Kategorie: Rundbriefe

  • Rundbrief Nr. 66

    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    Die „Tage des Exils“ wurden gestern im vollbesetzten Saal des LVR-Landes- museum feierlich eröffnet. Der Schirm- herr Christopher Hope hielt eine beeindruckende Eröffnungsrede. Er sprach von seiner Heimat, von seinem „home“, von Südafrika, dem Land, das er verlassen mußte Anfang der 70er Jahre, das ihm nur unter der Bedingung einen Paß ausstellte, nie mehr zurückzukommen. Sein Paß wurde ihm Ausbürgerungsurkunde. Mit viel Witz beschrieb Hope die traurigen Zustände in seinem Heimatland Südafrika. Wir erhielten eine Geschichtsstunde in literarischer Sprache. Ein Autor, den wir für uns wiederentdecken sollten. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion wurde er gefragt, wie er heute mit 80 Jahren, nach 50 Jahren im Exil, zu seinem „home“ stehe? Nun, sagte er zögerlich, wie zu einer alten Geliebten, von der er nicht wisse, ob er sie heiraten solle oder die nächste Klippe hinunterwerfen.

    Beim Sekt danach sprach ich ihn an, stellte mich vor als Mitglied unserer Gesellschaft, und sagte ihm, daß ich seinen Redetext sehr gerne hätte, seine feine Ironie würde mich an Thomas Mann erinnern. Die Falten seines alten Gesichts begannen zu strahlen.

    Die Vertreter der Körber-Stiftung versicherten mir, daß seine Rede publiziert würde, über welches Medium sei noch unklar. Ich werde sie nachreichen.

    Nun zu unserer Veranstaltung am 10. September im Haus an der Redoute, zum Vortrag von Prof. Friedhelm Marx „Thomas Mann im amerikanischen Exil“. Es liegen inzwischen 22 Anmeldungen vor, die Hälfte davon sind nicht Mitglieder unseres Ortsvereins. Wir sollten dies als Chance begreifen. Ich bitte einige Mitglieder schon um 18.30 Uhr vor Ort zu sein, also eine halbe Stunde vor Beginn. Wir bekommen den Saal sehr günstig, müssen aber selbst die Stühle rücken, den Eintritt kassieren, Bücher verkaufen, etc. Da der Platz im Haus an Redoute beschränkt ist, bitte ich darum, sich anzumelden, da ich niemanden wegschicken will.

    Stammtisch

    Nun endlich will ich von unserem Stammtischabend im Hause der Schlaraffia berichten. Wir wurden begrüßt von unserem Gastgeber Herrn Wolfgang Koehler, der die Gelegenheit nutzte, Werbung zu machen für seine Gesellschaft, die noch älter ist als Thomas Mann und in der sich Nachwuchssorgen breit machen. Er stellte sie vor als einen liberalen, weder konfessionell noch politisch gebundenen (Männer-) Verein, der dem Humor zugeneigt ist.

    Es waren 23 Mitglieder gekommen – mehr als zur Jahresmitgliederversammlung! Wir hatten den Raum für uns, störten also keine anderen Gäste, und so entwickelte sich die Veranstaltung weg vom Stammtisch hin zu einem Vortragsabend, was keineswegs schlecht war, da es allerhand zu berichten gab, insbesondere aus Davos von der Tagung: Hundert Jahre Thomas Manns Der Zauberberg – eben just im Ort des Geschehens der Romanhandlung.

    Patricia Fehrle faßte die Vorträge knapp und bündig zusammen, gab aber auch zu verstehen, sich auf deren Erscheinen im Jahrbuch zu freuen, da deren Inhalt zuweilen sehr komplex gewesen sei und ein Nachlesen sich sicher lohnt. Was man sich gönnen sollte – und hier geriet Frau Fehrle ins Schwärmen – ist ein Aufenthalt im Retrohotel Schatzalp. Ich werde dies jedenfalls in nicht allzu ferner Zukunft tun, allerdings ohne die Tage in einem klimatisierten Vortragssaal zu verbringen.

    Frau Fehrle übergab dann das Wort unserem „Musiker“ Bernhard F. Schoch, der über das musikalische Begleitprogramm berichtete und insbesondere auf den Vortrag von Dr. Robert Grossmann einging. Grossmann ist der Komponist der Zauberberg-Oper, die 2002 in Chur uraufgeführt wurde. Zehn Jahre hatte er daran gearbeitet, über aller Versunkenheit in das Projekt scheiterte seine Ehe, um die Uraufführung möglich zu machen, schoß er privates Kapital hinzu und hatte am Ende nur sehr mäßigen Erfolg. Herr Schoch war voll des künstlerischen Mitgefühls.

    Herr Pfeifer berichtete dann von einer privaten Reise nach Davos, wozu er eine Reihe von herrlichen Landschafts- und Architekturaufnahmen präsentierte. Da die Zeit schon fortgeschritten war, konnte er seinen Vortrag zur Entstehungsgeschichte des Romans und seines persönlichen Verhältnisses zum Zauberberg leider nicht zu Ende bringen.

    Ich hatte noch Gelegenheit, mit unseren Übersetzern der Hommage à Thomas Mann zu sprechen. Die Edition dieses Werks wird noch in diesem Jahr in Angriff genommen.

    Viele Dinge sind zu klären, Urheberrechtsfragen, Finanzierung, etc. Ziel ist es, dieses Buch zum 150.- Geburtstag Thomas Manns vorliegen zu haben und eine entsprechende Veranstaltung hierzu auf die Beine zu stellen.

    Unser nächster Stammtisch wird im Gasthaus Nolden in Bonn-Endenich stattfinden, und zwar am Donnerstag, den 14.November um 18.00 Uhr. Bitte vormerken, weitere Details folgen.

    Georgien

    Hier gibt es zwei erfreuliche Nachrichten zu verkünden.

    Erstens: Die fünf Paten für die georgischen Mitglieder haben sich gefunden – schönen Dank dafür.

    Zweitens: In Lübeck fand sich eine Frau aus Georgien, die dort mit einem Herrn Hagenström verheiratet ist – und ich hatte immer gedacht, diesen Namen hätte Thomas Mann frei erfunden. Und was noch schöner ist: Unsere Natia darf die zur Tagung bei Hagenströms übernachten!

    Feuilleton

    Gemeinsam mit unserem Ortsvereinsmitglied Jutta Hartmann besuchte ich dieser Tage Polling. Sie hatte berichtet, daß dort ein Doktor-Faustus-Rundweg eingerichtet sei, diesen galt es zu besuchen. Wir trafen uns dort mit Dr. Fritz Wambsganz, der eben jenen Rundweg eingerichtet hat und dafür sorgte, daß Faltblätter in der Touristen-Information der Gemeinde ausliegen.

    Mit dem Ort muß ich beginnen: Er hat kaum 2000 Einwohner und der Zug von München nach Garmisch rauscht seit Jahren an ihm vorbei. Man kann nicht mehr anreisen, wie weiland Zeitblom oder Leverkühn, weshalb wir in Murnau übernachteten.

