Oktober 2011

Oktober 2011

Sicher war dem „naiven“ Leser von Thomas Manns Roman „Joseph und seine Brüder“ schon vor dem Besuch der Ausstellung „Ägyptische Gärten“ im Kölner Römisch-Germanischen Museum klar, dass sie für seine Lektüre und Interpretation hilfreich sein würde. Wie profitabel der Besuch aber tatsächlich sein würde, erfuhr er durch die Führung von Frau Dr. Ursula Erichsen am 6. Oktober, deren literarisch und kunsthistorisch geschulter Blick ihm über Allgemeines und Geahntes hinaus neue Einsichten erschloss und anhand der Exponate in Verbindung mit adäquaten und klar umrissenen Textstellen aufzeigen konnte, wie Thomas Mann in genialer Intuition heute wissenschaftlich erhärtete Fakten mit seiner Fiktion und seiner moralisch-philosophischen Intention literarisch verbunden hat und verbinden konnte. Thomas Manns an sich schon liebevoll ausgemalte Beschreibungen von den Orten der Handlung, der konkreten Lokalität, erhielten durch die von Frau Dr. Erichsen sinnvoll ausgewählten Exponate Konkretheit, eine „Unterfütterung“, die die Beschäftigung mit dem Roman erweitern und noch vergnüglicher gestalten kann.
Vergnüglich gestaltete sich auf jeden Fall das gesellige Beisammensein im Anschluss an die Führung. Der Vorsitzende verwies auf geplante Veranstaltungen, so z.B. mit John von Düffel und Jan Assmann.

Dr. Renate Menge

Am 20. Oktober 2011 sprach Herr Prof. Dr. Dr. h.c. Gunter Wenz, Uni-München, zu dem „protestantischen Ideenprofil im Werk von Thomas Mann“. Er vertritt mit seinem Lehrstuhl die Systematische Theologie innerhalb des Institutes Fundamentaltheologie und Ökumene und ist zugleich ein ausgezeichneter Thomas Mann-Kenner.

Das gestellte Thema stellt er mit großer Kompetenz vor, wobei zu beachten ist, dass sich Thomas Mann stets irgendeiner konfessioneller Zuordnung entzogen hat, selbst wenn er sich später den Ideen der Unitarischen Kirche näherte.

Persönlich gibt es etliche innere Widersprüche beim Autor Thomas Mann, aber aus seinem Werk lässt sich ein klares protestantisches Profil ableiten. Diese Aussage gilt, obwohl der Autor bei seiner Papst-Audienz 1953 ohne Zögern und im hohen Maße bewegt den ihm gereichten Fischer-Ring geküsst hat. Darüber hinaus ist bekannt, dass Thomas Mann die traditionellen Formen katholisch gelebter Frömmigkeit hochgeschätzt hat und die dort gegebene Geborgenheit des Christenmenschen neidvoll für sich bewunderte.

Ungeachtet dessen haben wir gehört, welche Text-Zitate aus den Buddenbrooks, aus dem Zauberberg und aus dem Doktor Faustus, eine „protestantische Gottesunmittelbarkeit“ des Autors und seiner Protagonisten belegen, obwohl Thomas Mann für sich vielfach einen religiösen Humanismus beanspruchte und sein Christsein als ein persönliches Ingrediens charakterisiert hat. Warum bei ihm dennoch „protestantisch“ gedacht wird, stellt der Referent vor, unabhängig davon, dass „Gott“ im Werk von Thomas Mann vielfach nur in Bildern und Analogien erkennbar wird und Gott als eine Art Künstler erscheint, der das ganze Weltgeschehen voller Liebe und Mitleid betrachtet.

So führte uns Herr Prof. Wenz in einer glasklare Strukturierung durch eine Vielzahl der mann`schen Romangestalten und lässt z.B. Tony Buddenbrook mit dem Schöpfungsartikel des Lutherischen Katechismus beginnen, um ihr dann am schlimmen Ende sagen zu lassen, dass Hoffnung nicht zuschanden werden lässt. Berichtet wurde, welcher Traum-Vers des Hans Castorp ein zentrales protestantisches Hauptstück bedeutet und zugleich die Überzeugung des Autors widerspiegelt. Und wie die im Kontakt zu Paul Tillich von dort übernommene „Transzendenz der Gnade“ im Doktor Faustus spürbar wird.

Prof. Dr. Hans Büning-Pfaue