Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,
ein Dichter, der „in die politische Arena hinabsteigt“ wird schnell mit einem „subalternen Hohn“ belegt, er möge sich doch ans „Geistige“ halten – so schrieb Thomas Mann im Nachwort zu Romain Rollands Dokumentation „Spanien – Menschen in Not“ (1937), mit dem er jenen Pazifisten Rolland unterstütze, den er in seinen Bekenntnissen noch hart angegangen war. Rolland sei ebenso wenig Politiker wie er, und dennoch: „Ja, es ist das Eigentliche, ist das Entscheidende: In der Gestalt des Politischen ist uns heute die Frage des Menschen selbst mit einem letzten und lebensgefährlichen Ernste gestellt, die frühere Zeiten nicht kannten…“
Diese Worte klangen in meinen Ohren, als ich diese Woche las, daß die prorussische Regierung Georgiens auch in zweiter Lesung jenes Gesetz beschlossen hat, das aus allen westlichen Unterstützern feindliche Agenten macht – und habe mich dann entschlossen, gegen jenes Gesetz unverzüglich zu verstoßen.
Auch wenn die Staatspräsidentin mit ihrem Veto das Inkrafttreten des Gesetzes aufschieben kann, ist davon auszugehen, daß das Parlament dieses Veto überstimmt. Ich sagte Natia Tscholadze zu, für sie und ihre Freunde Geld zu sammeln, um ihre Kampagne für Freiheit und Demokratie zu unterstützen. Sie bedankte sich mit einem langen Brief, hier der erste Absatz:
Lieber Peter, ich komme aus dem Schock von gestern nicht heraus. Wie kann man sein eigenes Land und sein eigenes Volk verkaufen? Ich wünschte, ich könnte sehen, was diese 83 Menschen gedacht haben, als sie diesem Gesetz zugestimmt haben. Das ist die kommunistische Einparteienherrschaft. Es gibt keine Worte, um meine Wut und meine überwältigenden Gefühle auszudrücken, weder auf Georgisch noch auf Deutsch.
Aber wenn die heutigen Ereignisse in den deutschen Medien behandelt würden, dann würde man sehen, dass das georgische Volk keinen Terror fürchtet und weiterhin vereint und unermüdlich für eine bessere Zukunft kämpft.
Heute sind auch die europäischen Außenminister zur Demonstration gekommen und haben mit ihrer Unterstützung unsere Jugend noch mehr gestärkt.
Zu deiner Frage: Wie geht es weiter? Ich sage dir, dass wir bisher nur Einwände gegen das Gesetz erhoben haben, jetzt wird lautstark der Rücktritt dieser prorussischen Regierung gefordert. Das ist nicht das Ende der Geschichte. Alles liegt noch vor uns.
Im Weiteren haben wir uns darüber unterhalten, wie das gesammelte Geld nach Georgien transferiert werden kann, ohne uns als Absender zu demaskieren und dies als private Überweisung erscheinen zu lassen, wie sie alltäglich von im Ausland lebenden Georgiern vorgenommen wird. Über Details möchte ich hier nicht halböffentlich sprechen.
Es würde mich freuen, wenn auch Sie bereit wären, mit einem kleinen Geldbetrag unseren georgischen Freundinnen und Freunden zu helfen. Es müssen Plakate, Flyer und Medienauftritte finanziert werden! Ich werde die Sache über unser Vereinskonto abwickeln. Entsprechende Spenden bitte unter dem Stichwort „Georgien“ auf unser Konto bei der Sparkasse Köln-Bonn anweisen:
DE86 3705 0198 1902 2707 17
Wir wissen nicht, ob diese Initiative die gewünschten Früchte trägt. Thomas Manns Ansprachen an Deutsche Hörer hatten am Ende keinen meßbaren Erfolg. Aber er blieb den Worten treu, die er an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn gerichtet hatte, sich darin als einen Menschen beschreibt, „dem immer gegeben war, sich auszudrücken, sich im Worte zu befreien, dem immer Erleben eins gewesen war mit reinigend bewahrender Sprache.“
Möge dieser „Geist“ Thomas Manns die liberalen und humanen Hoffnungen in Georgien stärken. Ich bitte, mir diesen bescheidenen „Hauch von Pathos“ nachzusehen. Ich denke, er ist diesem ernsten Thema angemessen und sollte auch am Fest der Geistausgießung gestattet sein…
Mit besten Wünschen zu Pfingsten Ihr Peter Baumgärtner
PS: Für die Veranstaltung im Excelsior sind bislang erst 11 Anmeldungen bei mir eingegangen.