Kategorie: Rundbriefe

  • Rundbrief Nr. 35 + Anlagen W. Oellers: Rettung der Seelen  | Quasner: Glosse Folge 1



    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    in meinem letzten Rundbrief blickte ich noch mit einem besorgten Auge auf die Entwicklung der Corona-Pandemie und nun sitzen wir wieder mitten drin und allein mit unseren Büchern zu Hause. Zum Glück sind noch nicht alle kulturellen Veranstaltungen abgesagt und wer hinreichend geimpft und getestet ist, möge diese auch aufsuchen: Die Künstler und Veranstalter werden es Ihnen danken. Ich habe mich für das kommende Wochenende bei der Thomas-Morus-Akademie Bensberg angemeldet zur Veranstaltung:

    MannsBilder – Mediale Darstellung und Wahrnehmung der Familie Mann

    Ich will hoffen, daß alles nach Plan stattfindet und werde im nächsten Rundbrief berichten.

    Nachlese zum Vortrag von Prof. Norbert Oellers zu Bert Brecht und Thomas Mann:

    Es wurde vielfach bemängelt, daß das persönliche Verhältnis der beiden Herren zueinander zu kurz kam. Unser Ortsvereinsmitglied Marcus Pfeifer hat sich daher dazu entschlossen, einen kleinen ergänzenden feuilletonistischen Aufsatz zum Thema Brecht- Mann zu schreiben, mit dem bewusst etwas provokativen (Arbeits-) Titel „Der Prolet und der ‚Stehkragen’“. Wir sind gespannt. Wer dem Vortrag nochmals lauschen möchte, kann dies an seinem Rechner tun unter dem Link: https://youtu.be/HS96iJVBlvE Frau Huppertz wird diesen auch auf unserer Homepage einrichten.

    Ich habe auch von dem erbosten Text geschrieben, den der Vater von Norbert Oellers im Sommer 1945 wider Thomas Mann verfaßt hatte. Ich bin mittlerweile zu der Ansicht gelangt, daß eine Gegenüberstellung der beiden Texte ‚Die Lager‘ von Thomas Mann und ‚Rettet die Seelen‘ von Werner Oellers keinen Abend trägt. Darüber ist nicht viel zu reden, da kann man nur betroffen schweigen. Den Text von Werner Oellers finden Sie im Anhang. Sein Zorn machte seine Sprache holprig. Neugierig geworden bestellte ich mir antiquarisch seinen 1940 erschienenen Roman ‚Die neuen Augen‘. Ich habe ihn mit einer wohligen Begeisterung gelesen. Gefiel er mir trotz der altertümlichen Sprache?

    Nein, gerade weil Werner Oellers‘ Ton noch so ganz im 19ten Jahrhundert wurzelt. Er war ein wunderbarer Erzähler: Er findet einen wundervoll lyrischen Ton bei seinen Landschaftsbeschreibungen und einen sachlich-schönen bei der Schilderung von Arbeitswelten, sei es im Hüttenwerk oder im Garten. Er nutzt die Geschichte um einen tragischen Verkehrsunfall zu Zeiten des besetzten Rheinlands und der Hyperinflation als Folie zur Darlegung seines Menschenbildes, das so gar nichts Heldenhaftes besitzt. In einer ganz keuschen Liebesgeschichte bekommt ein kurzes Streicheln des Haares ein erotisches Knistern. Man mag eine solche Geschichte als sentimental abtun, muß sich aber immer vergegenwärtigen, in welcher Zeit sie erschien: 1940! Solche Geschichten gaben allen zurückgezogen lebenden Zeitbloms die Hoffnung, daß inmitten der Gewaltherrschaft noch Menschlichkeit existiert. Ich frage mich ernsthaft, ob ein solches Buch nicht heute wieder ein interessiertes Publikum finden könnte. Bei ZVAB oder im Book- Locker sind noch viele Exemplare gelistet. Es würde mich freuen, wenn ich noch andere Stimmen zum Roman bekommen könnte.

    Nun sind wir bei der Frage angelangt, ob, und wenn ja welche hohe Kunst im sogenannten Dritten Reich entstand. Hierzu besorgte ich mir das Werk eines anderen ‚Daheimgebliebenen‘, des Freundes von Thomas Mann Hans Reisiger: Er veröffentlichte 1942 das Lebensbild von Johann Gottfried Herder in einer aufwendig gestalteten Ausgabe mit Photos und Graphiken. Die Kulturpolitik der Nazis hatte begonnen, Herder als Vorkämpfer ihrer Nationalidee zu vereinnahmen. Wie konnte dieser Ungehörigkeit entgegen getreten werden? Reisiger nimmt sich mit eigenen Äußerungen völlig zurück, reiht fast ausschließlich ‚Selbstzeugnisse, Briefe und Berichte‘ von Zeitgenossen aneinander. Nur einzelne kurze Texte sind eingeschoben mit biographischen Fakten. Wer Augen und Verstand besaß konnte erkennen, daß das Gegenteil der Fall war, daß Herder die Welt im Blick hatte, den Geist und das Miteinander der Kulturen. Sich der eigenen Kultur bewußt zu werden bedeutet nicht, andere gering zu schätzen.

    Wer war dieser Hans Reisiger, mit dem wir zuallererst Rüdiger Schildknapp aus dem Faustus assoziieren? Einer der wenigen lebenslangen Freunden von Thomas Mann. In seiner Rede zum 70sten Geburtstag von Hans Reisiger sagt er, 1906 dem schönen Jüngling von damals im Hause von S. Fischer erstmals begegnet zu sein. In den Anmerkungen zu den Tagebüchern 1937-1939 ist vermerkt, daß die beiden sich seit 1913 kannten. Wie dem auch sei: Hans Reisiger (1884-1968) verdingte sich als Übersetzer und lebte zeitlebens in eher bescheidenen Verhältnissen, die Gemeinde Seefeld in Tirol kann man als seinen Lebensmittelpunkt bezeichnen. Entscheidenden Einfluß auf Thomas Mann übte er 1922 aus: Seine Übersetzung von Walt Withmans ‚Leaves of Gras‘ erschien und Thomas Mann nahm sie wohl nur in die Hand, weil sein Freund Reisiger sie übertragen hatte. Das Hohelied auf die Demokratie und auf hübsche junge Männer begeisterte ihn gleichermaßen. In seiner Rede ‚Von Deutscher Republik‘ zum 60sten Geburtstag von Gerhard Hauptmann 1923 lobt er Reisigers Übertragung der ‚Grashalme‘ explizit. Spätestens seit dieser Zeit ist Reisiger ein Freund der Familie: Man verreist gemeinsam, vor der Machtübernahme ein letztes Mal 1932 in die ‚afrikanische Arktis‘, wie Thomas Mann in einem Brief zum 70. Geburtstag von Gerhard Hauptmann schreibt und damit die Ostsee bei Nidden meint. In den Schweizer (dreißiger) Jahren ist Reisiger sehr oft zu Gast in Küsnacht, in den Tagebüchern scheint er zuweilen ein Mitglied der Familie geworden zu sein. Es erfolgt die Übersiedelung in die USA. Reisiger ist unentschlossen, bleibt dies auch, nachdem er nach dem ‚Anschluß‘ Österreichs 1938 in Innsbruck verhaftet und einige Tage festgesetzt wurde. Thomas Mann setzt sich in den Staaten sehr für ihn ein, verschafft ihm eine Doktorandenstelle in Berkeley, aber ‚Reisiger Unentschlossenheit habe sich »nun geradezu ins Klinische gesteigert« wie Klaus Mann von einem Mittelsmann erfuhr. Man läßt ihm berichten, er möge doch alle Briefe Thomas Manns vernichten, sie könnten ihn in größte Schwierigkeiten bringen.

    Bei Thomas Mann bleibt jedenfalls eine gewisse Säuernis zurück. Während der Kriegsjahre gibt es aus schlechten Gründen keine Korrespondenz. Im Herbst 1943 dringt eine Botschaft nach den USA durch: »Glauben Sie nicht, daß alle Deutschen Nazis sind.« Unmittelbar nach dem Kriege versucht Reisiger mit Thomas Mann brieflich in Kontakt zu treten, zwei Briefe sind falsch adressiert und es dauert bis in den Sommer 1946 bis der erste Kontakt wiederhergestellt ist. Und Thomas Mann ist noch verärgert wegen des Zurückbleibens seines Freundes, glaubt, daß dieser aus Bequemlichkeit geblieben ist.

    An Erich von Kahler schreibt er: »…weil er an die Dauer des Regimes glaubte, besser unter ihm zu leben gedachte und wohl auch gelebt hat und … uns für verlorene und schiefgewickelte Leute hielt.« Diesen Vorbehalt spricht er gegen seinen alten Freund nicht aus, vielmehr keimt in ihm das schlechte Gewissen auf, wie er diesen als Schildknapp ins Bild gesetzt und übel überformt hat. In einem Brief vom 4. September 1947 bereitet er Reisiger auf den Roman vor, bittet um Verständnis und beinahe schon um Verzeihung ob der Darstellung im Roman. Und Reisiger ist verletzt und gekränkt, spricht dies aber seinerseits nicht offen gegenüber Thomas Mann aus, sondern klagt auch nur einem Dritten gegenüber (in einem Brief an Hermann Broch, im Juni 1948), findet vieles »allzu unwürdig und herabziehend.«

    In der Folge finden die beiden zu ihrem vertrauensvollen Verhältnis wieder zurück, wechseln viele Briefe, sehen sich erstmals am 4. August 1949 in Amsterdam wieder. Bei den schwierigsten Fragen Thomas Manns zu Deutschland und den Deutschen steht ihm Reisiger bei, entsprechend herzlich, dankbar und anerkennend seine eingangs erwähnte Rede zu Hans Reisigers 70sten Geburtstag 1954, eine öffentliche Bitte um Entschuldigung mit eingeschlossen: »Wahrhaftig, er hatte mehr zu verzeihen, als ich, und wie er’s tat, ist und bleibt schlechthin bewundernswert.« Hier ist wahre Freundschaft und tiefe Zuneigung im Spiel, Anerkenntnis auf Augenhöhe. Auf Anhieb fällt mir niemand außerhalb der Familie ein, auf den solche Attribute zuträfen, und auch nur wenige innerhalb. Aber nicht nur deshalb verdient diese Beziehung eine eingehendere Betrachtung als mein Überblick auf diesen Seiten: Sie steht auch exemplarisch für das Verhältnis zwischen den Geflüchteten und den Daheimgebliebenen.

    Nun will ich wieder einen hoffnungsvollen Ausblick auf den nächsten Frühling, auf hoffentlich postpandemische Zeiten wagen. Ich möchte Ihnen hierzu einen in diesem Jahr erschienenen Roman gedanklich auf den weihnachtlichen Gabentisch legen, und zwar „Morpho Peleides von Tobias Schwartz. Titel und Titelbild ließen mich zugreifen, erinnerten sie mich doch an meinen sommerlichen Besuch im Museum Alexander Koenig und meinem Staunen über die wunderschönen Falter in dessen Schatzkammern, eben jene, die Thomas Manns ‚Spekulierer‘ im Faustus seiner Familie vorstellte. Im Roman wird die Lebensgeschichte eines Schmetterlingsforschers beschrieben, der Sohn eines KZ-Kommandanten war und, parallel geführt, die Geschichte eines kleinen jüdischen Jungen, der eben in diesem Lager aufwuchs und die ein tragisches Ereignis miteinander verbindet. Beide haben Enkelkinder, die einander als Studenten in Berlin begegnen und sich ineinander verlieben. Schwartz arbeitet mit einer fesselnden Schnitttechnik, mit Sprüngen durch Raum und Zeit, von Göttingen nach Berlin, nach Moskau, Tel Aviv, Brasilien, von 1945 nach 2019 und wieder zurück in die fünfziger Jahre – und dann erfährt man noch, daß der Kern der Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruht. Ich weiß nicht, was große Kritiker oder Germanisten zu diesem Roman sagen, ob diesen die Sprache zu schlicht ist – mir scheint sie angemessen, brutal, wo es Brutales zu erzählen gibt, sentimental, gar rührend, wo Gefühle geschildert werden, und spannend in der Engführung hin zur Wiederbegegnung der beiden ganz alten Herren bei der Hochzeit der Enkel. Tobias Schwartz (geb. 1976) lebt als Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer in Berlin und ist – dies nicht nur nebenbei – ein großer Bewunderer von Thomas Mann, der im Roman auch mehrfach erwähnt wird. Wenn die Regelungen zur Pandemie dies zulassen, werde ich ihn am letzten Adventswochenende zusammen mit seinem Verleger Ingo Držečnik (Elfenbeinverlag) in Berlin treffen. Er ist bereit, einen Vortrag unter der Überschrift ‚Mein Thomas Mann‘ vorzubereiten, den er dann hoffentlich eines entspannten Tages im Museum Koenig halten wird. Ich habe dort schon angefragt und bin auf ein positives Echo gestoßen. Ich denke an eine Sonntagsmatinee, nach der wir in kleinen Gruppen durch das Haus geführt werden könnten, auch in Räume hinein, die sonst für Besucher nicht zugänglich sind.