    Dann zur Klosteranlage: Sie wurde zu Napoleons Zeiten säkularisiert, aber die gewaltigen Gebäude sind noch vorhanden, werden von Behörden genutzt, ein Pflegeheim wird eingerichtet, etc. Die Klosterkirche nimmt sich aus wie eine Kathedrale, im Äußeren zurückhaltend gestaltet, im Innern schwülstig Barock – nicht mein Ding.

    Dann der Hof der Familie Schwaiger, im Roman der Schweigestills: Er ist alles andere als ein gewöhnlicher Bauernhof, wie ich ihn im Sinn hatte: Er war der Maierhof des Klosters, geht wie die gesamte Anlage auf das 14. Jahrhundert zurück und hat gewaltige Ausmaße. Der Hof an sich beinahe so groß wie ein Fußballfeld, zwei altersschwache Linden brechen seine Größe. Alles ist in Privatbesitz eines wohlhabenden Anwalts, dessen Hobby es ist, alte Mercedes-Sportwagen zu restaurieren. Genauso liebevoll und denkmalgerecht geht er mit den alten Gebäuden um. Neben der riesigen Scheune, heute Werkstatt, gibt es zwei Wohnhäuser: Das frühere Bauernhaus und das Haus des Abtes, in dem sich der uns bekannte Nike-Saal befindet. Er ist heute das Wohnzimmer einer jungen Familie, den Mietern dieser Etage des Abthauses. Dr. Wambsganz ermöglichte uns den Zugang in den besagten Saal, der nicht größer ist, als unser aller Wohnzimmer – allein auf ein Kreuzrippengewölbe müssen wir zuhause verzichten.

    Ein Spaziergang hinaus zum Klammerweiher am Fuße des Buchel, eines bewaldeten Höhenrückens, lohnt sich allemal. Insgesamt ist es kein Wunder, daß Thomas Mann dieser Ort mit seiner übergroßen Klosteranlage im Gedächtnis blieb nach ersten Besuchen im Jahr 1903.

    Ich erlaube mir noch, Sie auf einen kleinen literarischen Ausflug ins nahe Murnau mitzunehmen. Hier lebte und schrieb der Diplomatensohn Ödön von Horváth im Hause seiner Eltern in den Jahren 1923 bis 1933. In diesen Jahren wurde er bekannt als Autor provokanter Theaterstücke, weshalb der Freistaat Bayern ihm, dem gebürtigen Ungarn, 1928 die Einbürgerung verweigerte. Große Popularität und großen Haß zog er endgültig 1930 auf sich mit der Veröffentlichung seiner grandiosen Satire: „Der ewige Spießer“. Als 1933 Hitlers erste Rundfunkansprache auch in Murnau im Gasthof zur Post aus den Lautsprechern klang, bat Horváth die Wirtin, den Schreihals doch auszudrehen, worauf er von einigen SA-Leuten sehr unfreundlich hinausbefördert wurde.

    Diese Dinge sind im Schloßmuseum Murnau neben den Werken von Münter, Macke, Marc und Kandinsky sehr schön aufbereitet. Und 1933 begann eben Horváths Leben in Flucht und Vertreibung, womit wir wieder beim Anfang des Rundbriefs angekommen sind. 1937 erschien bei Allert de Lange in Amsterdam sein großartiger Roman „Jugend ohne Gott“, der Geschichte eines Lehrers im dritten Reich, der sich im Unterricht erlaubte zu sagen: „Neger sind auch Menschen.“ Die Empörung richtete sich nicht gegen das N-Wort, sondern gegen dieses liberale humanistische Gefasel. Thomas Mann soll in einem Brief an Carl Zuckmayer geschrieben haben, er halte dieses Buch als das beste der letzten Jahre.

    Im Mai 1938 macht Horváth in Paris die Bekanntschaft mit Klaus Mann („Netter, seltsamer Mensch“ KM, Tagebuch) bevor er ein paar Tage später auf den Champs Elysées von einem Baum erschlagen wird. Dazu Klaus in seinem Tagebuch: „Ihm kam der Tod. NEID.“

    Es wäre schön, wenn wir uns Dienstag in acht Tagen im Haus an der Redoute sehen würden.

    Es grüßt herzlich Ihr Peter Baumgärtner

  • Rundbrief Nr. 65 + Flyer Thomas Mann im amerikanischen Exil + Info Tage des Exils

    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    endlich ist der Sommer nun auch bei uns angekommen, und ich hoffe, Sie haben für sich ein kühles Plätzchen gefunden. In gut vier Wochen werden wir an einem kühlen Plätzchen zum Stammtisch zusammenfinden, und zwar im Haus der Schlaraffia Bonn, am 19. August um 19.00 Uhr in der Schedestraße 17, ganz in der Nähe der U-Bahn- Station Museum Koenig. Wolfgang Koehler, unser Mitglied, das uns dorthin eingeladen hat, bittet um Anmeldung, damit am Abend die Getränke nicht ausgehen.

    Im Vorfeld der Jahrestagung in Lübeck gibt es sicher viel zu bereden, und ich hoffe auch darauf, daß das ein oder andere Mitglied aus Davos wird berichten können. Als Ergebnis wünsche ich mir Anregungen, Ideen und Vorschläge für weitere Veranstaltungen in Herbst und Winter dieses Jahres.

    Die „Tage des Exils“ werden erste Höhepunkte bringen. Sie finden statt vom 30. August bis zum 14. September in Bonn und werden veranstaltet von der Körber- Stiftung in Zusammenarbeit der Stadt Bonn. 40 Veranstaltungen beleuchten dieses Thema in nur 15 Tagen. Das Beethoven-Haus bringt sich in ganz besonderer Weise in die Veranstaltungsreihe ein. So fand die Pressekonferenz zur Vorstellung des Programms im Kammermusiksaal statt. Malte Boecker, der Direktor des Beethovenhauses, betonte in seinem Grußwort, daß Beethoven zwar kein Exilant gewesen sei, aber in kriegerischen Zeiten viel Flüchtlingselend gesehen habe und stets die Idee der Gedankenfreiheit des Menschen hochgehalten habe.

    Und um nichts Geringeres geht es.

    Die ersten „Tage des Exils“ fanden 2016 in Hamburg statt und waren damals eine fast ausschließlich literarische Veranstaltungsreihe. Das aktuelle Programm wird von einem breiten Spektrum von Kultureinrichtungen und gesellschaftlichen Gruppen getragen, von Theatern, Kinos, Kirchen, Bildungseinrichtungen – keinen Parteien. Jedenfalls ist man froh, daß mit unserem Ortsverein auch eine literarische Gesellschaft an der Reihe teilnimmt.

    Wir werden vertreten durch Prof. Dr. Friedhelm Marx, einem der Vize-Präsidenten unseer Gesellschaft, der bereits Stipendiat im Thomas-Mann-Haus in Pacific-Palisades gewesen ist und daher prädestiniert, über das Leben Thomas Manns im Exil zu berichten.

    Die Kosten für das Veranstaltungsmanagement, die Plakatierung in der Stadt und für die Herstellung einer 50-Seitigen Broschüre trägt die Körber-Stiftung. Zum Stammtisch werde ich einen Stapel davon mitbringen, unsere Seite finden Sie im Anhang als PDF. Eine tolle Gelegenheit, uns in weiten Kreisen der Stadt bekannt zu machen.

