September 2011

September 2011

„Beschwörung der Musik mit dichterischer Sprache“ – so könnte man den Abend am 22. September 2011 in der Thomaskirche in Bonn-Röttgen beschreiben. Der Referent Andreas Arand beleuchtete das Musikverständnis Thomas Manns anhand der Nebenfigur des Edmund Pfühl und dessen musikalischem Credo in den Buddenbrooks. In einem Parforceritt durch die Musikgeschichte, untermalt von zahlreichen Musikbeispielen auf der Orgel und dem Klavier sowie von auf eine Leinwand projizierten Noten, erläuterte der Referent die Bedeutung der Kontrapunktik und stellte sie der Harmonik gegenüber, vor deren Folgen wie der „Emanzipation des Mißklangs“ Edmund Pfühl warnt. Wir befinden uns bekanntermaßen im Ausgang des 19. Jahrhunderts und im Zeitalter der „Neutöner“. Damit bereitete Andreas Arand die musikalische Standortbestimmung Pfühls vor. Pfühls musikalisches Credo ist nämlich ganz eindeutig die Kontrapunktik. Thomas Manns dichterische Feinheiten bestehen nun darin, dies in Metaphern auszudrücken. So lässt er Pfühl vom Krebsgang eines Fugenthemas schwärmen, damit die Rückwärtsgewandtheit Pfühls andeutend. Eine weitere Metapher ist die Orgel, die mit ihrem dauerhaften Klang für Unvergänglichkeit und Ewigkeit steht, während das Klavier mit seinen flüchtigen Tönen die Weltlichkeit verkörpert. Deshalb ist Pfühl Kirchenorganist und kein einfacher Klavierlehrer, und deshalb bekommt Hanno ein Harmonium und kein Klavier geschenkt. Hannos Musik allerdings ist die Harmonik. Dass die Warnungen Edmund Pfühls nicht ganz unberechtigt sind, zeigt die Schilderung von Hannos Klavierspiel, das in Zerfall und Auflösung endet.

Andreas Arand hat den Abend mit einem Orgelpräludium begonnen. Er schloss mit einer Bachschen Toccata, beides ganz im Sinne Edmund Pfühls, vielleicht weil Edmund Pfühls Credo auch sein eigenes ist?

Kongenial unterstützt wurde Andreas Arand von Christiane Sturm, die ausgesuchte Passagen aus dem Roman Buddenbrooks, vor allem die eben erwähnte Szene mit Hannos Klavierspiel, mit sehr viel Ausdruck vorlas und mit dazu beitrug, dass der Abend zu einer musikalischen und literarischen Bereicherung wurde, so wie es nur mit und über Thomas Mann möglich ist.

Luise Binger