    Abschließend möchte ich Ihnen noch ein Buch für Ihre Kinder und Enkelkinder ans Herz legen – sofern diese es noch nicht besitzen: Erika Manns ‚Stoffel fliegt übers Meer‘. Es ist erstaunlich, wie Erika Mann 1932, in dieser Zeit der Not, ein Buch der Hoffnung herausgebracht hat, mit diesem Lob der Technik und deren tollen zukünftigen Möglichkeiten (Fernschreiben aus der Luft, telefonieren mit Amerika); dann dem Fliegen an sich und nicht zuletzt der Beschreibung von Neuyork, die auf deutsche Leser wie eine Utopie der Moderne gewirkt haben muß. Und die ganze Geschichte ist gesäumt von positiven, hilfsbereiten Menschen. Nun, ein positiver Blick auf die USA ist in deutschen Köpfen erst in den 50er Jahren angekommen- und dennoch: Das Buch ist ein phantastisches Zeitzeugnis und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Es wurde herausgegeben von unserem Münchner Kollegen Dirk Heißerer. Auf Rückfrage erhielt ich folgende Antwort:

    Sie (Stoffel-Neuausgabe) hält sich erfreulich noch immer sogar in zwei Verlagen, bei P. Kirchheim und bei Rowohlt. In diesen Zusammenhang gehört auch Erika Manns Weihnachts-„Kinderstück“ „Jan’s Wunderhündchen“ (1932), das wir 2005 als Bd. 1 der „Fundstücke“ in unserer Schriftenreihe wieder neu aufgelegt haben: https://tmfm.de/fundstuecke/ … sollten Ihre Mitglieder sich dafür interessieren, können Sie in einer einmaligen Weihnachtsaktion Exemplare für € 10 (inkl. Porto) auch direkt über unser Forums-Büro beziehen (info@tmfm.de).

    Also bitte: Greifen Sie zu und seien Sie herzlich gegrüßt Ihr Peter Baumgärtner

    PS: Dem Rundbrief beigefügt ist auch eine Glosse unseres Mitglieds Jürgen Quasner. Mit großer Phantasie begabt und einem breiten literarischen Wissen unterhält mich Herr Quasner seit Wochen mit einem fiktiven himmlischen Dichtertreffen. Ich habe nun einzelnen Szenen zu einem ersten Akt der Komödie zusammengefaßt und ihr den Titel gegeben: „Thomas Mann lädt ein zum himmlischen Stelldichein“ – Ich wünsche viel Vergnügen damit.

    PPS: Auf meinen letzten Rundbrief erhielt ich dankenswerterweise anerkennende Zeilen unseres Präsidenten Prof. Wißkirchen und vor allem den Hinweis, mit meinen Ausführungen zu Wassermann in allen Punkten recht zu haben und vor allem daß er im Thomas Mann Jahrbuch 2018 (Seite 33ff) einen ersten vergleichenden Blick auf das Verhältnis der beiden Dichter zueinander getan hat. Ist vielleicht für Sie interessant.

    Anlagen W. Oellers: Rettung der Seelen  | Quasner: Glosse Folge 1

    W. Oellers: Rettung der Seelen

    Quasner: Glosse Folge 1

    Thomas Mann lädt ein zum himmlischen Stelldichein

    Folge 1

    „Autorenfest mit Dame“

    von Jürgen Quasner

    Thomas Mann: Meine Herren, ich begrüße Sie zu unserem festlichen Abend. Sie sind allesamt so prominent, daß einige der Herren gekränkt wären, wenn ich sie einzeln vorstellen würde. Von Ihren Literaturpreisen will ich auch nicht reden. Katja wollte nicht mitkommen, Frau Fontane schreibt zur Zeit ein Manuskript ab. Aber ich habe Frau Seghers überreden können. Entschuldigen Sie, meine Gnädigste, daß ich Sie jetzt erst nenne: Vergeßlichkeit des Alters. Jeder hier weiß ja, daß Ihre politische Orientierung besser zu meinem Bruder als dem Gastgeber gepaßt hätte. Sie werden es mir bitte anrechnen, daß ich ab 1930 vor Arbeitern, vor Sozialdemokraten gesprochen und sie als die neuen Hüter des Geistigen angesehen habe.

    Anna Seghers: Danke für Ihre Einladung und die Begrüßung. Ich sehe in Ihrem Fall ein, daß Sie nicht zu den Kommunisten weitergegangen sind. Aber jetzt lassen Sie mich den Sekt probieren!

    Mann: Besonders hervorheben will ich noch Herrn Fontane, der uns den Champagner mitgebracht hat, den ihm die Redaktion damals für sein Treppengedicht verweigert hat.

    Fontane: Kommt Günter Grass denn nicht?

    Mann: Er ist verschnupft, weil ich ihm Vorhaltungen wegen seiner Weigerung gemacht habe, uns sein „Weites Feld“ vorzustellen. Ich habe sogar begonnen, den Roman zu lesen. Na ja, am Anfang erfährt man umständlich, daß er ihre Figuren kennt. Er nennt Sie Fonty, verehrter Kollege, etwas geschmacklos.

    Weiss: Und wo bleibt Brecht? Da gab es doch kürzlich unten einen Vortrag von Herrn Oellers über ihn und unseren Gastgeber!

    Mann: Herr Brecht läßt sich entschuldigen. Ich habe ihn diese Woche getroffen und ihm angedeutet, wir Prosaiker hätten genug für die Episierung der Welt getan. Da hätte es sein episches Theater mit dem blätternden Zuschauer nicht auch noch gebraucht. Kurz und gut, der Herr ist unpäßlich.

    Oskar Maria Graf kommt schnaufend an: Entschuldigen‘S scho. Sorry, ja, so viel englisch hab‘ ich in Neu York g‘lernt. I hab ja den Kasten Bier da hergschleppt. Bedienen Sie sich doch!

    Fontane: Oskar Maria, damit wären sozusagen zwei Damen bei uns!

    Graf: Saupreiß, dammischer, geh‘ schaukeln mit deiner Effi! Der Grass und der Reich-Ranicki sind sich da hinten am Zanken.

    Günter Grass und Siegfried Lenz treten auf, beide mit Pfeife, Grass verstrubbelt.

    „Die Blechtrommel. Ja“, sagt Thomas Mann, „recht kühn, wild, aber anders als mein

    „Faustus“, statt Schönberg nur eine Trommel mit Zwerg, das als Verkörperung deutschen Wesens? Ach so, sprachschöpferisch auch? Noch ein Nobelpreis, spät allerdings.

    Grass: Immerhin besser als „Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“. Siegfried Lenz: Wo ist eigentlich der Böll?

    Graf: Der sitzt auf Wolke sieben in seinem Nobelpreiskissen und liest Theologisches. Mann: Aha! Sein „Gruppenbild“ wurde mit dem Zauberberg verglichen?“

    Auftritt Reich-Ranicki, grimmig sieht er drein.

    RR: Wegen derrr Buddenbrrooks wurrden Sie nach Stockholm geladen, grroßer Meister!

    Mann – leise zu Fontane: Meine Güte, wir haben ihn nicht eingeladen! Er wird unseren cercle sprengen wollen. Wenn er wieder damit anfängt, daß wir von Erotik nichts wüßten, nehme ich mich aber aus! Er beruhigt sich, wenn wir ihm Goethe vorlesen, hat jemand den „Tasso“ dabei?

    Mann: Reich-Ranicki, Sie Großkritiker, Sie sehen schlecht gelaunt aus!

    Reich-Ranicki: Jaa, bin ich, ich habe vorhin Frau Löfflä getrrroffän. Die will hier, hierr das Literarische Quarrtett wieder aufziehen! Lieber schreibe ich eine neue Rezension zu Ihrem

    „Weiten Feld.“ – Lacht.

    Grass: Nur zu, nur zu, aber auch das bringt mich nicht in die Hölle! Lenz, Sie könnten das Quartett leiten.

    Lenz: Da frage ich vorher Helmut Schmidt. Oh, kann ich dort meine „Deutschstunde“ bewerben?

    Mann: Sie, Herr Lenz mit Masuren, Sie waren mit Helmut Schmidt befreundet, na gut, ich fast mit den Roosevelts. Bei Ihnen wirkt alles so brav, wie aus der Puppenstube, und mit der

    „Deutschstunde“ haben Sie eine Pflichtarbeit abgeliefert… Reich-Ranicki: Ich werrrde sie rezensieren, Herr Mann!

    Alle: Nein! Um Himmels Willen!

    Graf: Aber do sammer doch, ihr dammischen Deppen

    Juli Zeh tritt auf, Helmut Schmidt im Gefolge. Menthol liegt in der Luft. Ein großes Durcheinander entsteht. Anna Seghers rümpft die Nase, tritt ab.

    Reich-Ranicki: Juli Zeh, wo kommen Sie denn her? Wollten Sie nicht lieber das Inferno unten besuchen, den Sauladen der SPD? So haben Sie das doch genannt!

    Zeh: Ach, nein, ich erhoffe mir Verbesserungen durch Olaf Scholz als Nikolaus…

    Mann: Ich kenne Sie zwar noch nicht, aber Sie gefallen mir. Haben Sie etwa auch Belletristik geschrieben? Wie kommen Sie überhaupt hierher? Sind Sie noch am Leben?

    Reich-Ranicki: Jetzt lassen Sie sie mal, lieber Thomas Mann. Ihre Romane erkläre ich Ihnen später. Das kann ich besser!

    Zeh: Meinetwegen. Also ich hospitiere hier mit allerhöchster Erlaubnis und darf Ausgewähltes nach da hinten unten berichten. Man erhofft sich bei der EKD und bei den Katholiken, daß die Austritte zurückgehen. Spesen werden bezahlt.

    Grass: Da hätte der Böll auch machen können. Und der Lenz sowieso.

    Schmidt: Wie ich sehe, Frau Zeh, beruhigen und stimulieren Sie zur selben Zeit. Ich setze darauf, daß der Scholz länger regiert als ich. Leider raucht er zu wenig.

    Lenz: Helmut, wir treffen uns aber noch zu einem Absacker an der Lazy Days‘ Bar! Und Sie, Grass?

    Grass: Ich nicht, habe schon getankt.

    Weiss: Habe keine Zeit, verfasse gerade ‚Die Ästhetik des Engelsstandes‘

    Mann: Gehen Sie nur, meine Dame, meine Herren Kollegen. Die Unterhaltung hat meinen Pessimismus etwas gemildert. Ich warte noch auf einen Herrn von den Unitariern, den ich wegen der Beschwernis durch Mc Carthy in den USA nicht mehr treffen konnte.

    Reich-Ranicki: Verehrter Thomas Mann, was soll das jetzt noch bringen? Ich interrrpretierre Ihnen jetzt besserrr die Romane von Frrau Zeh!…

  • Rundbrief Nr. 34



    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    Am 21.10. konnte der bereits mehrfach verschobene Vortrag von Prof. Dr. Norbert Oellers stattfinden. Unter der Überschrift ‚Bert Brecht und Thomas Mann‘ stellte er ausführlich dar, wie der Dramatiker auf der einen Seite und der Epiker auf der anderen mit den jeweiligen Mitteln ihrer hohen Kunst auf die tragischen Zeitläufte reagierten. Er wählte hierzu zwei jeweils ungefähr gleichzeitig entstandene Werkpaare aus: Zunächst stellte er „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ neben die Novelle „Mario und der Zauberer“, dann „Leben des Galilei“ neben den „Dr. Faustus“. Bei aller Unterschiedlichkeit hob Herr Oellers die einzigartigen Qualitäten dieser beiden bedeutenden Dichter deutscher Zunge in der ersten Hälfte des 20.sten Jahrhunderts hervor. Bei der anschließenden Diskussion wurden Fragen zu den persönlichen Beziehungen der beiden zueinander besprochen. Herr Prof. Oellers umriß deren Nicht-Verhältnis und hielt als ausgewiesener Fachmann für den Dramatiker Friedrich Schiller seine Ansicht nicht zurück, daß seine größeren Sympathien beim Dramatiker Bert Brecht liegen.