    Als Schirmherr für die „Tage des Exils“ konnte Christopher Hope gewonnen werden, der Vater des weltberühmten Geigers und Präsidenten der Beethoven- Gesellschaft Daniel Hope. Christopher Hope ist ein in Südafrika berühmter Schriftsteller, der schon in den 50er Jahren von dort ins Exil nach London vertrieben wurde. Der Grund: Er hatte sich vehement für die Gleichberechtigung der Schwarzen ausgesprochen und war dem Apartheit-Regime verhaßt. Einige seiner Werke wurden vor rund 30 Jahren in deutscher Sprache herausgeben. So der schmale Band „Goldstück“.

    Die drei Erzählungen darin spielen in einer uns sehr fernen Welt, im Südafrika der frühen 50er Jahre, den Kinderjahren von Hope, und mit naiven Blicken betrachtet der Erzähler seine Welt, eine Welt der Apartheit, in die verwundete und erschöpfte schwarze Soldaten zurückkehren. Sie hatten gegen Hitler gekämpft und nun sollen sie sich wieder in ihre Sklavenrolle begeben. Miniaturen großer Eindringlichkeit.

    Unter koerber-stiftung.de/projekte/tage-des-exils/tage-des-exils-bonn/ können Sie sich auch schon vorab über das Programm informieren und Karten für Einzelveranstaltungen bestellen. Auch für unsere Veranstaltung im Haus an der Redoute am 10.9. bitte ich um Anmeldungen – der Platz dort ist beschränkt.

    Georgien

    Der uns wohlbekannten Frau Dr. Natia Tscholadze ist es gelungen, eine stattliche Anzahl von Mitgliedern für den Freundeskreis Thomas Mann in Georgien zu gewinnen.

    Alleine neun haben sich bereits zur Jahrestagung nach Lübeck angemeldet! In den politisch so angespannten Zeiten kann dies nur als überdeutliches Zeichen gelesen werden für den Wunsch, sich aus der Enge der russischen Umklammerung zu lösen und dem freiheitlichen Westen, der Freiheit des Geistes, zuzuwenden. Unsere literarische Gesellschaft kann hierzu nur einen kleinen Beitrag leisten, aber einen dennoch wichtigen: Es ist wichtig für die Menschen dort, von Freunden im Westen zu wissen.

    Diese Idee wird, wie ich im entsprechenden Rundbrief schon schrieb, auch vom Vorstand unserer Gesellschaft mit Nachdruck unterstützt, unter anderem mit dem reduzierten Beitragssatz. Fünf der inzwischen zahlreichen Mitglieder des georgischen Freundeskreises (spätestens zur Jahrestagung erhalten Sie die genaue Zahl) haben auch Probleme, die 30.- Euro jährlich aufzubringen. Ich hatte daher zur Bereitschaft aufgerufen, Beitritts-Patenschaften für solche Mitglieder zu übernehmen. Drei entsprechende Bekundungen sind bei mir eingetroffen – ich bitte um weitere.

    Die Reisekosten nach Lübeck zur Jahrestagung der neun Mitglieder aus Georgien sind gemessen an den dortigen Einkommensverhältnissen erheblich. In Abstimmung mit Frau Jelen möchten wir auch hier unbürokratisch helfen. Die Tagungsgebühr kann aus formalen Gründen unseren Gästen nicht erlassen werden – aber durch Spenden beglichen. Denken Sie darüber nach. Spätestens beim Stammtisch werden wir darüber sprechen.

    Feuilleton

    Zum Schluß soll Thomas Mann nochmals zu Wort kommen: Und zwar mit einem Literaturtipp: 1922 erschien der Roman „Nero“ von Dezö Kostolányi. Er wurde zuweilen auch unter dem Titel „Der blutige Dichter“ auf Deutsch verlegt, jedenfalls muß ihn Thomas Mann alsbald gelesen haben, denn schon am 4. April 1923 schrieb Thomas Mann Kostolányi einen begeisterten Brief: „…Sie gestalten, sage ich, unter historischem Namen Menschlichkeiten, deren Intimität aus letzten Gewissenstiefen stammt.“ Sie gaben in geruhig-herkömmlicher Form ein freies und wildbürtiges, ein irgendwie ungeahntes Buch.“ Wildbürtig – welch wundersames Wort, das von meinem Rechtschreibprogramm fett unterstrichen wird. Ich würde sagen, Kostolányi hat in seinen Schilderungen ziemlich dick und pastös aufgetragen. Dennoch: auch wenn einem die Geschichte von Nero, Agrippina und Seneca geläufig ist, so kann ich den Roman als Urlaubslektüre sehr empfehlen.

    Thomas Mann schien der Roman bedeutsam genug, daß er seinen begeisterten Brief dazu in seine Essay-Sammlung „Bemühungen“ von 1925 aufnahm.

    Einstweilen wünsche ich Ihnen schöne Sommertage und sage auf bald Ihr Peter Baumgärtner



    Körber-Stiftung und Bundesstadt Bonn richten in Kooperation erstmalig die Tage des Exils Bonn aus.

    Der Veranstaltungszeitraum ist vom 30. August bis zum 14. September 2024. Schirmherr ist der südafrikanische Schriftsteller Christopher Hope, Vater des Geigers Daniel Hope, der aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber dem Apartheid-Regime in den 70er Jahren ins Exil gehen musste.

    Die Tage des Exils sind ein publikumsorientiertes Veranstaltungs- und Begegnungsprogramm. Es gibt Menschen im Exil eine Plattform und schlägt die Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Im Fokus stehen historisches Exil aber auch aktuelle Phänomene von Exil.

    Die Veranstaltungen regen zu Dialog und Verständigung zwischen Alt- und Neubürger*innen an, um so zum besseren Zusammenhalt in der Stadt beizutragen. Die Tage des Exils finden seit 2016 regelmäßig in Hamburg statt, in weiteren Städten wie Frankfurt

    a. M., Berlin und 2024 erstmalig in Bonn ist das Programm ebenfalls präsent.

    Die Tage des Exils laden dazu ein, historischen und aktuellen Erfahrungen von Exil nachzugehen. Sie rücken Menschen in den Vordergrund, die aus ihren Ländern geflohen sind, weil sie in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt oder an Leib und Leben bedroht wurden und auf Schutz im Exil angewiesen sind. Das Veranstaltungsprogramm ist breit gefächert und regt zum Nachdenken über Heimat, Zugehörigkeit, Fremdheit und Entwurzelung an.

    Alle Kultursparten, interessierte Vereine sowie Institutionen sind herzlich eingeladen, für das Thema Exil zu sensibilisieren, darüber zu informieren und künstlerisch erlebbar und sichtbar zu machen. Dabei soll eine interkommunikative Plattform der Begegnung, des künstlerischen Austausches, des Dialoges und der Erinnerung geschaffen werden.

