Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Detering, Göttingen: „Thomas Manns amerikanische Religion“
Am 2. Mai hielt Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Detering, Göttingen, u.a. Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, im Universitätsclub einen Vortrag mit dem Titel „Thomas Manns amerikanische Religion“ und stellte damit zugleich sein gleichnamiges, im S. Fischer-Verlag erschienenes Buch vor.
In seiner Begrüßung stellte Herr Büning-Pfaue Herrn Detering mit seinem wissenschaftlichen Werdegang in den dafür wichtigen Stichworten vor und merkte u.a. an, dass das Buch von Heinrich Detering für viele Leser unerwartet gekommen sei, denn über die Jahre sei Thomas Mann absolut kein Kirchgänger gewesen und u.a. habe er Reinhold Schneider geschrieben: „um Ihre katholische Basis und Bindung sind Sie zu beneiden, mir fehlt diese Geborgenheit, denn mein Protestantismus ist bloße Kultur, nicht Religion.“
Dass diese Verhältnisse in der us-amerikanischen Zeit sich änderten, charakterisierte Detering mit folgendem Zitat (Th.M.): „Selten, wenn überhaupt je, habe ich ein so lebhaftes und militantes Interesse an irgend einer religiösen Gruppe genommen.“ (hier: Unitarischen Kirche).
Im Anfang wies Detering u.a. auf die Brückenfunktion des Autors Ralph Waldo Emerson hin, der zwar nicht der unitarischen Kirche angehörte, dessen Individualismus- und Bildungs-Ideen durch Goethe beeinflusst sind, und damit für Th. Mann die Beziehung zum Unitarier Whitman herstellte, mit dem Thomas Mann zunehmend in Sympathie verbunden war. Dabei ging es um (unitarische) Ideen von amerikanischer Demokratie und Humanität, Individualismus und Menschenrecht, Akzente, die bei Thomas Jefferson und Abraham Lincoln vertreten sind, deren Namen auch eine Reihe unitarischer Gemeinden tragen.
Dabei ging es Thomas Mann weniger um eine Entscheidung zu den beiden großen Richtungen der unitarischen Kirche (die monotheistische oder die tolerant offene auch für andere religiöse Weisheiten), denn ihm kam es darauf an, dass christliche Gesinnung sich in entsprechend soziales Verhalten und in aktive Hilfe für Mitmenschen umsetzte.
Entscheidend war später die Freundschaft zu Ernest Caldecott, dem unitarischen Pfarrer in Los Angeles, der auch die Mann-Enkel taufte. Insbesondere wird man das aktive publizistische Engagement Th. Manns (u.a. gegenüber Hitler-Deutschland) im gefundenen Zusammenhang von Politik, Religion, von Demokratie und Christentum sehen müssen, wobei Th. Mann immer wieder R.W. Emerson und W. Whitmann zitierte; Detering machte anschaulich, dass Th. Mann in der Nachfolge seiner amerikanischen Vorbilder selbst zum poet of democracy wurde.
Auch der Nachfolger Caldecotts, Stephen Fritchman, wurde zum Freund Th. Manns und beide protestierten gemeinsam gegen die unsinnigen („antikommunistischen“) Maß-nahmen ab 1947; Detering wies auch auf die „Ringparabel“ (Lessing) hin, die als Grundlage für die Mann`sche Mitgliedschaft in der unitarischen Kirche anzusehen ist.
Besonders herausragend ist die Kanzel-Rede („Predigt“), die Th. Mann 1951 vor 800 Zuhörern der First Unitarian Church of Los Angeles hielt, in der er seine politisch-ethische und religiös-humanistischen Ideale im Rahmen der unitarischen Kirche bezeugte. Der Prediger Fritschman hat 1955 in Los Angeles eine bewegende Trauerrede zum Tode von Thomas Mann gehalten, in der er u.a. den großen Autor mit den Propheten des alten Testamentes verglich.
Eine lebhafte Diskussion gab es zum Ende des Vortrages, die sich noch lange im offenen, schönen und gut besuchten Empfang in der Lobby des UniClubs fortsetzte; dort bekannte der Referent u.a., dass seine engagierte Buch-Darstellung vielfach ihm persönlich „angerechnet“ würde, weil gar nicht spürbar sei, der er selbst sich als „Trinitarier“ bekenne … (exakt: als konvertierter katholischer Christ mit Benedektiner-Ausrichtung).