    Weitere Gründe liegen auch im politischen und persönlichen Bereich. Im Sommer 1943 hatte sich Thomas Mann geweigert, eine Erklärung über die zu erhoffende Demokratisierung Deutschlands nach dem Ende des Krieges zu unterzeichnen, die vom Moskauer Nationalkonvent „Freies Deutschland“ veröffentlicht werden sollte. Seine Vorbehalte gegenüber Rußland mögen hier eine Rolle gespielt haben, aber auch sein grundsätzlicher Zweifel daran, daß man mit den Deutschen nach einem Kriege allzu gnädig umgehen sollte. In dem Text ‚Die Lager‘, der Mitte 1945 in verschiedenen, neu erscheinenden freien Zeitungen in Deutschland erschien, beschuldigt er keineswegs alle Deutsche, Täter gewesen zu sein, aber alle Deutsche seien eben bloßgestellt vor der Welt. Aber er läßt es auch nicht zu, die gesamte Schuld auf eine Führungsriege der Nazis zu laden:

    „Es war nicht eine kleine Zahl von Verbrechern, es waren hunderttausende einer sogenannten deutschen Elite, Männer, Jungen und entmenschte Weiber, die unter dem Einfluß verrückter Lehren in kranker Lust diese Untaten begangen haben.“

    In diesem Text erwähnt Thomas Mann auch den Münsteraner Bischof Graf von Galen und nennt ihn einen ‚unbelehrbaren Geistlichen‘, denn dieser hatte in seinem ersten Interview gegenüber der anglo-amerikanischen Presse gesagt, daß – obwohl er und andere gebildete Deutsche Antinazis wären – sie trotzdem „treu gesinnt sein müssten gegenüber dem Vaterland“ und sie daher die „Alliierten als Feinde betrachten müssten“. Ob Thomas Mann über das Wirken von Galens in den Nazijahren unterrichtet war, kann ich nicht feststellen, ich weiß nicht, ob Thomas Mann von dessen Predigten Kenntnis hatte, die die Machthaber bis aufs Äußerste reizten. Jedenfalls wurde dieser Text auch von Norbert Oellers‘ Vater Werner gelesen, und er schrieb einen, neben aller Respektbekundung leidenschaftlich erbosten Text wider Thomas Mann, der dann auch in der Ruhr-Zeitung veröffentlicht wurde. Er nennt Thomas Manns Sätze über von Galen einen „unqualifizierten Angriff“ eines Außenstehenden. Werner Oellers (1904-1947) war gläubiger Katholik und die Reden von Galens gaben ihm immer wieder die Kraft durchzuhalten, durchzuhalten in seinem Kampf gegen die Einziehung in die Wehrmacht, zu deren Musterungsterminen er seinen Körper mehrfach in einen so jämmerlichen Zustand versetzte, daß man ihn eben nicht einzog. Für diesen Einsatz bezahlte er mit seinem frühen Tod.

    Prof. Oellers übergab mir den sehr eindrucksvollen Text seines Vaters nach der Veranstaltung, er hatte ihn bei sich auf dem Rednerpult. Der Text, überschrieben mit ‚Rettet die Seelen‘ ist nicht weniger eindrucksvoll als jener mit ‚Die Lager‘ überschriebene Text von Thomas Mann. Der vollständige Satz zu von Galen lautet wie folgt: „Fühlt euch selbst nicht, wie dieser unbelehrbare Geistliche, »in erster Linie als Deutsche«, sondern als Menschen, der Menschheit zurückgegeben…“ Kein Satz, gegen den es heute irgendwelche Einwände gäbe, und die Affäre zeigt, wie in jener unmittelbaren Nachkriegszeit in den zerstörten Städten die Nerven der Menschen zum Zerreißen gespannt waren.

    Diese beiden Texte, nebeneinandergestellt, nacheinander verlesen, würde uns eine kleine Ahnung von der Situation verschaffen. Ich werde bei Herrn Oellers anfragen, ob er den Text seines Vaters für eine solche Veranstaltung frei gibt und ob er sich dabei beteiligen würde.

    Es ist noch nachzutragen, daß die Veranstaltung aufgezeichnet wurde und demnächst online gestellt und mit unserer Homepage verlinkt wird.

    Am Rande der Veranstaltung wurde über künftige Projekte gesprochen, leider schon wieder mit einem besorgten Auge auf die Entwicklung der Corona-Pandemie. Für das kommende Frühjahr bereitet die Co-Vorsitzende des Ortsvereins ein Programm über Thomas Mann, H. C. Andersen und die Vertonungen seiner Gedichte vor. Der Arbeitstitel lautet:

    HANS CHRISTIAN ANDERSEN: Märchen und Gedicht-Vertonungen und ihre Spiegelung und Literarisierung bei Thomas Mann – Ein LIEDeraturabend für Gesang, Klavier und Sprecher. Lieder u. a. von Schumann, Grieg, Gade und Prokofieff

    An einer Diskussion über Tóibíns ‚Der Zauberer‘ scheint kein Interesse zu bestehen. Ich habe den Roman nach hundert Seiten beiseitegelegt.

    Abschließend möchte ich Ihnen noch zwei Bücher vorstellen, die in den zwanziger und dreißiger Jahre von Autoren aus dem persönlichen Umfeld von Thomas Mann verfaßt wurden:

    Jakob Wassermann: Mein Weg als Deutscher und Jude

    Auf dies Buch wurde ich aufmerksam durch das Nachwort von Walter A. Berendsohn zu den ‚Sieben Manifesten zur jüdischen Frage‘. Es erschien 1921 bei S. Fischer in Berlin und hatte bei meiner Ausgabe von 1922 schon die 16. Auflage erlebt. Wassermann (1873-1934) war nach wilder und entbehrungsreicher Jugend seit Anfang des Jahrhunderts ein erfolgreicher Schriftsteller. Mit dem Erscheinen des ‚Caspar Hauser‘ setzte in der deutschnationalen Presse eine Empörungswelle gegen ihn ein, daß er „als Jude nicht fähig sei, ihr geheimes, ihr höheres Leben mitzuleben, ihre Seele aufzurühren, ihrer Seele sich anzuschmiegen“ und nun, als Mann von fast 50 Jahren gibt er einen Lebensabriß und eine Darstellung der fortwährenden Kränkungen und des Sich-zurückgesetzt-Fühlens in Deutschland aber auch in Österreich. Diese über Jahrhunderte gewachsene und auch von den Kirchen geschürte Aversion gegen die Juden hat auch die gebildeten Stände erfaßt. Die Texte lassen einen schaudern. Thomas Mann versucht ihn nach Erscheinen des Buchs zu besänftigen, spricht vom ‚Pflänzchen Antisemitismus‘, das in Deutschland keine Wurzeln schlagen könnte.

    Nach Wassermanns Tod 1934 gibt seine Frau Martha Karlweis im Querido-Verlag 1935 eine Biographie ihres Mannes heraus, zu der Thomas Mann ein Vorwort schreibt. Darin heißt es:

    „Wie maßlos er am Ende recht bekommen sollte, das ahnte er damals so wenig wie ich.“

    Die beiden hatten sich schon als „ganz junge Leute“ kennengelernt im Gründungsjahr des ‚Simplicissimus‘ 1896, so Thomas Mann bei seiner Tischrede auf seinen „Freund“ Jakob Wassermann zu dessen 56sten Geburtstag. Kurz zuvor waren beide auf einer Liste „eines völkischen Kulturkampfbundes … als Kulturschädlinge und Seelenverderber“ bezeichnet worden. Dagegen führt Thomas Mann Wassermanns konservatives Rebellentum an: Er habe die besondere Art des Künstlertums bewahrt, die des genialen Unterhalters und Trostspenders. Diese gemeinsame Idee eines humanen Lebensdienstes bindet sie zusammen in dem „Kampf gegen die tödliche Trägheit des Herzens.“

    Das Verhältnis der beiden zueinander ist eine eingehende Untersuchung Wert – wenn es eine solche noch nicht geben sollte, ich kenne sie nicht. Der Briefwechsel ist sehr umfangreich, die Textstellen, in denen sie aufeinander Bezug nehmen, ebenso. Aber vor allem möchte ich auf dieses Buch aufmerksam machen: ‚ Mein Weg als Deutscher und Jude‘! So altmodisch Wassermanns Sprache sich ausnehmen mag, so beschämend aktuell scheint mir der Inhalt dieses hundert Jahre alten Buches. Es hätte eine Neuauflage verdient.

    Gleichfalls beklemmend aktuell ist der gerade im Bonner Weidle-Verlag neu erschienene Roman von Theodor Wolff ‚Die Schwimmerin‘. Theodor Wolff war von 1906 bis 1933 Chefredakteur des Berliner Tageblatts – und somit einer der einflußreichsten Journalisten Deutschlands – bevor er sich nach Südfrankreich ins Exil begab. Dort traf er mehrfach mit Thomas Mann zusammen, Briefe wurden gewechselt. 1937 erschien ‚Die Schwimmerin‘ bei Oprecht in Zürich. Ein Ausschnitt seiner Beschreibung der mondänen Gesellschaft an der Côte d’Azur, des ebenso neuen wie befremdlichen Umfeld der beiden Dichter, soll die Sprachmacht Wolffs verdeutlichen:

    Draußen auf dem Fahrdamm bewegte sich ununterbrochen, lückenlos und oft stoppend, der Korso der Autos, der pompösesten Autos aus allen Weltgegenden und Fabriken, ein riesiger Lindwurm, der sich mit blanken Schuppen langsam vorwärtsschob. In den Wagen saßen die gesicherten Existenzen, das Polster einpressend wie schwere Geldsäcke, und flittrige Grazien, indische Maharadschas ohne den verzaubernden Glanz ihrer Palastkostüme, populäre männliche und weibliche Filmstars, mächtige Zeitungsbesitzer, […] Fast alle taten, als wäre ihnen die Bewunderung der Zuschauer so gleichgültig wie in einer Rindviehausstellung den preisgekrönten Kühen.

    Es soll keineswegs abwertend klingen, wenn ich sage, dies sei eine zur Literatur geronnene Reportage. Wolff benutzt die Folie einer Liebesgeschichte zwischen einem erfolgreichen Manager mittleren Alters und einer allzu jungen und dennoch auf Selbstbestimmung pochenden Dame für seinen Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands seit dem ersten großen Krieg – der zweite ist schon als Ahnung zugegen. Besagte Dame trägt die Züge von Ilse Stöbe, von Wolffs früherer Sekretärin. Sie arbeitete 1939- 1941 für das Auswärtige Amt, und wurde, nachdem Sie Informationen zum geplanten Überfall auf die Sowjetunion nach Moskau übermittelt hatte, 1942 in Berlin als Landesverräterin hingerichtet. Gegen den Rat von Freunden bleibt Theodor Wolff nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich. Im Mai 1943 wird er verhaftet und stirbt noch im September des gleichen Jahres.

    Seit 1962 werden mit dem Theodor-Wolff-Preis herausragende Journalisten geehrt. Seit 2014 wird auf einer Gedenktafel am Auswärtigen Amt auf Veranlassung von Frank- Walter Steinmeier Ilse Ströbel gedacht.

    Lassen Sie sich diesen Lesegenuß nicht entgehen und seien Sie herzlich gegrüßt Ihr Peter Baumgärtner

  • Rundbrief Nr. 33a



    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    in wenigen Tagen ist es soweit: Am Donnerstag, den 21.Oktober spricht Herr Prof. Dr. Norbert Oellers zu uns im „Rittersaal“ der „Gesellschaft Schlaraffia Bonn“ zum Thema Bert Brecht und Thomas Mann, den beiden sicher bedeutendsten Schriftstellern Deutschlands der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Er spricht dabei über ein Nicht-Verhältnis der beiden zueinander: die beiden hatten sich stets wechselseitig im Auge, wußten, was der andere tat, hatten sich aber nichts zu sagen, sprachen eher mit dritten übereinander, der eine, der ewige Großbürger mit der Neigung zu sozialdemokratischen Thesen am Ende seines Lebens, und der andere, der im Arbeiteranzug im schicken Wagen ins tolle Wochenendhaus am See in Bukow fuhr.

    Wir erwarten einen spannenden Abend, der sicher den einen oder die andere zum Widerspruch reizen wird. Herr Oellers freut sich auf eine lebendige Diskussion im Anschluss Bei Herrn Büning-Pfaue sind bis dato ca. 20 Anmeldungen eingegangen, 25 weitere können noch folgen, bitte um nur schriftliche Anmeldung nur bei Herrn Büning- Pfaue: buening@uni-bonn.de

    Nochmals zu den Regularien: Als Hygieneplan gilt: die 3 G-Regel, „G“eimpft, „G“enesen und „G“eprüft (nicht länger her als 24 h), Maske: bei Betreten des Hauses … bis zum angewiesenen Sitzplatz (Schedestraße 17 /Ecke Kaiserstraße; Bushalte „Schedestraße“, Buslinien 610 und 611); .. Abstandhalten, Desinfektionsmittel-Option nutzen, Stühle stehen im 1,5 m-Abstand, Getränke/Gläser gegebenenfalls mitbringen; maximal insgesamt nur 45 Personen; Veranstaltungs-Beginn: 19.30 Uhr

    Ich hoffe, wir sehen uns am Donnerstag. Seien Sie herzlich gegrüßt Ihr Peter Baumgärtner

  • Rundbrief Nr. 33 + Anlage Platthaus



    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    zunächst möchte ich von der letztes Wochenende zu Ende gegangenen Jahrestagung berichten, die erst- und hoffentlich auch letztmals ausschließlich online stattfand. Sie muß dennoch als Erfolg gewertet werden, konnten sich die einzelnen Vorträge doch einer großen Zahl von Zuschaltungen erfreuen. Da ich in dieser Woche verreist war, konnte ich mich auch nur selten ‚live‘ zuschalten, kann mir aber nun – wie Sie auch – die Vorträge auf Youtube zeitversetzt anhören: Auf der Seite unsere Muttergesellschaft finden Sie leicht den Link. Nutzen Sie die Gelegenheit, warten Sie nicht ab, bis sie Ihnen nächstes Jahr im Jahrbuch in gedruckter Form vorliegen. Frau von der Lühe, die wir im vorvergangenen Jahr auch in Bonn begrüßen konnten, auch im Bild und in ihrer Art zu sprechen zu erleben, bedeutet einen zusätzlichen Gewinn. Sie hielt den einleitenden Vortrag und stellte zunächst den ganzen Titel der Herbsttagung infrage: Ein Exil kann keine geistige Lebensform sein, dem Grunde nach nicht und bei Thomas Mann schon gar nicht – es ist eine Freude, ihr zuzuhören!