  • Rundbrief Nr. 64

    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    diente der letzte Rundbrief der Vorschau auf kommende Veranstaltungen, so blicke ich heute auf diese beiden sehr gelungen Termine gerne zurück:

    Am vergangenen Montag las Bernt Hahn weite Teile des Schnee-Kapitels aus dem Zauberberg im Hotel Excelsior Ernst in Köln vor einem voll besetzten Raum. Was heißt er las? Er gestaltete den Text, brachte die Musik der Sprache Thomas Manns zum Klingen. Das eingewobene Nachdenken über den Tod und das Leben glaube ich an diesem Abend ganz neu und tief verstanden zu haben. Fast vierzig Zuhörer lauschten dieser angenehmen Stimme anderthalb Stunden ohne das leiseste Stühlerücken. Nach dem rauschenden Applaus klang der Abend noch lange in der Hotelbar aus.

    Im Nachgang dankte ich nochmals dem Hoteldirektor, uns den Raum zur Verfügung gestellt zu haben. Auch das Personal des Hauses war sehr bemüht, es uns an nichts fehlen zu lassen. Kein Wunder, daß in der Bar schon Ideen gesponnen wurden, wie man in dem Hause, in dem Thomas Mann 1927 mit seiner Familie übernachtete, auch dessen 150. Geburtstag feierlich begehen könnte – doch davon reden wir ein andermal.

    Auch die Führung von Herr Prof. Büning-Pfaue „Pflanzen im Werk von Thomas Mann“ im Botanischen Garten in Bonn war ein großer Erfolg. Unterstützt von Frauke May-Jones und Dorothee von Hoerschelmann wurden rund 30 Personen durch den Garten geführt. Aufgrund der großen Nachfrage hatte man mehr Personen zugelassen als ursprünglich vorgesehen, was zuweilen zu akustischen Problemen führte. Nicht nur deshalb wurde die Idee geboren, die Textvorlage von Herrn Büning-Pfaue durch Bilder der entsprechenden Pflanzen zu ergänzen und damit unsere Schriftenreihe zu ergänzen. Ein Teilnehmer der Runde – ein Botaniker – merkte an, daß Thomas Mann die wissenschaftlichen Fakten zuweilen etwas dichterisch zurechtgebogen hat. Auch dies – die dichterische Freiheit! – könnte Gegenstand des Heftes werden.

    Wenn wir uns zum nächsten Stammtisch (im August im Haus der Schlaraffia, den genauen Termin schicke ich noch rund) treffen, sollten wir uns über eine solche Projektidee austauschen. Dann werde ich auch über die Pressekonferenz zu den Tagen des Exils im Kammermusiksaal des Beethovenhauses berichten

    Georgien

    Im Namen unserer georgischen Freundinnen und Freunde bedanke ich mich für die großzügigen Spenden, die nach dem Sonderrundbrief eingegangen sind. Ich konnte inzwischen schon 850.- Euro auf Umwegen nach Georgien anweisen. Im Oktober finden dort Parlamentswahlen statt. Es gibt große Sorgen, daß diese unter der Wahrung der Chancengleichheit durchgeführt werden – Natia Tscholadze wird uns darüber berichten.

    Die Zuwendung von unserer Seite hatte auch eine ganze Reihe von Mitgliedsanträgen in Lübeck geführt. Das freut mich sehr: Die Internationalität unserer Gesellschaft wird gestärkt. Wie Sie wissen, wurde im Vorstand beschlossen, daß Beitrittswilligen aus noch einkommensschwachen Ländern der Studententarif als Mitgliedsbeitrag angeboten wird, 30.- Euro pro Jahr. Aber auch diese sind – zum Beispiel für Studierende in Georgien – noch sehr viel Geld. Daher erklärte ich mich gerne bereit, um Beitragspaten zu werben, um junge Menschen in diesem gar nicht so fernen Land dabei zu unterstützen, die Erinnerung an das Werk Thomas Manns zu pflegen und damit dem Kulturaustausch zu dienen. Es würde mich freuen, wenn ich hierfür einige Signale von Ihnen bekommen könnte.

    Einstweilen wünsche ich Ihnen schöne Sommertage und sage auf bald Ihr Peter Baumgärtner

  • Sonder-Rundbrief Georgien (Nr. 63)

    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    ein Dichter, der „in die politische Arena hinabsteigt“ wird schnell mit einem „subalternen Hohn“ belegt, er möge sich doch ans „Geistige“ halten – so schrieb Thomas Mann im Nachwort zu Romain Rollands Dokumentation „Spanien – Menschen in Not“ (1937), mit dem er jenen Pazifisten Rolland unterstütze, den er in seinen Bekenntnissen noch hart angegangen war. Rolland sei ebenso wenig Politiker wie er, und dennoch: „Ja, es ist das Eigentliche, ist das Entscheidende: In der Gestalt des Politischen ist uns heute die Frage des Menschen selbst mit einem letzten und lebensgefährlichen Ernste gestellt, die frühere Zeiten nicht kannten…“

    Diese Worte klangen in meinen Ohren, als ich diese Woche las, daß die prorussische Regierung Georgiens auch in zweiter Lesung jenes Gesetz beschlossen hat, das aus allen westlichen Unterstützern feindliche Agenten macht – und habe mich dann entschlossen, gegen jenes Gesetz unverzüglich zu verstoßen.

    Auch wenn die Staatspräsidentin mit ihrem Veto das Inkrafttreten des Gesetzes aufschieben kann, ist davon auszugehen, daß das Parlament dieses Veto überstimmt. Ich sagte Natia Tscholadze zu, für sie und ihre Freunde Geld zu sammeln, um ihre Kampagne für Freiheit und Demokratie zu unterstützen. Sie bedankte sich mit einem langen Brief, hier der erste Absatz:

    Lieber Peter, ich komme aus dem Schock von gestern nicht heraus. Wie kann man sein eigenes Land und sein eigenes Volk verkaufen? Ich wünschte, ich könnte sehen, was diese 83 Menschen gedacht haben, als sie diesem Gesetz zugestimmt haben. Das ist die kommunistische Einparteienherrschaft. Es gibt keine Worte, um meine Wut und meine überwältigenden Gefühle auszudrücken, weder auf Georgisch noch auf Deutsch.

    Aber wenn die heutigen Ereignisse in den deutschen Medien behandelt würden, dann würde man sehen, dass das georgische Volk keinen Terror fürchtet und weiterhin vereint und unermüdlich für eine bessere Zukunft kämpft.

    Heute sind auch die europäischen Außenminister zur Demonstration gekommen und haben mit ihrer Unterstützung unsere Jugend noch mehr gestärkt.

    Zu deiner Frage: Wie geht es weiter? Ich sage dir, dass wir bisher nur Einwände gegen das Gesetz erhoben haben, jetzt wird lautstark der Rücktritt dieser prorussischen Regierung gefordert. Das ist nicht das Ende der Geschichte. Alles liegt noch vor uns.

    Im Weiteren haben wir uns darüber unterhalten, wie das gesammelte Geld nach Georgien transferiert werden kann, ohne uns als Absender zu demaskieren und dies als private Überweisung erscheinen zu lassen, wie sie alltäglich von im Ausland lebenden Georgiern vorgenommen wird. Über Details möchte ich hier nicht halböffentlich sprechen.

