eine Rezension seiner Insel anzugehen, obschon er schon im Anschreiben humorvoll bescheiden formuliert:
„Ich erwarte natürlich nicht, dass Sie die 1000 Seiten lesen, und wenn Sie mich fragen: ja, warum schickt er mir seinen Schmäucher überhaupt zu? dann möchte ich sagen, dass die »Insel« bei Ihnen in einem stillen Winkel auch ungelesen sehr gut aufgehoben ist.“ So wird das Schicksal dieses Buches auch gewesen sein. Thomas Mann hat wohl kurz darin verwundert geblättert und antwortet dann höflich, daß er sich mit dem „merkwürdigen, bunten und krausen Roman“ schon beschäftigt habe. Thomas Mann hatte in seinen letzten beiden (europäischen) Jahren hinreichend viel damit zu tun, ein breites Kreuz für sein eigenes Werk zu machen, Anfeindungen erfährt er hinreichend viele, ähnlich wie Thelen, dessen Atheismus man ihm übelnimmt und ihn auch als Pornographen beschimpft. Über seine radikal antifaschistische Haltung von Anfang an schweigt man sich aus, ein Tabu von großer Macht.
Ich wünsche Ihnen geruhsame Feiertage in Ihrem Lesesessel, im neuen Jahr melde ich mich bald wieder, herzlich Ihr Peter Baumgärtner