    Alle Mitglieder, die ‚live‘ oder zeitversetzt an der Jahrestagung teilnahmen, bitte ich, mir ihr ‚feedback‘ zu geben, Kritik oder Anregungen zu äußern, ich trage diese gerne in den Vorstand weiter, die nächste Jahrestagung kommt bestimmt.

    Selbst miterleben konnte ich die Vorträge von Prof. Heinrich Detering und von Prof. Elisabeth Galvan. Beide hatten insbesondere den späten Roman ‚Der Erwählte‘ in ihren Fokus genommen, in dem die mittelalterliche Legende von Sybilla und Gregorius in einem märchenhaften Ton gegeben wird. Worin sich Thomas Mann darin zur Westbindung bekennt, wie Detering im Titel seines Vortrags insinuiert, kann ich nicht sagen, erstaunt hat mich in seinen Darlegungen, auf welch vernichtende (rechte) Presse Thomas Mann damit stieß, insbesondere bei FAZ und WELT. Frühere Nazikulturgrößen schmähten ihn der Schlüpfrigkeit, der Amoral, der Zerstörung der deutschen Sprache und noch weiteren Unflats – und siehe da: Thomas Mann hatte nichts anderes erwartet, hatte diese Legende, die schon Leverkühn zu vertonen gedachte, als eine paneuropäisch-grenzenlose Geschichte mit Bedacht angelegt, hatte darin sprachliche Mischformen zwischen Deutsch, italienisch und Latein erfunden und der arme kleine Gregorius wird auch noch von englischen Mönchen aufgezogen. Was uns heute als harmlos-heitere Entspannungslektüre nach dem Faustus erscheint, brachte in der sich konstituierenden Bundesrepublik das braune Wasser zum Überkochen, jenes Wasser, das man, um es mit Adenauer zu sagen, nicht wegschütten konnte, bevor man sauberes habe. (Leider wurde dieser Vortrag von Herrn Detering bislang noch nicht für Youtube freigegeben.) Ähnliche Subtexte entschlüsselte Frau Galvan in der Mosesgeschichte ‚Das Gesetz‘ und in Sachen ‚Der Erwählte‘ wies sie auf die ständige Wiederkehr der Zahl 17 hin: 17 Jahre war Sybilla jung, als sie sich verfehlte, 17 Tage, war das Fäßchen auf dem Wasser, 17 Jahre wuchs wiederum der junge Gregorius auf der Insel heran, 17 Jahre verschrumpelte er auf dem einsamen Felsen zu einem kümmerlichen Wesen und so weiter – und auch 17 Jahre war Thomas Mann im Exil gewesen, als er diese Erzählung schrieb. Da zuckten viele Augenbrauen nach oben auf dem vielfach geteilten Bildschirm, ja klar, daß uns das noch nicht aufgefallen war!

    Bleibt noch zu erwähnen, daß ich auf der anschließenden Mitgliederversammlung ‚in absentia‘ wieder zum Beirat des Vorstands gewählt wurde. In einer Jahresmitgliederversammlung unseres Ortsvereins, die hoffentlich als Präsenzveranstaltung wird durchgeführt werden können, will ich die Mitglieder darum bitten, die Aufgaben unseres Vorstands auf mehrere Schultern zu verteilen.

    Ein solches Treffen sollte nicht nur administrativen Charakter haben, auch möchte ich mich gerne mit Ihnen über eine in den Feuilletons hochgelobte Neuerscheinung unterhalten: Colm Tóibíns ‚Der Zauberer‘, einer erzählerischen Biographie Thomas Manns.

    Ich bin bei der Lektüre nun im Jahre 1914 angekommen, die Jugendjahre sind vorüber und damit auch diverse ‚blinde Flecken‘ seiner Biographie, über die sich Thomas Mann stets ausgeschwiegen hat, die er bestenfalls in vielfältiger Form in seine Werke hat einfließen lassen. Tóibín wagt fiktive Schlüssellochblicke und setzt diese Annahmen in dezenter Sprache in dennoch grelles Licht. Ist dies zulässig? Wer außer mir Bedarf hat, darüber zu sprechen, möge sich bitte melden. Ich würde mich bemühen, einen Termin zu koordinieren und in Bonner Bahnhofsnähe einen Stammtisch zu reservieren.

    Auf meiner Suche nach zeitgenössischer Rezeption von Thomas Manns Werk stieß ich auch dieses broschierte Bändchen: Sieben Manifeste zur jüdischen Frage 1936-1948. Herausgegeben wurde das Buch 1966 von Walter A. Berendsohn, einem mir bislang unbekannten Germanisten, der, 1884 geboren, 1926 zum Professor in Hamburg berufen wurde, um 1933 als Jude und Sozialdemokrat wieder entlassen zu werden. Er konnte nach Stockholm fliehen, fand dort ein bescheidenes Auskommen an der Uni, wurde aber nach dem Kriege trotz Intervention von höchster Stelle in Hamburg nicht mehr in Dienst genommen. Er mußte 99 Jahre alt werden, bevor man ihm in Hamburg quasi gnadenhalber eine Ehrendoktorwürde verlieh, um dann hundertjährig zu sterben.

    Er war jedenfalls ein großer Verehrer Thomas Manns, beschreibt im Vorwort dieses Bandes dessen Entwicklung vom unpolitischen zum höchst engagierten Schriftsteller. Im Buch versammelt sind bekannte Texte wie eine seiner Rundfunkansprachen von 1942, aber auch unbekannte Texte, Briefe und ein Vorwort zu einem Buch über Chaim Weizmann, die Berendsohn aus englischen Manuskripten rückübersetzen mußte. In diesen Texten verdichtet sich alle Erschütterung und Verzweiflung ob Thomas Manns eigener Hilflosigkeit, die umso schlimmer wurde, je länger der Krieg andauerte und je brutaler die Ermordung der Juden vorangetrieben wurde. Insgesamt sehr wichtige Dokumente (auch zur Staatsgründung von Israel), die 1966 zum Teil erstmals der deutschen Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden und die zum Teil bedauerlicherweise noch aktuell sind.

    Ich erinnere an dieser Stelle nochmals an den Vortrag von Prof. Oellers am 21.10. zu Brecht und Mann Zeit, werde mich aber vorab auch nochmals melden, und weise abschließend auf eine Veranstaltung der Buchhandlung Böttger hin: Am 12.10. wird Andreas Platthaus bei ihm zu Gast sein – in einem Saal gegenüber der Buchhandlung, Thomas Mann Straße 36, – der einer der ersten Stipendiaten in Pacific Palisades war, dort das Buch ‚Auf den Palisaden‘ verfaßte (ich berichtete darüber im vergangenen Jahr) aber dort auch erste Notizen für seine Feininger-Biographie machte. Beide Bücher werden bei der Veranstaltung vorgestellt. Das Plakat hierzu finden Sie im Anhang. Es sind nur noch wenige Plätze verfügbar. Mitglieder der Thomas Mann-Gesellschaft bekommen den reduzierten Eintrittspreis zu 10 €, allerdings nur im Vorverkauf wegen der Planung der Sitzplätze. (da wir keine Mitgliedsausweise haben, kann ich die Mitgliedschaft bei Herrn Böttger bestätigen) Eine Abendkasse gibt es nicht. Bei Herrn Böttger gilt die 2-G-Regel (was ich sehr begrüße), ‚nur‘ getestete Personen sind als Gäste nicht erwünscht, er herrscht Maskenpflicht während der Veranstaltung.

    Mit besten Wünschen seien Sie herzlich gegrüßt Ihr Peter Baumgärtner

    Anlage Platthaus

    Dienstag, 12. Oktober 2021, 20 Uhr

    Andreas Platthaus: Lyonel Feininger – Portrait eines Lebens (Vortrag mit Lichtbildern)

    Andreas Platthaus: Lyonel Feininger. Porträt eines Lebens. Rowohlt 2015. 448 S. mit zahlreichen Abb. Geb. 28,00 €

    Er prägte das von Walter Gropius gegründete Bauhaus, dem er als einziger Meister vom ersten bis zum letzten Tag angehörte – von 1919 bis zur Auflösung durch die Nationalsozialisten 1933 –, wie kaum ein Zweiter. Mit seinen Freunden Paul Klee und Wassily Kandinsky revolutionierte er die Kunst. Später wurde er so populär und von der Alltagskultur eingemeindet, dass man Bilder von ihm als Plakate bei einem großen schwedischen Möbelhaus kaufen konnte: Lyonel Feininger. 1871 in New York geboren, hielt er sich von seinem siebzehnten Lebensjahr an fast ein halbes Jahrhundert lang in Deutschland auf. Den Großteil dieser Zeit verbrachte er in Berlin, wo sich auch die rätselhaftesten Episoden seines Lebens abspielten. Warum blieb er, obwohl als «feindlicher Ausländer» registriert, während des Ersten Weltkriegs? Und warum verließ er, obwohl mit einer Jüdin verheiratet und Vater dreier Söhne, Nazi-Deutschland erst 1937? In der Persönlichkeit des Malers spiegelt sich das Dilemma einer doppelten Exil-Existenz im 20. Jahrhundert.

    Andreas Platthaus, der für dieses Buch zahlreiche Archivbestände auswerten konnte, erzählt das Leben eines Mannes, der sich im steten Zwiespalt zwischen amerikanischem und deutschem Selbstverständnis befand.

    Andreas Platthaus: Auf den Palisaden. Amerikanisches Tagebuch. Rowohlt 2020. Geb. 24 €

    Vier Monate im Haus von Thomas Mann in Pacific Palisades – das verändert den Blick auf Amerika und Deutschland gleichermaßen. Von hier aus begibt sich Andreas Platthaus ins weite Land, auf die Spuren des deutschen Exils, während er gleichzeitig den aktuellen

    Entwicklungen in den Vereinigten Staaten auf den Grund geht: An der West- wie der Ostküste, von der mexikanischen Grenze tief in der

    Wüste bis zu den Millionärsvillen hoch über dem Pazifik, in Disneyland genauso wie auf den Straßen zwischen Obdachlosen sucht ein Alteuropäer nach dem Code der Neuen Welt. In seinem Amerikanischen Tagebuch begegnet uns ein tief gespaltenes Land – mit dem wir, mehr als sieben Jahrzehnte nach der Zeit des deutschen Exils, noch immer untrennbar verbunden sind.

    Andreas Platthaus leitet das Ressort «Literatur und literarisches Leben» der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», für die er seit 1992 schreibt, und ist Autor zahlreicher Bücher.

    Eintritt: 15 € / 10 € – Karten nur im Vorverkauf in der Buchhandlung Böttger Thomas Mann St. 41 in Bonn Dienstag – Freitag: 13 – 18 Uhr  Samstag: 11 – 16 Uhr + täglich nach Vereinbarung

    (Buchempfehlungen und Informationen zu den Veranstaltungen unter www.buchhandlung-boettger.de)

  • Rundbrief Nr. 32



    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    ich möchte zunächst kurz berichten vom Treffen mit Herrn Dr. Lange: nach der alttestamentarischen Drohung im letzten Rundbrief, gingen bei mir sofort eine Reihe weiterer Anmeldungen ein, was mich veranlasste, den Clubraum im Verwaltungsverband der evangelischen Kirchen anzumieten (in dem Haus, in dem früher die LESE untergebracht war), was wiederum eine Lawine von Problemen einer mit dort notwendigen Veranstalterhaftplichtversicherung auslöste. Mit Hilfe von Lübeck bekam ich auch diese gelöst, wir hatten einen wunderbaren, gut gelüfteten Raum mit Blick auf den Rhein – mit leider nur sehr wenigen Gästen: Zwei Personen, die sich angemeldet hatten, gaben die Anreise im Stau stehend frustriert auf, eine weitere hatte sich eine üble Verletzung zugezogen und mußte absagen, weitere zwei waren schon am Donnerstag gekommen und zuletzt hat ich es vergessen, einer Interessentin die Adressänderung durchzugeben.

    Und dennoch: Wir hatten einen sehr angenehmen und informativen Abend in Räumlichkeiten, die wir in Zukunft häufiger zu Veranstaltungen nutzen werden. Herr Dr. Lange hielt ein kompaktes Referat zum Inhalt seines Buches; man staunte wieder über die Fülle an Daten, Quellen und Originaldokumenten, die er in Jahrelanger Recherchearbeit zusammengetragen hatte. Und in der Dichte wurde auch uns auch nochmals gewahr, in welch prekären Notlagen die verschiedenen Mitglieder der Familie Mann in den Jahren vor dem Kriege waren und wie entscheidend die Hilfe der Tschechoslowakei im allgemeinen und der Gemeinde Proseç samt Herrn Fleischmann im besonderen waren. Es die Hilfe einer ganz jungen wirtschaftlich prosperierenden Demokrate, die dann unter Mithilfe deutsch-faschistischer Bevölkerungsanteile zu Fall gebracht worden war, was später, nach dem Kriege, zu fürchterlichen Racheakten und Vertreibungen führte – auch an unbescholtenen Bürgern.