    Es würde mich freuen, wenn auch Sie bereit wären, mit einem kleinen Geldbetrag unseren georgischen Freundinnen und Freunden zu helfen. Es müssen Plakate, Flyer und Medienauftritte finanziert werden! Ich werde die Sache über unser Vereinskonto abwickeln. Entsprechende Spenden bitte unter dem Stichwort „Georgien“ auf unser Konto bei der Sparkasse Köln-Bonn anweisen:

    DE86 3705 0198 1902 2707 17

    Wir wissen nicht, ob diese Initiative die gewünschten Früchte trägt. Thomas Manns Ansprachen an Deutsche Hörer hatten am Ende keinen meßbaren Erfolg. Aber er blieb den Worten treu, die er an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn gerichtet hatte, sich darin als einen Menschen beschreibt, „dem immer gegeben war, sich auszudrücken, sich im Worte zu befreien, dem immer Erleben eins gewesen war mit reinigend bewahrender Sprache.

    Möge dieser „Geist“ Thomas Manns die liberalen und humanen Hoffnungen in Georgien stärken. Ich bitte, mir diesen bescheidenen „Hauch von Pathos“ nachzusehen. Ich denke, er ist diesem ernsten Thema angemessen und sollte auch am Fest der Geistausgießung gestattet sein…

    Mit besten Wünschen zu Pfingsten Ihr Peter Baumgärtner

    PS: Für die Veranstaltung im Excelsior sind bislang erst 11 Anmeldungen bei mir eingegangen.

  • Rundbrief Nr. 62 + Brief von Natia Tscholadze | Flyer 100 Jahre Der Zauberberg

    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    beginnen will und muß ich mit unserem wundervollen Stammtischabend! Dreizehn Leute saßen an einem langen Tisch und unterhielten sich drei Stunden lang sehr angeregt, ohne Tagesordnung aber mit wechselnder Sitzordnung, alle verhielten sich frei und ungezwungen. Keine akademischen Höhenflüge, sondern einfach gebildete Leute unter sich mit einem gemeinsamen Lieblingsautor, auf den man sich aber keinesfalls beschränkte. So habe ich mir das Vereinsleben immer vorgestellt – und ich denke, die anderen Anwesenden auch. Ein nächster Termin wurde sogleich gesucht und gefunden: Wir sehen uns wieder am 19. August im Haus der Schlaraffia in der Schedestraße – ich werde nochmals daran erinnern!

    Bei dieser Gelegenheit machte Herr Prof. Hans Büning-Pfaue auf seine Führung „Pflanzen im Werk von Thomas Mann“ im Botanischen Garten beim Poppelsdorfer Schloß am Samstag, den 25. Mai um 16.00 Uhr aufmerksam. Er wird dabei unterstützt von unseren Vorstandsmitgliedern Frauke May-Jones und Dorothee von Hoerschelmann. Die Führung wird veranstaltet vom Freundeskreis Botanische Gärten Bonn – und nur über diesen ist eine Anmeldung möglich. Die Teilnehmerzahl ist beschränkt und es sind nur noch wenige Karten übrig. Hier der Link zur Anmeldung:

    https://www.botgart.uni-bonn.de/de/freundeskreis/download/bestellformular-2024.pdf

    100 Jahre Zauberberg im Hotel Excelsior Ernst in Köln:

    Diesen Termin am 3. Juni mit Bernt Hahn am Lesepult kennen Sie bereits. Wie angekündigt, habe ich einen kleinen Flyer dazu entwickelt, den Sie im Anhang finden. Leiten Sie ihn gern an Freunde und Bekannte weiter, oder drucken ihn aus und verteilen ihn in dieser Form (jeweils drei auf einem Blatt!) Für diesen Abend sind schon einige Anmeldungen bei mir eingegangen. Daher nochmals die dringende Bitte, sich kurzfristig anzumelden. Ich werde den Flyer in wenigen Tagen auch in Kölner Buchhandlungen auslegen – ich möchte Herrn Hahn einen vollen Raum bieten und freue mich auf Ihr Kommen!

    Georgien

    Wie Sie sicher den Medien entnommen haben, hat die prorussische Regierung in Georgien ein Gesetz beschlossen, nachdem alle Einrichtungen, die aus dem Ausland Geldzuwendungen erhalten, unter Spionageverdacht gestellt und verboten werden können. Dies trifft auf den gerade gegründeten Thomas-Mann-Freundeskreis nicht zu. Dennoch ist die Empörung groß bei unseren liberal und freiheitlich gesinnten Partnern in Kuatissi und Tiblis. Lesen Sie hierzu den Brief von Natia Tscholadze im Anhang. Der Link führt zu einem Instagram-Filmchen, in dem der lautstarke Protest der insbesondere jungen Menschen gezeigt wird. Natia lud mich schon mehrfach ein, Sie und ihre Freunde in Georgien zu besuchen. Wir sollten beim nächsten Stammtisch darüber sprechen, ob wir eine gemeinsame Reise dorthin organisieren.

    Feuilleton

    Bernhard F. Schoch machte mich auf das Büchlein von Uwe Timm „Den Zauberberg neu lesen“ aufmerksam. Es erschien bereits 2012 im Verlag der Buchhandlung Klaus Bittner in Köln; es handelt sich um die Niederschrift eines Vortrags, den Timm in Augsburg gehalten hatte. Ich habe den Text mit Begeisterung gelesen; die Besonderheit an ihm ist Timms literarischer Zugang, seine Lust am Genuß der Sprache, und man glaubt wahrlich, diesen großen Roman neu zu entdecken. Klaus Bittner hat noch ein gutes Dutzend Exemplare des Buches auf Lager, ein Gutteil davon handsigniert. Besuchen Sie seine Buchhandlung – Sie werden ein famoses Sortiment vorfinden!

    Jean Améry und Thomas Mann

    Vor einigen Wochen war der uns wohlbekannte Hanjo Kesting in der Buchhandlung Böttger in Bonn und stellte sein bereits vor 10 Jahren erschienenes Buch „Augenblicke mit Jean Améry“ vor.

    Im langen Gespräch danach beim Wein schilderte uns Herr Kesting Jean Améry als sehr liebenswerten Menschen, dessen beinahe angekündigter Freitod ihn bis heute tief berührt. Der Blick aus diesem tiefzerfurchten Gesicht, in dem sich alles erlittene Leid wie auch sein brillanter Geist ausdrückt, bleibt jedem eingebrannt, der ihm begegnet ist.

    Kesting hob auch hervor, daß Améry sich intensiv mit Thomas Mann beschäftigte. Am ausführlichsten in seinem Text „Bergwanderung – Noch ein Wort zu Thomas Mann“.

    Dieses „Wort“ umfaßt 26 Seiten, und entstand 1975. Zum hundertsten Geburtstag des Dichters hatte man Améry um einen Text bedrängt, und er hebt an mit der Feststellung, daß eigentlich schon alles gesagt sei zu Thomas Mann, man alle Aspekte seines Werks schon durchleuchtet hätte – nicht ahnend, was in den nächsten 50 Jahren noch geschrieben werden würde…

    Améry legt seinen Text als literarische Metapher an, er benutzt das Bild einer Bergwanderung, dessen Gipfel unerreichbar ist und unergründlich, und dies, obgleich er seit 45 Jahren mit Manns Werk befaßt ist. Das Ganze ist der Versuch der Beschreibung einer unergründlichen Liebe. Mit dem geistigen Besteck seines geistigen Mentors Sartre bekommt Améry Mann nicht zu fassen, und große Denker wie Adorno nähmen sich ihm gegenüber aus wie „das »Schwätzerchen« Naphta neben dem keinen Satz zu Ende bringenden Peeperkorn.“

    Améry nähert sich Mann mit dem Dualismus „Weichheit und Majestät“ – eine wunderbare Passage des Textes, einem Bekenntnis zur Emotion, das Améry im gesamten Werk Manns ausfindig macht, anhand von vielen Figuren, doch die Liebste ist ihm Detlev Spinell mit seinem Satz: „Ich habe dieses Leben nicht gemacht, ich verabscheue es.“ Améry neidet es Thomas Mann, daß dieser bei aller „Sympathie mit dem Tode“ Lebensfunken daraus zu schlagen weiß, und dies eben in erster Linie mit den Waffen des Humors und der Ironie. Améry versteht diese Waffen gut zu beschreiben, versteht diese aber für sich nicht zu nutzen. Die Jahre im KZ und das Erleiden der Folter haben sie ihm zunichte gemacht. Doch gerade deshalb versucht Améry sich an Mann festzuhalten, der eben kein Denker war, sondern „träumerischen und unscharfen Geistes“. „Thomas Mann dachte mit Geist und Leib und Seele“ resümiert Améry und trifft damit den Punkt, dem alle Verehrer Thomas Manns fraglos zustimmen können.

    Wenn Améry von einem „letzten Wort“ zu Thomas Mann spricht, dann muß es zuvor andere gegeben haben. Ich machte mich auf die Suche und staunte, daß er Thomas Mann sehr häufig erwähnt, zuweilen nebenbei, oft an zentraler Stelle.

    Dies trifft insbesondere zu auf die Textsammlung „Unmeisterliche Wanderjahre“. Schon der Titel verrät: Die deutsche Literatur ist der wankende Grund, auf dem er stand. Aber nicht Goethe ist es, den er immer in gedanklicher Griffweite hat, sondern es ist Thomas Mann. In der Auseinandersetzung mit seiner eigenen Jugend bezeichnet Améry sich als Narr und fühlt sich in der „Schlafstroh-Jugend“ aus dem Faustus gut erfaßt. Im zweiten Kapitel, das die ersten Jahre nach 1933 beleuchtet, fällt der Satz: „… daß er, Thomas Mann, endlich, endlich auch sein Nein in allerschönsten Sätzen gesagt hatte, an den schweizerischen Würdenbold, an den Dekan der Universität Bonn…“

    Im letzten Kapitel der Wanderjahre versucht Améry die Strukturen seines Denkens und seiner Zeit zu erfassen. Ich maße mir nicht an, alles verstanden zu haben, aber erstaunlich auch hier sein Bezug zu Thomas Mann, und sei es nur um zum Ausdruck zu bringen, daß er die Gerätemedizin ablehne und den Rat eines Dr. Grabow vorziehen würde und lieber etwas Taube und Franzbrot essen. Bei der Erwähnung Leverkühns wird deutlich, daß Améry sich diesem seelenverwandt fühlt. Abseits der Welt in einer eigenen Sphäre der Geistigkeit. Hier liegt wohl die tiefe Sympathie mit Thomas Mann begründet – ich werde ihr weiter nachspüren.

    Auch Ihnen wünsche ich interessante literarische Entdeckungen und sage auf bald Ihr Peter Baumgärtner


    Brief von Natia Tscholadze

    Lieber Peter,

    es ist eine große Großzügigkeit von Dir und der gesamten Thomas-Mann-Gemeinschaft, in dieser schwierigen Zeit an mich zu denken. Hier herrscht wirklich Terror, eine unaufhörliche Konfrontation zwischen dem intelligenten georgischen Volk und der prorussischen Regierung. Was mich am meisten freut, ist, dass die gesamte georgische Jugend, einschließlich meines Sohnes, da ist und sich ihre Zukunft nicht nehmen lässt. Diese Regierung ist der Ausgangspunkt für alles, aber wir werden auch nichts aufgeben. Auch wenn es in Kutaissi Demonstrationen gibt, ist die Mehrheit der Bevölkerung nach Tiflis gekommen, deshalb sind sie bei uns nicht so groß. Ich möchte auch unbedingt nach Tiflis, aber leider ist mein Mann anderer Meinung, deshalb verfolge ich die Ereignisse nur im Fernsehen und im Internet.

    Außerdem kontaktieren mich mein Sohn und viele Freunde aus Tiflis über ihre Handys.

    Diese russische Barbarei in Georgien muss ein für alle Mal ein Ende haben. Das ganze georgische Volk ist bereits dieser Meinung. Jetzt hat die Regierung auch eine Demonstration zur Unterstützung dieses Gesetzes organisiert, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass alle, die dort waren, Beamte waren, die unter Androhung des Arbeitsplatzverlustes gezwungen wurden, an der Demonstration teilzunehmen. In der Nähe des Rathauses wurden Personenbusse eingesetzt. Dort waren alle „Unterstützer“ versammelt. Die Botschaften der Regierung wurden offiziell bestätigt und verteilt, mit genauen Anweisungen an bestimmte Personen: „1 Person aus jeder Familie“. Wegen unserer politischen Einstellung standen wir natürlich nicht auf diesen Listen. Aber sie schauen uns nicht freundlich an 🙂 Aber egal, diese Farce wird mit ihrer Herrschaft enden, der gesunde Menschenverstand wird nicht wieder unter dem russischen Stiefel zertrampelt werden. Das lassen wir nicht mehr zu. Es gibt Hoffnung, unsere europäischen politischen Freunde sehen deutlich die Selbstaufopferung des georgischen Volkes und sein Streben nach europäischen Werten.

    Was die Thomas-Mann-Gesellschaft in Georgien betrifft: Auch hier geben wir nicht auf, wir haben neue Mitglieder gewonnen. Am Sonntag ist das orthodoxe Osterfest in Georgien. Wenn das vorbei ist, werden wir alle zusammenkommen und neue Mitglieder aufnehmen.

    Ich arbeite gerade an einem Projekt, um die Geschichten von Thomas Mann in unseren Schulen zu fördern. Ich habe zwei Kurzgeschichten, die mit den Schülern erarbeitet werden. Das wird sehr interessant. Aber das alles nach dem Osterfest und auch nach dem friedlichen Ende dieser Unruhen.