    Das Gespräch über diese Zeitläufte füllte die Zeit nach Herrn Langes Vortrag, aber auch dessen Dank an unser Mitglied Frau Ellen Klose, die ihn auf das Fehlen einer Tschechei- Reise Thomas Manns aufmerksam gemacht hatte. Auch bei mir bedankte er sich für die Kontaktherstellung zu Jens-Peter Otto, der Ende der 60er Jahre Golo Mann als Chauffeur auf dessen Reisen auf den Spuren von Wallenstein diente. Auch von Herrn Ottos Seite erhielt er viele neue Informationen, die in einer zweiten Auflage Eingang fänden, so sie denn kommt. (Herr Otto sei auf diesem Wege nochmals höflich angefragt, ob er bereit wäre, uns in seinem herrlichen Erzählton von seinen Begegnungen mit der Famiie Mann zu berichten.) Es sei an dieser Stelle die kulturelle Leistung des Vitalis-Verlags hervorgehoben, der, in Prag ansässig, deutschsprachige Literatur verlegt, als Erinnerung und Ausblick auf ein gedeihliches Miteinander der Völker in der Mitte Europas.

    Und noch ein Dennoch: Im Angesicht der sehr wenigen Gäste wurde mir nochmals bewußt, daß wir bei unseren künftigen Veranstaltungen nicht allein auf Publikumspräsenz setzen dürfen. Wir müssen den Schritt in eine Hybrid- oder Aufzeichnungstechnik wagen. Das Woelfl-Haus betreibt die Hybrid-Technik sehr routiniert und erfolgreich, unsere nächste Veranstaltung mit Herrn Prof. Oellers zu Brecht und Thomas Mann wird von Schülern aufgezeichnet. Für weitere Veranstaltungen brauche ich technische Unterstützung, ich kann das nicht auch noch leisten. (Zur Veranstaltung mit Oellers bei den Schlaraffen sind schon einige Anmeldungen bei Herrn Büning-Pfaue eingegangen, es gibt aber noch allerhand Luft bis zu den zulässigen 45 Personen)

    Zum gleichen Thema: Vom 19. bis zum 25.September findet die diesjährige Jahrestagung der Deutschen Thomas Mann-Gesellschaft im digitalen Raume statt. Lange Vorstandssitzungen gingen dieser Entscheidung voraus, die schon im April getroffen werden mußte. Sie hat sich als richtig erwiesen. Bei der derzeit wankenden Corona-Lage hätten sich nur die wenigsten von uns zu einer Präsenz-Veranstaltung nach Lübeck aufgemacht. Es ist keineswegs das Ziel, diese allein digitale Form in der Zukunft ausschließlich beibehalten zu wollen. Alle freuen sich wieder auf das Beisammensein, auf die 1000 Gespräche am Rande. Aber in diesem Jahr ist es nochmals ein Gebot der Vernunft, auf Großveranstaltungen zu verzichten. Wir sind kein Fußballclub. Die hybride Form aber wird bleiben. Schon jetzt haben sich Germanisten aus aller Welt zu den Vorträgen angemeldet. Das sollen sie auch in Zukunft tun, ohne um die halbe Welt fliegen zu müssen. Tun Sie es auch! Schauen Sie sich um auf der Tagungswebsite und melden sich an.

    https://www.thomas-mann-gesellschaft.de/herbsttagung/herbsttagung-2021/index.html

    Nach all diesen technischen Dingen noch einige literarische Hinweise:

    Nachdem mir in verschiedenen biographischen Texten immer wieder der Name Ida Herz begegnet war, besorgte ich mir das 2001 erschienene Buch von Friedhelm Kröll:

    ‚Die Archivarin des Zauberers – Ida Herz und Thomas Mann‘. Friedhelm Kröll ist von Hause aus Soziologe und Kunstgeschichtler, der sich als Biographieforscher einen Namen gemacht hat, weshalb er immer wieder gerne Giftpfeile gegen germanistische Kollegen abschießt, einzig Hermann Kurzke kommt glimpflich davon. Nachdem Thomas Mann mehrfach in seinen Tagebüchern den Satz notierte: „Zu Tische leider die Herz“ wurde diese häufig als nervendes Frauenzimmer kurz abgefertigt. Kurzke hingegen scheibt hierzu lakonisch: „Wem Besuch noch nie auf die Nerven ging, der werfe den ersten Stein.“ Denn die Beziehung zwischen Thomas Mann und Ida Herz war viel mehr. Sie erstreckte sich über mehr als 30 Jahre und die Früchte ihrer Arbeit bildeten den Grundstock für das Thomas-Mann-Archiv in Zürich. Ihre erste zufällige Begegnung erfolgte 1924 in einer Straßenbahn von Fürth nach Nürnberg, weshalb sie zwanzig Jahre später als Kunigunde Rosenstiel in den Faustus Eingang fand „mit schwer zu bändigendem Vollhaar und Augen, in deren Bräune uralte Trauer geschrieben stand.“ Auch von der zweiten, selbstlosen Unterstützerin Leverkühns Meta Nackedey finden sich Wesens- züge von Ida Herz wieder. Kröll beschreibt diese Bezüge in psychoanalytischer Tiefenschärfe. Dies ist der eine, sehr interessante Aspekt des Buches. Der andere sind die unendlich vielen Briefe, die die beiden untereinander wechselten und aus denen Kröll zitiert. Gerade in dieser privaten Korrespondenz äußert sich Thomas Mann mit größter Prägnanz und Witz, daß es eine Freude ist, diese zu lesen. Man mag bei dem Buch über Längen und Wiederholungen jammern, aber es eröffnet einen klaren Blick auf den halbprivaten Thomas Mann, der schon früh erkennt und hofft, daß die Nachwelt Interesse am Schaffensprozeß seiner Werke haben könnte.

    Nun verabschiede ich mich für einige Tage in Urlaub. Schauen Sie nochmals in Ihren Kalender, ob Sie am 21.10. zum Vortrag von Prof. Oellers zu Brecht und Mann Zeit haben. Seien Sie herzlich gegrüßt

    Ihr Peter Baumgärtner

    PS: Unser Mitglied Frau Reinhard ließ mir den beigeschlossenen FAZ-Artikel zur Begegnung zwischen Thomas Mann und Max Beckmann auf der Überfahrt nach New York zukommen, welchen Sie bei Ihrer FAZ-Lektüre ggf. überschlagen haben…

    PPS: Noch ein literarischer Hinweis ganz seitab von Thomas Mann: Im Verwaltungsverband der evangelischen Kirchen sah ich zu meiner Überraschung eine Ausstellung zu Leben und Werk von John Millington Synge, jenem allzu jung verstobenen irischen Dramatiker, den Heinrich Böll in den frühen 60er Jahren für das Deutsche Publikum entdeckt und übersetzt hat. Mich verbinden mit Synge Erinnerungen an eine Schulaufführung vor über 40 Jahren, bei der ich eine Nebenrolle in ‚The Playboy of the Western World‘ innehatte: Ich gab den Schankwirt James Flaherty, der seine hübsche Tochter Pegeen mit dem dahergelaufenen Aufschneider Christoper Mahon verheiratete, welcher damit prahlte und Eindruck schund, seinen Vater höchst heldenhaft erschlagen zu haben, bevor eben jener höchst lebendig auftauchte. Ein großes Theatervergnügen, an das hier von der Deutsch-Irischen Gesellschaft erinnert wird. Hier die entsprechenden Links: https://www.ekir.de/evib/ueber-uns/hinweis-auf-ausstellungen-111.php

  • Rundbrief Nr. 31



    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    das nahende Treffen mit Herrn Dr. Lange bringt es mit sich, daß Sie schon wieder einen Rundbrief bekommen. Leider haben sich bis dato nur wenige Interessenten bei mir gemeldet: Gemeinsam mit dem Referenten sind wir sieben Personen. Mit einer an Thomas Mann erinnernden traurigen Ironie fühlte sich Herr Lange bemüßigt, die Bibel leicht abgewandelt zu zitieren: „Ich will sie nicht verderben um der sieben willen.“ (1.Mose 18, 32) Da im Original-Text von zehn die Rede ist, habe ich im Rheinhotel Dreesen einen Tisch für 10 Personen reserviert. Sollte es wieder Erwarten in diesem Jahr noch einen warmen Tag in diesem Landstrich geben, werden wir im teilweise überdachten Kastaniengarten sitzen, wenn nicht, finden wir im Restaurant einen entsprechenden Tisch. Wir treffen uns dort am 10. September um 18.00 Uhr. Wie angekündigt wird Herr Lange uns ca. eine halbe Stunde sein Buch ‚Prag empfing uns als Verwandte‘ vorstellen bevor sich sicher ein lebendiges Gespräch entwickeln wird.

    Kurzum: es sind noch drei Plätze am Tisch frei. Ich werde Sie in der Reihung der Anmeldung vergeben. Ich werde auf Ihre Anfragen ggf. nicht unmittelbar reagieren können, da ich mich Ende der Woche für einige Tage einer Behandlung unterziehen muß.

    Zur Veranstaltung mit Prof. Norbert Oellers zu Bert Brecht und Thomas Mann. Hierzu teilte mir Herr Prof. Büning-Pfaue folgendes mit:

    Ich habe die Zusage für den „Rittersaal“ der „Gesellschaft Schlaraffia Bonn“ erhalten: Als Hygieneplan gilt: die 3 G-Regel, „G“eimpft, „G“enesen und „G“eprüft (nicht länger her als 24 h), Maske: bei Betreten des Hauses … bis zum angewiesenen Sitzplatz (Schedestraße 17 /Ecke Kaiserstraße; Bushalte „Schedestraße“, Buslinien 610 und 611); .. Abstandhalten, Desinfektionsmittel-Option nutzen, Stühle stehen im 1,5 m-Abstand, Getränke/Gläser gegebenenfalls mitbringen; maximal insgesamt nur 45 Personen; nur schriftliche Anmeldung nur bei mir (buening@uni-bonn.de);

    Veranstaltungs-Beginn: 19.30 Uhr;

    Vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg erreichte mich folgende Mail, die ich gerne an Sie weiter leite:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    die Lackdose von Thomas Manns Schreibtisch bietet die wunderbare Gelegenheit, die Vielschichtigkeit des großen Autors und seines „Zauberberges“ zu thematisieren.

    Frau Dr. Susanna Brogi, nimmt sie in ihrem 60 Sek.-Video (https://www.youtube.com/watch?v=jikLkEu9_Hs&list=PLmY_U_O2x3kFrBy-TmuHqeggGZjpW2z0F&index=3)

    in den Blick. Viel Freude beim Anschauen! Das Original ist noch bis 3. Oktober in unserer Ausstellung Europa auf Kur

    (https://www.gnm.de/ausstellungen/sonderausstellung/europa-auf-kur/) zu sehen Mit herzlichen Grüßen

    Andrea Langer

    Dr. Andrea Langer

    Leiterin Referat Wissenschaftsmanagement und Marketing Germanisches Nationalmuseum

    Tel. 0911 1331 104

    a.langer@gnm.de

    Nun kann ich nicht umhin, Ihnen noch eine Lektüreempfehlung weiterzureichen, die unser Mitglied Herr Jürgen Quasner mir gegeben hat: Thomas Mann Selbstkommentare: ‚Doktor Faustus‘, ‚Die Entstehung des Dr. Faustus‘. Dieser Band wurde 1992 von Hans Wysling herausgegeben und ist leider nur noch antiquarisch zu bekommen. Eine Neuauflage tut Not, da uns auf fast 400 Seiten Briefe von Thomas Mann vorgeführt werden, die die Entstehung und die ersten Jahre der Rezeption ganz unmittelbar beleuchten.

    Es beginnt mit Eintragungen vom Juni 1943: Ich schreibe wieder… Die Sache ist schwer, düster, unheimlich, traurig wie das Leben, … Und zwei Monate später: Abends sind wir bei Werfel mit Stravinsky, den ich auch weidlich auszuhorchen gedenke. Der Roman beginnt in Thomas Mann zu reifen. Im April 1944 ist er überrascht von Hesses Glasperlenspiel: eine unheimliche, geisterhaft brüderliche Verwandtschaft mit meiner eigenen gegenwärtigen Schreiberei. Doch … etwas zu blaß, weltabgewandt, undra- matisch ist es mir, aber ein bedeutendes, edles und oft höchst schnurriges Alterswerk… und sehr konservativ allerdings und für meinen Sinn nicht erschüttert genug von der Krise der Zeit. Diese Erschütterung ist bei Thomas Mann immer präsent. Im letzten Kriegsjahr werden die berühmten BBC Ansprachen an die Deutschen aufgezeichnet.