    Vielen Dank für das Gedenken, die Unterstützung und die Ermutigung in dieser Zeit. Deine Natia

    PS: Ich habe wieder einen langen Brief verfasst 🙂

    https://www.instagram.com/reel/C6bZ02IMoxy/?igsh=MTNra3I5OW82MDNqeA==


    THOMAS MANN

    100 JAHRE
    DER ZAUBERBERG

    DER ORTSVEREIN BONN – KÖLN

    der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft

    lädt ein zur Lesung am 3.Juni ‘24 um 19.30 Uhr im Hotel

    EXCELSIOR ERNST

    es liest BERNT HAHN Anmeldung an baumgaertner@thomasmann-bonnkoeln.de

  • Rundbrief Nr. 61

    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    es ist mir eine Freunde, Ihnen mitteilen zu können, daß unsere Matinee mit Janka Zündorf ein voller Erfolg war: Der wunderbare Wohnraum unserer großzügigen Gastgeberin Frau Ulrike Keim – der ich an dieser Stelle im Namen des Vereins nochmals ausdrücklich danken möchte – war voll besetzt, und der Vortrag von Janka Zündorf mit dem Titel „Metapher, Mythos, Heilmittel: Milch und Milchkuren in Thomas Manns Werk“ setzte alle Anwesenden in Erstaunen: Sie bewies einen großen Überblick auf das Gesamtwerk von Thomas Mann und ihr Vortrag war wunderbar strukturiert, sie beleuchtete ihren Gegenstand von allen Seiten: der Kulinarik, der Mystik, der Medizin, der Sexualität, und zeigte daran exemplarisch, wie Thomas Mann all dieses mitgebrachte und angelesene Wissen zu Kunstwerken verschmolz, und damit Zeugnisse der Kultur seiner Zeit erschuf, etwas das ihn von allen anderen Schriftstellern seiner Zeit unterschied. Wir waren angenehm überfordert, konnten beim anschließenden kalten Buffet mit Milch und Schampus noch einige Punkte mit ihr ansprechen und sind dennoch froh, daß ihr Vortrag im Jahrbuch erscheint: Genau da gehört er hin, neben die Vorträge der alten Profis von der Thomas Mann Tagung. Janka Zündorf ist Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes (ein Name, der sich etwas überlebt hat). Jedenfalls ist es eine Freude zu sehen, daß das Geld bei ihr gut angelegt ist, und ich freue mich darauf, von Ihr noch vieles zu hören und zu lesen.

    Stammtisch

    Bei unserer Mitgliederversammlung hatten wir beschlossen, einen regelmäßigen Stammtisch einzurichten. Die Terminfindung gestaltet sich wie immer schwierig. Mit all jenen, die Interesse angemeldet haben, habe ich versucht, mich abzustimmen, aber einer oder eine ist immer verhindert. Und dennoch haben wir einen Termin gesetzt: 7.Mai 2024 um 18.30 im Restaurant DelikArt im Bonner Landesmuseum unweit des Bahnhofs. Ich freue mich auf den unmittelbaren Austausch mit Ihnen in entspannter Atmosphäre. Zwei bitten: Bitte kündigen Sie ihr Kommen einige Tage vorher bei mir an, damit ich einen entsprechend großen Tisch reservieren kann – und bringen Sie einen kleinen Hunger mit, wenn jeder nur ein Glas Wasser trinkt, werden wir nirgends lange gelitten sein.

    100 Jahre Zauberberg im Hotel Excelsior Ernst in Köln:

    Diesen Termin am 3.Juni mit Bernt Hahn am Lesepult hatte ich bereits angekündigt. Ich werde hierzu noch einen Flyer entwickeln, den Sie mit dem nächsten Rundbrief erhalen. Auch hier meine Bitte um Anmeldungen. Ich möchte Sie als Mitglieder und langjährige Interessenten unsere Arbeit bevorzugen. Ab Mitte Mai werde ich in der Lengfeld’ schen Buchhandlung – keine fünf Minuten vom Excelsior entfernt – eben jene Flyer auslegen. Dieser wunderbare Laden hat genau das Publikum, das sich für unsere Arbeit interessieren und von der Existenz unseres Vereins erfahren könnte.

    Ich wünsche allerseits schöne Ostertage und sage auf bald Ihr Peter Baumgärtner

  • Rundbrief Nr. 60

    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    am kommenden Sonntag den 10 März ist es so weit: Die Bamberger Studentin und Mitglied im Jungen Forum Janka Zündorf kommt nach Bonn. In einer Matinee um elf Uhr im Hause unseres Mitglieds Frau Ulrike Keim hält sie den Vortrag „Metapher, Mythos, Heilmittel: Milch und Milchkuren in Thomas Manns Werk“ zu Gast. In gekürzter Form konnten die Gäste der Internationalen Thomas Mann-Tagung in Düsseldorf ihren Vortrag bereits im Abendprogramm hören.

    In ihrer Ankündigung schreibt sie:

    ,,Es schimmerte weiße im Saale vor lauter Milch: an jedem Platz stand ein großes Glas, wohl ein halber Liter voll…“, heißt es im Zauberberg. Doch nicht nur hier, in beinah allen Werken Thomas Manns findet die Milch Eingang: Der ,,Erwählte“ Gregorius etwa saugt bei seinem Bußgang auf dem Felsen ,,Erdmilch“, den kränkelnden Großherzog Albrecht kann man geradewegs als passionierten Milchtrinker bezeichnen, im Faustus wird die Prostituierte Hetaera Esmeralda mit einer ,,Milchhexe“ assoziiert. Was es mit diesen Phänomenen auf sich hat, inwiefern hier Diskurse der Wende zum 20. Jahrhundert und metaphorische Überformungen Eingang finden, soll in diesem Vortrag umrissen werden. Schlaglichter sollen u.a. auch auf die ,,Blutmilch“, die ,,Milchbrüderschaft“ und das ,,Milchige“ als Atmosphärenbegriff geworden werden.

    Auch wenn ich sie schon in Düsseldorf gehört habe, bin ich sehr gespannt. Wie bereits angekündigt, ist der Platz im schönen Wohnzimmer von Frau Keim beschränkt. Es sind schon einige Anmeldungen bei mir eingegangen, daher hier nochmals die Bitte, dies unbedingt zu tun. Die Freunde unseres Ortsvereins bitte ich um Verständnis dafür, daß ich unsere Mitglieder nach oben auf die Liste setze, und dann leider Absagen erteilen muß, wenn die Liste zu lang wird.

    Weitere Vorankündigungen:

    Am 3.Juni sind wir im Hotel Excelsior-Ernst in Köln zu Gast. Im Gereons-Saal mit Blick auf den Dom wird Bernt Hahn aus dem Zauberberg lesen, wahrscheinlich aus dem Schneekapitel. Halten Sie sich den Abend frei. Weitere Details folgen.

    Die Thomas-Morus-Akademie in Bensberg veranstaltet am 4. und 5. Mai ein literaturgeschichtliches Seminar zum 100.Geburtstag eines Klassikers: Thomas Manns Zauberberg. Ich bin dann leider oder zum Glück in Urlaub. Es wäre schön, wenn unsere Ortsverein vertreten wäre. Dort trifft man immer wieder Menschen, die unseren Ortsverein nicht kennen.

    Im Mai wird uns Herr Prof. Büning-Pfaue wieder durch den Botanischen Garten führen. Der genaue Termin steht noch nicht fest.

    Das Protokoll unserer Jahresmitgliederversammlung reiche ich in Kürze nach.

    Ich grüße allerseits in den Vorfrühling hinein und sage auf bald Ihr Peter Baumgärtner

  • Rundbrief Nr. 59

    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    im Vorfeld der Jahresmitgliederversammlung verzichte ich auf einen Ausblick auf das Jahr 2024 und berichte nur über die beiden Veranstaltungen am vergangenen Wochenende, die ganz neue Erfahrungen und Chancen in unser Vereinsleben einbrachten.

    Zunächst zum literarisch-musikalischen Abend mit Johanna Krumstroh und Oli Bott.