    Aber was soll man diesen unglückseligen, verdummten und verbiesterten Menschen sagen? Im März ’45 hält er in Chicago seine noch heute lesenswerte Rede ‚Deutschland und die Deutschen‘ und erkennt schon jetzt: Man hat zu tun mit dem deutschen Schicksal und deutscher Schuld, wenn man als Deutscher geboren ist. Doch dazwischen immer wieder das Hadern mit dem Werk: Es ist aber von all meinen Unternehmungen die am leichtesten zu Verpatzende, und die Schwierigkeiten türmen sich. Mußte ich mir das noch aufhalsen? Andererseits gilt es, die Zeit hinzubringen. War das Schreiben auch eine Flucht vor den täglichen, schlimmen Nachrichten? Ich weiß nicht, warum ich mir so traurige Geschichten ausdenke. Die Kunst soll uns doch erheben und erheitern. … Entsetzlich! Es ist wieder »une mer à boire«. Ein Becken, in das allzuviel hineingeht. Im Dezember ’45 beschreibt er seine Technik der Montage: Ein bekanntes Motiv wird aufgegriffen und dann klebe ich es auf und lasse die Ränder sich verwischen, lasse es sich in die Komposition senken als ein mythisch-vogelfreies Thema, das jedem gehört. Im Frühjahr ’46 die Erkrankung, im April die Lungenoperation, die langsame Genesung bevor er im August wieder notieren kann: Der geflickte Wunderkreis druckst und skribbelt wieder ganz fleißig an dem Faustus-Roman… Und schon wieder gibt es Reisepläne. Das wird mein Leben verkürzen, meint meine besorgte Tochter Erika. Aber was weiter, wenn der Roman fertig ist, der vierte Hochbau, soll mir’s farcimentum sein. (Eine vornehme Art, ‚Wurscht‘ zu sagen) Er beginnt Auszüge aus dem Roman vorzulesen. Der kleine, ein elfenhaft idealisierte Frido, ist gewiß das Schönste im ganzen Buch, und dann holt ihn der Teufel. Wir waren alle gar nicht weit von den Tränen. Bevor er am 29.1.1947 an Erika schreibt: keen glorious child must know that Adrians sad story was definitely brought to a happy end today.

    Es folgen die ersten Jahre der Rezeption, der Begeisterung, der Anfeindungen und der Rechtfertigungen. Es ist von Anfang bis Ende in einem Zustand tiefer Erregung, tiefer Aufgewühltheit und Preisgabe geschrieben, und die 4 Bände des Joseph, die ich doch so gerne ein Menschheitslied nenne, waren das reine Opernvergnügen damit. … soviel Autobiographisches. Oder in einem anderen Brief: …es ist ein Sonderfall, daß Einer mit 70 sein »wildestes« Buch schreibt. Die Auseinandersetzung mit Schönberg hat er vorhergesehen, allerdings unter anderen Vorzeichen: … ist die Reihentechnik als Erfindung der Teufelskälte dargestellt. Er muß wohl einschnappen – wie mancher andere. Ich kann’s nicht ändern. Nein, Schönberg sieht sich nicht verunglimpft, er will gewürdigt werden als Erfinder der von Thomas Mann, dem unverbesserlichen Spätromantiker, beschriebenen Musik. Ich wüßte nicht, daß er je in ein Schönberg-Konzert gegangen wäre. Ich selbst bin im Vergleich mit Joyce oder Picasso ein flauer Traditionalist.

    Im Jahr 1948 bekommt Peter de Mendelssohn ein Exemplar des Faustus aus der Schweiz nach Berlin zugeschickt. Er verschlingt den Roman in zwei Tagen und zwei Nächten, und verfaßt im Anschluß Drei Briefe an einen anonymen Empfänger. Diese werden unter dem Titel Der Zauberer bei Ullstein und Kindler mit der Lizenz der amerikanischen Militärregierung verlegt. Thomas Mann erhält ein Exemplar in den USA und staunt über diese enthusiastischen Briefe Mendelssohns. Unterliegt diesen kaum 50 Seiten doch ein so unverbrauchter, staunender Blick, wie er später auf den Dr. Faustus nie mehr genommen werden konnte. Mendelssohn gesteht freimütig, daß er während der Kriegsjahre die letzten Bände des Joseph oder die Lotte nicht ertragen konnte. Sie waren ihm zu fern von den Grausamkeiten dieser Welt, schienen ihm offenbar eine unzulässige Flucht zu sein. Der Dr. Faustus ist ihm eine Offenbarung, voller Pathos stimmt er seine Elogen an, der Roman trifft ins gespaltene Herz der Nation. Thomas Mann wird in weiten Teilen der Bevölkerung als Vaterlandsverräter angesehen und nun dieses vielschichtige Buch über den Untergang eines vom Teufel verführten vor dem Hintergrund des Bombardements auf München. ‚Die Entstehung des Dr. Faustus‘ ist noch nicht geschrieben, die erzwungenen Anmerkungen Schönbergs zur Zwölftonmusik noch nicht dem Romantext nachgestellt. Es ist eben nicht so, wie Thomas Mann in einem Brief an Schönberg unterstellte, daß jedes Mohrenkind wisse, wer der Schöpfer dieser Musik ist. In den Trümmern des zwölfjährigen Reiches weiß man dies nicht, auch ein Bildungsbürger nicht wie Peter de Mendelssohn. Tausend Dinge wären anzumerken zu diesem Text. Auch er ist nur noch antiquarische zu bekommen und sollte neu verlegt werden: Jenseits aller professoralen Sekundärliteratur ist er als Zeugnis der Rezeptionsgeschichte in seiner Unmittelbarkeit einzigartig.

    Soweit mein Exkurs zu meinen literarischen Entdeckungen. Von unserem Treffen mit Herrn Dr. Lange werde ich wohl erst Ende September berichten können.

    Es grüßt herzlich

    Ihr Peter Baumgärtner

  • Rundbrief Nr. 30



    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    ich hatte im März, im Rundbrief Nr. 24, auf die Neuerscheinung des Buchs von Dr. Peter Lange hingewiesen ‚Prag empfing uns als Verwandte‘ und darin meinen sehr positiven und gewinnbringenden Eindruck geschildert. Um Ihnen das Nachlesen zu vereinfachen, habe ich diesen Rundbrief in Gänze nochmals angehängt. Nun ist es mir gelungen, Herrn Lange für den 10. September nach Bonn einzuladen. Er verlangt keine Gage, aber ich ersetze ihm die Spesen. Ich lud ihn ein ins Rheinhotel Dreesen mit Blick auf den Petersberg, beides Orte, an denen im Jahr 1939 der fatale Verrat an der damals letzten Demokratie im Osten Europas begangen wurde, was die neu gewonnen Pässe der Familie Mann wieder wertlos machte. Herr Dr. Lange wird uns – bei hoffentlich schönem Wetter am frühen Abend, 18.00 Uhr, sein Buch in einem circa halbstündigen Vortrag vorstellen. Dieser sollte hinreichend viele Anknüpfungspunkte bieten für ein lebendiges Gespräch im Anschluß, sicher auch über das aktuelle literarische Leben in der Tschechei, über die Rezeption deutscher Literatur im Allgemeinen und jene der Familie Mann im Besonderen. Nun ergab es sich, daß just in der vergangenen Woche das WDR-3-Zeitzeichen „Thomas Mann wird Tschechoslowake“ zum Thema hatte. Herr Dr. Lange ist mit wichtigen Wortbeiträgen mit von der Partie. Sie können die Sendung in der WDR-Mediathek anklicken – ein sehr hörenswerter Beitrag:

    https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/zeitzeichen/zeitzeichen-einbuergerung-thomas-mann-100.html

    Noch nicht abschließend geklärt ist der Veranstaltungsort. Herr Dr. Lange wird uns auch Bilder mitbringen. Bei einer sehr überschaubaren Anzahl von Teilnehmern, könnte man diese auf einem Laptop im teilweise überdachten Kastanienhof des Hotel Dreesen präsentieren. Sollten sich mehr als zehn Interessierte melden, müssen wir in einen Saal ausweichen und uns mit den Covid-Regeln auseinandersetzen. Ob dies im Dreesen möglich sein wird, muß ich noch klären. Von großer Wichtigkeit dabei ist, daß ich sehr kurzfristig, und zwar bis spätestens zum 28.8., verbindliche Anmeldungen bekomme.

    Später eingehende Bekundungen kann ich ggf. nicht mehr zusagen. Diese Pandemie zwingt zu unhöflichen Gesten.

    Die Veranstaltung mit Prof. Norbert Oellers zu Bert Brecht und Thomas Mann wird am Donnerstag, den 21. Oktober im Saal der Schlaraffia in der Schedestraße stattfinden. Ein Hygiene-Konzept ist in Arbeit.

    Ich hatte im letzten Rundbrief von der Kontaktaufnahme zu Prof. Dr. Valerij Susmann, dem Vorsitzenden des russischen Germanisten-Verbandes, berichtet. Frau Prof. Haider- Dechant gelang es, eine Zoom-Konferenz mit Prof. Susmann zustande zu bringen, an der auch Frauke May-Jones teilnehmen konnte. Über eine Stunde lang entwickelte sich ein äußerst interessantes Gespräch. Herr Prof. Susmann ist ein witziger bescheidener Mann, der aber auch gleichermaßen hartnäckig sein kann. Er wollte das Thema nicht auf Thomas Mann und Anton Tschechow eingrenzen lassen. Manns positive Haltung zur russischen Literatur und zu Tschechow im Besonderen – darüber wisse in Rußland jeder Bescheid, das sei langweilig. Im Gespräch entwickelte er die Idee einer Schnittmenge der beiden Dichter, wie diese in ihrer Kunst – der eine als Epiker und der andere als Kurzgeschichten-Erzähler – die Sprache, das Wort bis an die Schwelle des Sagbaren ausloteten, den Grenzbereich zwischen Sprache und Musik erkunden. So soll auch der Abend mit ihm ein musikalisch-literarischer sein. Herr Prof. Susmann wird seine Frau, eine Pianistin, mitbringen. Sie wird spielen, Frauke May-Jones wird russische Lieder singen. Ein sehr spannender Abend steht uns bevor, leider erst im nächsten Jahr. Am Ende zeigte ich ihm eine Weinflasche aus Badenweiler mit dem Konterfei von Tschechow (dieser starb dort 1904), die ich ihm übergeben werde, wenn er im Lande ist. Da sagte Prof. Susmann: „Jetzt können Sie sicher sein, daß ich komme!“

    Da wiederhole ich mich gerne: Bewahren Sie ihren Humor und bleiben Sie gesund, herzlich Ihr Peter Baumgärtner

  • Rundbrief Nr. 29 + Anlage Brief Quasner



    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    lassen Sie mich zunächst den schrecklichen Bildern der fürchterlichen Ereignisse aus dem Bonn-Kölner Umland Bilder von Schönheiten entgegenstellen, wie sie die Natur eben auch hervorbringen kann. Wie im letzten Rundbrief angekündigt, war ich dieser Tage im Museum Koenig zu Gast. Die Leiterin der Lepidoptera-Abteilung Frau Dr. Espeland und die wissenschaftliche Leiterin des Biohistoricums Frau Dr. Schmidt-Loske führten mich in die fensterlose, klimatisierte und etwas nach Formaldehyd duftende Schatzkammer ihres Instituts. Mir war, als würde „Adrians Vater am Abend seine farbig illustrierten Bücher über exotische Falter und Meeresgetier“ aufschlagen und ich würde „über die gelederte, mit Ohrenklappen versehene Rückenlehne seines Stuhles“ schauen und auf „die dort abgebildeten Herrlichkeiten und Exzentrizitäten“ blicken, auf „diese in allen Farben der Palette, nächtigen und strahlenden, sich dahinschaukelnden, mit dem erlesensten kunstgewerblichen Geschmack gemusterten und ausgeformten Papilios und Morphos der Tropen, …“ Und schon hatten die Damen aus einem Hochregal eine mit gläsernem Deckel verse- hene Schubkiste gezogen, beschriftet „Papilio (Heraclides)“

    Wir lesen weiter im Text: „Die herrlichste Farbe, die sie zur Schau tragen, sei, so belehrte uns Jonathan, gar keine echte und wirkliche Farbe, sondern werde nur durch feine Rillen und andere Oberflächengestaltungen der Schüppchen auf ihren Flügeln hervorgerufen, eine Kleinstruktur, die es durch künstliche Brechung der Lichtstrahlen und Ausschaltung der meisten besorge, daß allein das leuchtendste Blaulicht in unser Auge gelange.“ Und schon durfte ich in einen weiteren Schuber schauen, beschriftet mit „Morphini, Morpho – amathonte“.

    »Sieh an«, höre ich Frau Leverkühn sagen, »es ist also Trug?«

    »Nennst du das Himmelsblau trug?« erwiderte ihr Mann, indem er rückwärts zu ihr aufblickte.

    »Den Farbstoff kannst du mir auch nicht nennen, von dem das kommt.«

    Herrliche Tiere, mehr als handtellergroß. Dreht man sie im Licht, changiert die Farbe von Blau zu Violett ins Gräuliche. Die Damen gaben mir dazu noch allerhand wissenschaftliche Erläuterungen, die ich einerseits auf Anhieb nicht verstand und andererseits die Hoffnung habe, diese bald in einem Vortrag im Museum Koenig nochmals hören zu dürfen.

    Doch weiter im Text: „Es waren da Glasflügler abgebildet, die gar keine Schuppen auf ihren Flügeln führen, so daß diese zart gläsern und nur vom Netz der dunklen Adern durchzogen erscheinen. Ein solcher Schmetterling, in durchsichtiger Nacktheit den dämmernden Laubschatten liebend, hieß Hetaera Esmeralda. Nur einen dunklen Farbfleck in Violett und Rosa hatte Hetaera auf ihren Flügeln, der sie, da man sonst nichts von ihr sieht, im Flug einem windgeführten Blütenblatt gleichen läßt.“

    Da haben wir sie, die große Metapher des Dr. Faustus, den Auftakt zum Lebensdrama Adrian Leverkühns, die Thomas Mann aber gleich wieder in der Beschreibung weiterer Wunderlichkeiten versteckt: „Es war da sodann der Blattschmetterling, dessen Flügel, oben in volltönendem Farbendreiklang prangend, auf ihrer Unterseite mit toller Genauigkeit einem Blatte gleichen, nicht nur nach Form und Geäder, sondern dazu noch durch minutiöse Wiedergabe kleiner Unreinigkeiten, nachgeahmter Wassertropfen, warziger Pilzbildungen und dergleichen mehr. Ließ dies geriebene Wesen sich mit hochgefalteten Flügeln im Laube nieder, so verschwand es durch Angleichung so völlig in seiner Umgebung, daß auch der gierigste Feind es nicht darin ausmachen konnte.“

    Hier lohnt es sich, auf die Unterseite des oben gezeigten, herrlich blauen Morpho zu schauen: Läßt dieser sich auf einem Zweige nieder und faltet seine Schmetterschwingen zusammen, so würde man ein welkes Blatt an diesem Ast vermuten.

    Noch perfekter getarnt und der Beschreibung von Thomas Mann ähnlicher ist der Zaretis, der allerdings namentlich nicht erwähnt wird.Und Thomas Mann ist noch nicht zu Ende mit den Faltern, das Schalkhafte in der Kunst der Tarnung in der Natur scheint ihn fasziniert zu haben: „Konnte nun dieser Falter zu seinem Schutze sich unsichtbar machen, so brauchte man im Buche nur weiter zu blättern, um die Bekanntschaft solcher zu machen, die durch augenfälligste, ja aufdringliche, weithin reichende Sichtbarkeit denselben Zweck erreichten. Sie waren nicht nur besonders groß, sondern auch ausnehmend prunkvoll gefärbt und gemustert, und wie Vater Leverkühn hinzusetzte, flogen sie in diesem scheinbar herausfordernden Kleide mit ostentativer Gemächlichkeit, die aber niemand frech nennen möge, sondern der eher etwas Schwermütiges anhaftete, ihres Weges dahin, ohne sich je zu verstecken und ohne daß je ein Tier, weder Affe, noch Vogel, noch Echse, ihnen auch nur nachgeblickt hätte. Warum? Weil sie ein Ekel waren. Und weil sie durch ihre auffallende Schönheit, dazu durch die Langsamkeit ihres Fluges, eben dies zu verstehen gaben. Ihr Saft war von so scheußlichem Geruch und Geschmack, daß, wenn einmal ein Mißverständnis, ein Fehlgriff vorkam, derjenige, der sich an einem solchen gütlich zu tun gedachte, den Bissen mit allen Anzeichen der Übelkeit wieder von sich spie.“

    Mit Heliconiini – tatsächlich mit drei „i“ – war der Schuber beschriftet, in dem sich noch eine ganze Reihe weiterer herrlich hübscher Tierchen befand. Ihre Ungenießbarkeit, so erläuterte mir Frau Espeland, erzielen diese Schmetterlinge dadurch, daß Sie giftige Früchte fressen, die ihnen aber selbst nichts anhaben. Das wußte Thomas Mann nicht – es hätte ihm gefallen, denn er erwähnt im Text noch: „Daß andere Arten von Schmetterlingen sich trickweise in denselben Warnungsprunk kleideten und denn also auch in langsamem Unberührbarkeitsfluge melancholisch sicher dahinzogen, obgleich sie durchaus genießbar waren.“ An solcherlei hatte Thomas Mann Vergnügen und Frau Espeland wird uns sicher Arten zeigen können, die sich mit dieser Art der listigen Mimikry ihr flatterhaftes Leben schützen.

    Es sei an dieser Stelle erwähnt, daß die Damen mir wenig über das Alter der Präparate sagen konnten. Die Altvorderen haben wohl nur schlampig Buch geführt, aber die Dinge, die ich gesehen hätte, seien mindestens 50 Jahre alt, wahrscheinlich deutlich älter. Die sehr sterilen konservatorischen Bedingungen seien schon daher geboten, da man nicht alle Jahre am Amazonas weitere dieser seltenen Tierchen einfangen will. Womit wir beim historischen Aspekt der Sache angekommen wären: Alexander Koenig wurde 1858 in Sankt Petersburg als Sohn eines wohlhabenden Zuckerkaufmanns geboren, welcher sich im Jahre 1867 mit für seiner Familie in Bonn in der heutigen Villa Hammerschmidt niederließ. Alexander studierte Zoologie und zu seiner Promotion (zum Thema der Mallophagenfauna – der Vogelläuse) und Hochzeit im Jahre 1884 schenkte ihm der Vater eine Villa auf der anderen Seite der Coblenzer Straße, den südlichen Teil dessen, was wir heute Museum Koenig nennen und in dem sich heute die Verwaltung und die Eiersammlung befinden. Stück für Stück baute er seine Sammlung auf, begann 1912 mit dem Bau des prächtigen Museums, der durch Krieg und wirtschaftliche Wirren erst 1934 fertig gestellt werden konnte. Er reiste viel, unter anderem über Palästina, Ägypten ins innere Afrikas, von wo er unter anderem die berühmte Giraffe mitbrachte, die noch heute den Innenhof ziert. 1894 wurde er Professor an der Bonner Universität.

    Kurzum: Er wäre ein idealer Gesprächspartner von Thomas Mann gewesen, nicht nur für den Faustus, auch für die Josephs-Romane. Sind sich die beiden in den zwanziger Jahren begegnet? Ich bat Frau Dr. Schmidt-Loske im Archiv nach einer möglichen Korrespondenz der beiden Herren zu suchen. Ich bin sehr gespannt. Für eine Veranstaltung, wie im letzten Rundbrief angedeutet, ist man sehr aufgeschlossen. Es Bedarf hierzu einiger Vorbereitung und auch pandemischer Voraussetzungen – ich werde Sie auf dem Laufenden halten.

    Bevor ich mich nun auf den Ausblick in die Zukunft eingehe, eine kurze Rückschau auf unsere Veranstaltung im Woelfl-Haus mit Kotaro Fukuma und Michael Fürtjes: Sie war großartig! Von den ca. 20 Anwesenden aber auch von vielen, die zuhause dem Konzert gelauscht haben, bekam ich viele und ausschließliche positive Rückmeldungen. Wir hatten insgesamt ca. 100 zahlende Gäste, Zuschaltungen aus den USA, Italien und viele aus Japan. Leider haben nicht einmal 20 Mitglieder unseres Ortsvereins ein Ticket gelöst. Auf die Abrechnung vom Woelfl-Haus warte ich noch. Den Zuschuß unseres Ortsvereins werde ich dann ermitteln. Wie dem auch sei: Es hat sich gelohnt, der Kunst und der Außenwirkung wegen.

    Frau Prof. Haider-Dechant stellte auch den Kontakt zu Prof. Dr. Valerij Susmann her, dem Vorsitzenden des russischen Germanisten-Verbandes. Er sucht den Zugang zu den Archiven in Lübeck und Zürich, unser Präsident, Herr Prof. Wißkirchen, gab ihm die entsprechenden Kontakte. In der deutschsprachigen Literatur interessieren ihn vor allem Franz Kafka, Thomas Mann, Franz Werfel, Vladimir Vertlib, Ludwig Tieck, viele Namen, viele Epochen. Zu uns würde er gerne über Thomas Mann und Anton Tschechov sprechen. Gemeinsam mit Frau Haider-Dechant werden wir eine musikalische Umrahmung erarbeiten.

    Ich bin sehr erfreut über diesen ersten Kontakt mit der russischen Literaturwissenschaft. In Zeiten, in denen auf politischer Ebene Eiszeit herrscht, so schrieb ich ihm, muß die Kultur als Brückenbauer dienen. Dies ist auch der Antrieb für Herrn Susmann und nicht nur der Umstand, daß Mann der russischen Literatur sehr zugeneigt war.

    So habe ich dieser Tage auch wieder Kontakt aufgenommen zu Peter Lange (Autor von: Prag empfing uns als Verwandte). Er wird Anfang September im Rheinland sein. Ich werde ihn nach Bonn einladen und denke an eine Gesprächsrunde mit ihm in einem öffentlichen Biergarten, im Weingut Sülz oder in einem privaten Garten eines unserer Mitglieder. Ich habe leider keinen zur Verfügung – man darf sich melden.

    Die Veranstaltung mit Prof. Norbert Oellers zu Bert Brecht und Thomas Mann wird an einem Donnerstagabend im Oktober im Saal der Schlaraffia in der Schedestraße stattfinden; Schüler der Bert-Brecht-Gesamtschule werden den Vortrag zur schulischen Verwendung aufzeichnen. Den genauen Termin gebe ich in Kürze bekannt.

    Meine Co-Vorsitzende Frauke May-Jones, derzeit noch in den etwas heißeren der Vereinigten Staaten unterwegs, erkundet so nebenbei, ob es in Los Angeles ein Naturkundemuseum gibt – oder besser zu Zeiten Thomas Manns dort gab – in dem er sich über Schmetterlinge hätte erkundigen können und bietet zu Beginn des nächsten Jahres für unsere Ortsverein gemeinsam mit dem Woelfl-Haus ein Programm über Thomas Mann, H. C. Andersen und die Vertonungen seiner Gedichte an.

    HANS CHRISTIAN ANDERSEN: Märchen und Gedicht-Vertonungen und ihre Spiegelung und Literarisierung bei THOMAS MANN – Ein LIEDeraturabend für Gesang, Klavier und Sprecher. Lieder u. a. von Schumann, Grieg, Gade und Prokofieff

    Ein solches Angebot sollten wir gerne annehmen und uns darauf freuen.

    Dies ist nun die Stelle, an der ich ein neues Mitglied unseres Ortsvereins begrüßen darf: Frau Jutta Hartmann ist in Bonn aufgewachsen, lebt im Allgäu, liebt die Verfilmungen der Romane Thomas Manns. Unsere Broschüre ‚Thomas Mann im Film‘ aus 2011 hat sie als Begrüßungsgeschenk erhalten. Ich saß mit ihr bei Nieselregen unter alten Bäumen im Arboretum Park Härle, einem wunderbaren Ort der Kontemplation, den ich nur jedem empfehlen kann. Frau Hartmann ist von ansteckender Neugier – ich freue mich auf ihre Mitgliedschaft.

    Am Ende möchte Ihnen eine der vielen Anekdoten nicht vorenthalten, mit denen mich unser schwäbisches Mitglied Herr Jürgen Quasner immer wieder unterhält – siehe Anhang. In diesem Falle geht es um Thomas Mann, Hermann Hesse, dessen Glasperlenspiel und überzählige Adjektive, oder „fränkisch, also gastronomisch verfressen ausgedrückt: Eine gute Bratwurst braucht kaan Senf!“ Aber lesen Sie selbst.

    In diesem Sinne: Bewahren Sie ihren Humor, bis die Tage Ihr Peter Baumgärtner

    Anlage Brief Quasner

    Lieber Herr Baumgaertner,

    Ich lese gern, aber nichts mehr über Impfung und Inzidenzen. Das Dauerthema läßt jetzt auch in den Zeitungen nach; Metzingen lebt wieder auf, und schon fehlen Parkplätze, hurra!

    Hesses »Glasperlenspiel« zur Laufbahn von Josef Knecht erscheint mir als Bildungsroman in der Nachfolge von »Wilhelm Meister«, an Goethe auch in der ruhig-breiten Erzählweise und an dessen Sprache angelehnt. Der Roman leidet an Leukämie, schlimmer beim Epigonen als beim Klassiker. Ein Beispiel bringe ich: »Dann reiste er, nicht ohne Wehmut des Abschieds von einem liebgewonnenen Ort …, aber durch die das Festspiel vorbereitende Folge kontemplativer Exerzitien schon festlich vorgestimmt, denen er sich … nach dem Wortlaut der Vorschriften genauestens unterzogen hatte.« (S. 220f.)

    Die Abreise der Marquise von O … sollte man hier dagegenhalten, »durch diese schöne Anstrengung mit sich selbst bekanntgemacht, …« Kleist strengt an, bei Hesse badet man lau.

    Hat Hesse nicht bei Heine gelesen, dass man nach Goethe so nicht weitermachen kann? Entschuldigung, ich war gerade in Stimmung. »Die Morgenlandfahrt« gefällt mir besser; sie ist auch kürzer. Dank der Weisheiten von Königs Erläuterungen erfahre ich aber, wie subtil Hesse auf seinen Freund Thomas Mann anspielt, nämlich in der Figur des fiktiven Thomas von der Trave. Martin Pfeifer, der Interpret, lobt die Kunst der Charakterisierung, wenn dieser Traven-Thomas beschrieben wird als “ein berühmter … und weltgewandter Mann, konziliant und vom artigsten Entgegenkommen gegen jedermann, der sich ihm näherte … wenn er kein Enthusiast war …, so zeigen seine … formal unübertrefflichen Spiele doch für die Kenner eine nahe Vertrautheit mit den … Problemen der Spielwelt” (Pfeifer S. 100).

    Offensichtlich hat Hesse keinen Kurs der VHS in Lugano über den sparsamen Umgang mit Adjektiven belegt und er hat diese Kunst auch bei Thomas Mann nicht erlernt. Was bitte sagt uns “eine nahe Vertrautheit” mehr als eine solche ohne Adjektiv? Oder gibt es in irgendeiner semantischen Nische auch eine ferne Vertrautheit? Die Nische möchte ich gern besuchen.

    Hesse bekam trotz seiner Adjektive 1946 den Nobelpreis, von dem Gottfried Benn behauptete, das sei nur so gegangen, weil Thomas Mann ihn vorgeschlagen hatte. Dieser Behauptung möchte ich nicht widersprechen.

    Herzliche Grüße ins bald eintretende samedimanche Jürgen und Tizi Quasner

  • Rundbrief Nr. 28a



    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    es ist nicht meine liebste Tätigkeit, mit der Schelle über den Marktplatz zu marschieren und für ein Konzert zu werden, aber ich tue es um der Künstler willen. Es sind noch einige Ticketbestellungen eingegangen, den Saal des Woelfl-Hauses würden wir nun in unbeschwerten Zeiten gerade voll bekommen, aber im Netz ist noch ganz viel Platz!

    Der Fußball ist nicht unsere Konkurrenz, wie ich nun erfuhr, aber András Schiff in der Kölner Philharmonie. Doch bevor wir uns hier in allzu großer Bescheidenheit üben, hier ein sehr wichtiger Hinweis von Frau Haider-Dechant:

    Der Kauf des Stream-Tickets hat den Vorteil, dass Sie das Konzert nicht nur live, sondern auch später immer wieder ansehen können. Auch eine plötzliche Verhinderung des Konzertbesuchs stellt somit kein Problem mehr dar. Sollten Sie Hilfe benötigen zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren.

    Gemeinsam und mit Mut zu neuen Wegen kann uns auch in Zukunft kein Virus der Welt mehr erschüttern

    Diese Möglichkeit bietet András Schiff nicht, und ich muß mich auch nicht wie der sprichwörtliche Wasserverkäufer im Regen fühlen.

    Das Programm vom kommenden Mittwoch finden Sie auf der nächsten Seite. Beste Grüße Ihr Peter Baumgärtner

    Konzert-Lesung im Woelfl-Haus am 30.6.2021 um 19.00 Uhr

    Das Programm wurde von dem Musikphilosophen Michael Fürtjes gemeinsam mit dem Pianisten Kotaro Fukuma 2019 anläßlich des 50. Todestags von Adorno und im Blick auf das Beethoven-Jahr 2020 konzipiert. In Amorbach, dem beliebten Kindheitsort Adornos, kam es im November 2019 zu einer begeistert gefeierten Aufführung.

    Vor op. 111 von Beethoven kommen in unserem Programm 3 kleine Klavierstücke von Adorno und die Klaviersonate von dessen Kompositionslehrer Alban Berg zur Auffüh- rung. Außerdem synchronisieren die Herren Fukuma und Fürtjes Klavierspiel und Lesung der im Roman geschilderten Sonaten-Passagen.

    Das Programm:

    Theodor W. Adorno (1903-1969) Drei Klavierstücke (1927-1945)

    1. Adagietto – Hommage á Bizet
    2. Die böhmischen Terzen
    3. Valsette

    Alban Berg (1885-1935) Klaviersonate op. 1

    Thomas Mann (1875-1955) Lesung aus dem Kapitel VIII des Romans  „Doktor Faustus“

    Ludwig van Beethoven (1770-1827) Klaviersonate Nr. 32 c-Moll op. 111

    Hierfür nochmals der Link, mit dem man sich für das Streaming-Angebot anmelden kann: (https://www.woelflhaus.de/events/adorno-beethoven-thomas-mann; https://dringeblieben.de/videos/adorno-beethoven-thomas-mann ) Bitte machen Sie in Ihrem Bekanntenkreis Werbung.

  • Rundbrief Nr. 28 + Anlage Brief Klose



    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    leider haben sich bis dato nur sehr wenige Personen zu unserer Veranstaltung am 30. Juni im Woelfl-Haus angemeldet. In sehr eingeschränkter Zahl ist auch eine Teilnahme vor Ort möglich. Diese wenigen Plätze werden von Frau Prof. Haider-Dechant persönlich vergeben: Sitzordnung, Abstände von Paaren und Einzelpersonen können nur in diesem Sinne verwaltet werden. Ich fände es ausgesprochen schade, wenn dieser außerordentliche Kunstgenuss von nur wenigen Menschen geteilt würde, ganz abgesehen von den Mühen, die sich viele Menschen gemacht haben, um diesen Abend zu realisieren.

    Es mag auch sein, daß an diesem Abend ein Fußballspiel von nationaler Bedeutung stattfindet – ich habe mich in diesen Belangen noch nicht kundig gemacht – aber da muß jeder wissen, wo seine Präferenzen liegen.

    Hierfür nochmals der Link, mit dem man sich für das Streaming-Angebot anmelden kann: (https://www.woelflhaus.de/events/adorno-beethoven-thomas-mann; https://dringeblieben.de/videos/adorno-beethoven-thomas-mann) Bitte machen Sie in Ihrem Bekanntenkreis Werbung.

    Hier nochmals das Programm, das die Herren Fukuma und Fürtjes zur Aufführung bringen:

    Das Programm:

    Theodor W. Adorno (1903-1969) Drei Klavierstücke (1927-1945)

    1. Adagietto – Hommage á Bizet
    2. Die böhmischen Terzen
    3. Valsette

    Alban Berg (1885-1935) Klaviersonate op. 1

    Thomas Mann (1875-1955) Lesung aus dem Kapitel VIII des Romans  „Doktor Faustus“

    Ludwig van Beethoven (1770-1827) Klaviersonate Nr. 32 c-Moll op. 111

    So viel zu unserer Veranstaltung zu Kapitel VIII des Dr. Faustus.

    Nun gehe ich fünf Kapitel zurück und zeige Ihnen diesen Schmetterling:

    Hetaera Esmeralda…

    … dieser wunderbaren Metapher für Liebe, Versuchung und Vergänglichkeit aus Kapitel III. Im Rahmen einer geschäftlichen Korrespondenz habe ich kürzlich den kaufmännischen Leiter des Museum Alexander Koenig (für das mein Büro seit 25 Jahren Sanierungen und Umbauten durchführt) gebeten, mir den Kontakt zu den Lepidopterologen in seinem Hause herzustellen, was er auch umgehend tat und ich die beiden zuständigen Damen dann fragen konnte, ob es die von Thomas Mann beschriebenen Tierchen gibt und ob sie solche in ihrer Sammlung hätten. Umgehend bekam ich das vorgestellte Bild geschickt verbunden mit den Zeilen:

    Die Art Hetaera esmeralda gibt es wirklich, auch wenn sie jetzt als Unterart einer anderen Art gesehen wird und deshalb anders heisst (Cithaerias andromeda esmeralda). Sie ist nur aus Pará in Brasilien bekannt, und wir haben davon in der Sammlung leider keine Exemplare, aber von verwandten Arten haben wir sicherlich was. Hier ein Foto vom Holotypus dieser Art, also das Exemplar wonach die Art von Edward Doubleday in 1845 beschrieben worden ist

    Es ist nicht so, daß ich diesen Satz vollständig verstünde. Daher haben mich die Damen für Anfang Juli in Ihre Sammlung eingeladen, wo wir uns umschauen wollen auch nach den anderen von Jonathan Leverkühn gezeigten Faltern. Damit verbunden ist natürlich die Idee, eine Veranstaltung im Museum Koenig durchzuführen, bei der nach einer Lesung aus Kapitel III entsprechende Exponate gezeigt und mit wissenschaftlichen Erläuterungen aus kundigem Munde versehen werden. Eine kurze Führung durch das Haus könnte sich anschließen, das neben seiner wissenschaftlichen Bedeutung auch eine wichtige Rolle in den Gründungsjahren unserer Republik einnahm: Hier fand 1948 die feierliche Eröffnung des Parlamentarischen Rates statt, der unser Grundgesetz entwickeln sollte, hier hatte Konrad Adenauer sein Büro in den ersten Monaten seiner Kanzlerschaft. Im nächsten Rundbrief werde ich von meinem Besuch berichten.

    Sie spüren: Die schwindelerregend rasant fallenden Inzidenz-Zahlen laden zum Träumen ein. Den Warnungen der Politik, nicht allzu schnell die Masken fallen zu lassen, steht ein großer Druck und eine Sehnsucht der Öffentlichkeit gegenüber, wieder Präsenzveranstaltungen zuzulassen. Der Buchhändler Alfred Böttger hat, mutig wie er ist, bereits 19 Veranstaltungen für den Herbst geplant. Auch wir werden Termine vereinbaren, wollen aber in einem absehbaren Überangebot an nachgeholter Kultur nicht ertrinken. Herrn Prof. Oellers habe ich schon angesprochen: Sein Vortrag zu Bert Brecht und Thomas Mann liegt noch auf seinem Schreibtisch. Ob wir damit in eine Schule gehen können und dürfen, wird sich zeigen.

    Mit welcher Verve und mit wieviel Lust ich mich dann in die Veranstaltungsplanung begeben werde, wird entscheidend davon abhängen, wie groß der Zuspruch zu unserer Veranstaltung im Woelfl-Haus sein wird. Wir leben durchaus in Zeiten, in denen sich die Kümmerer um Kultur über einen Klapps auf die Schulter freuen.

    In diesem Sinne grüßt sie herzlich Ihr Peter Baumgärtner

    PS: Im Anhang der Antwortbrief von Frau Ellen Klose auf meine letzten Rundbriefe mit wie immer sehr interessanten, weiterführenden Hinweisen.

    Anlage Brief Klose

    Lieber Herr Baumgärtner, nach meiner Mail vom 4. Mai an Sie habe ich noch weitergelesen.

    Zur „Pariser Rechenschaft“ gibt es im Essay II-Kommentarband noch Diverses – teils in Französisch – betreffend die (problematischen) deutsch-französischen Beziehungen, u.a.:

    • Einführende Bemerkungen zur Lesung „Liberté et Noblesse“ und „Grace Aristocratique“ in Paris; seine Lesung aus „Goethe und Tolstoi“;
    • Geistige Tendenzen des heutigen Deutschlands;
    • Entmilitarisierung des Rheinlandes;

    Ein Teil seiner Ansprache war ins Französische übersetzt und von TM vorgetragen worden – um seinen Respekt vor den Franzosen zum Ausdruck zu bringen.

    Thomas Mann hatte sich wohl auch gern in der Rolle des Vermittlers zwischen beiden Staaten gesehen, dieser Besuch im Januar 1926 war ihm „eine Ehrenpflicht“. Die Achtung dafür wurde ihm ja auch entgegengebracht. Dazu sollte auch die Einladung des Pariser PEN-Clubs an ihn gesehen werden.

    Ich freue mich schon sehr auf den Meinungsaustausch in unserem Gesprächskreis – der, wie mir scheint, immer weitere Kreise zieht.

    Im Kommentar zu den „Pariser Rechenschaften“ wird auch wiederholt Bezug genommen auf die „Betrachtungen eines Unpolitischen“ (Considérations d’un non-politique resp. Considérations d’un apolitique). Dazu passt – wie gerufen – der Kommentar von Florian Keisinger im Feuilleton der FAZ vom 15. Mai 2021-Seite 14-Nr. 116

    „Thomas Mann an die Front – Taugt der Autor zur Waffe gegen die Identitätspolitik?“ In den Vereinigten Staaten gibt es jetzt eine Neuauflage der „Betrachtungen“, zu der der New Yorker Ideenhistoriker (???) Mark Lilla das Vorwort beigesteuert hat. Lilla ist, wie F. Keisinger schreibt, „bisher nicht als Thomas-Mann-Experte in Erscheinung getreten“, wohl aber „als scharfer Kritiker einer linken Identitätspolitik, deren Absolutheitsanspruch und Kompromissresistenz er als Spaltpilz liberal-demokratischer Konsenzfindung erachtet- und damit als Gefahr für die Demokratie insgesamt“. Ein Disput Kunst versus Politik – fürwahr. Wenn man bedenkt, dass dieser Essay von über 100 Jahren geschrieben wurde, ein bemerkenswerter Kommentar. Lilla bezieht sich in seinem Vorwort auf das folgende Werk von TM und weist insbesonders auf den Zauberberg (hier die Kontroversen des Demokraten Settembrini mit dem Jesuiten Naphta) , die Josef-Romane und Dr. Faustus hin.

    An Gesprächsstoff wird es uns wohl nicht mangeln.

    Mit besten Grüßen aus Duisburg und bleiben Sie gesund Ellen Klose