    Leider brach an diesem Abend der Winter über uns herein verbunden mit Eisregen und Straßenglätte, sodaß von den rund 40 angemeldeten Personen nur rund 30 die Anreise wagten. Dies war ausgesprochen schade, da, wie ich am Ende den beiden Künstlern sagte, wir die Sprache Thomas Manns noch nie so eindringlich hatten erleben dürfen wie an diesem Abend. Johanna Krumstroh las den Text nicht, sie spielte ihn: sie gestikulierte, sie modulierte ihre Stimme, sie ahmte dialektale Färbungen nach – man versank im Geschehen!

    Frau Krumstroh war auf den Spuren von Gerda Arnoldsen, auf den Spuren der Musik in den Buddenbrooks und wurde kongenial begleitet vom Vibraphonisten Uli Bott aus Berlin. Uli Bott ist zuhause im Free-Jazz wie auch in der Klassik – beides stellte er unter Beweis: den sprachlichen Vortrag untermalte er mit zarten Klängen, stets die Dramatik der Szenen unterstreichend, und zwischen den Kapiteln schob er als Intermezzi Solostücke ein, an einer Stelle ein Violinkonzert von Bach – auf dem Vibraphon! Ganz neue Klangerlebnisse für uns alle.

    Die beiden spielten anderthalb Stunden ohne Pause, alle lauschten gebannt diesem Sprach- und Musikerlebnis und spendeten am Ende lang anhaltenden Beifall.

    Ein letztes Wort zum Haus an der Redoute: Ich bin sehr froh, von den Freunden des Schauspiels Bonn auf die Nutzungsmöglichkeit dieses wahrlich historischen Gebäudes (errichtet 1790) aufmerksam gemacht worden zu sein. Es bietet einen einfachen und dennoch prachtvollen Rahmen (die Familie Buddenbrooks hätte sich darin wohlgefühlt) und wir konnten es als Bonner Verein für kleines Geld anmieten. Dies wird noch öfter geschehen.

    Im Anhang an den Rundbrief sehen Sie Johanna Krumstroh und Oli Bott in Aktion.

    Noch einige Worte zum Seminar „Die Manns und die Männlichkeit“ in der Thomas-Morus-Akademie in Bensberg. Ich hatte mich angemeldet, da dort der von mir hochgeschätzte Thomas Wortmann als Referent auftrat. Er hielt erfrischend lebendige Vorträge zum Frühwerk der Manns mit dem besonderen Augenmerk auf die Darstellung von Männlichkeit. Man mag die Erkenntnis schlicht bezeichnen, daß insbesondere im Frühwerk Thomas Manns nur schwache, gebrochene und zerbrechliche Männerfiguren auftauchen. Ein sehr spannendes Thema, zumal auch in den Werken des dann schon berühmten Schriftstellers Thomas Mann eher schwache Männerfiguren im Mittelpunkt stehen, man denke an Hans Castorp und Adrian Leverkühn – und schon in den Buddenbrooks sitzen bekanntlich am Ende nur noch Frauen zusammen.

    Zu diesem Themenkomplex gab Thomas Wortmann zusammen mit Sebastian Zille 2016 den sehr lesenswerten Band „Homme fragile“ heraus, in dem Beiträge von insgesamt 15 Autoren zum Thema versammelt sind.

    Sein Co-Referent war Rolf Füllmann aus Köln; Er hatte einen Stapel von Fehldrucken seines Handbuchs zu Thomas Mann (in der Reihe Literatur kompakt) dabei, die er zu fünf Euro feilbot, und den Ertrag unserem Ortsverein als Spende überließ. Ich danke nochmals auf diesem Wege.

    Zum Abschluß empfehle ich Ihnen dringend, die Seminare der Thomas-Morus-Akademie wachsam im Auge zu behalten. Diese bietet ein außerordentlich interessantes Programm in einem gediegenen und gleichzeitig modernen Ambiente. Über eine Zusammenarbeit unseres Ortsvereins mit der Akademie wird nachgedacht.

    Ich wünsche Ihnen allseits alles Gute und an die Mitglieder unseres Ortsvereins gewandt wünsche ich mir, möglichst viele von Ihnen zu sehen bei unserer Mitgliederversammlung, herzlich Ihr Peter Baumgärtner


    Johanna Krumstroh und Oli Bott in Aktion

  • Rundbrief Nr. 58

    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    in diesem Rundbrief möchte ich in erster Linie an Termine am Anfang des nächsten Jahres erinnern. Schon ganz bald, am 12. Januar ‘24 dürfen wir das Literaturkonzert mit dem Titel: „Die Buddenbrooks und die Musik“ erleben, und zwar im Haus an der Redoute in Bad Godesberg um 19.00 Uhr. Die Schauspielerin Johanna Krumstroh wird begleitet vom Vibrafonisten Oli Bott sicher einen eindrucksvollen Abend bereiten. Frau Krumstroh legt Wert darauf zu erwähnen, daß sie dieses Literaturkonzert im Auftrag des Literaturbüros Ostwestfalen-Lippe geschrieben hat. Eine tolle Institution mit einem eindrucksvollen Programm. Schauen Sie sich auf deren Seite im Netz um!

    „Die Musik im Hause Buddenbrook spielt zuweilen eine große Rolle. Die Charaktere werden durch sie gezeichnet – durchaus amüsant, wie der Herr Organist Edmund Pfühl – oder mit geheimnisvoller Ausstrahlung, wie Gerda mit ihrer Stradivari.

    Die Musik ermöglicht ein innigliches, fast wortloses Verstehen zwischen Gerda, Hanno und dem Herrn Organisten von Sankt Marien, doch sie zeigt ebenso die tiefen Abgründe zwischen Gerda und Thomas. Es ist ein Abend voller überraschender Wendungen.“

    Gleich am Tag darauf, am Samstag, den 13.Januar, beginnt in der Thomas Morus Akademie in Bensberg die zweitägige Tagung Die Männer bei den Manns. Als Referent ist neben Dr. Rolf Füllmann aus Köln der uns wohlbekannte Prof. Dr. Thomas Wortmann aus Mannheim geladen. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit ihm.

    Dann am Sonntag, den 10. März ‘24 hatte ich Sie gebeten, sich den Matinee-Termin im Haus von Frau Ulrike Keim vorzumerken. Janka Zündorf, die ich, wie im letzten Rundbrief ausgeführt, in Düsseldorf kennenlernen durfte, wird zu uns zum Thema Thomas Mann und die Milch sprechen. Dies wird ein ganz besonderes Ereignis, verbunden mit der Freude zu sehen, welch interessante Forscherinnen und Forscher zu Thomas Mann nachkommen.

    Noch ein Satz zur Tagung in Düsseldorf: Da ich nur einen Abend dort sein konnte, hatte ich unser Mitglied Herrn Marcus Pfeifer gebeten, davon zu berichten. Dies tat er in einem ausführlichen und persönlichen Brief. Er gestattete mir, diesen dem Rundbrief beizufügen.

    Im letzten Rundbrief hatte ich von Thomas Manns Rede Deutschland und die Deutschen gesprochen. Ich habe bei Bernt Hahn angefragt, ob er bereit sei, uns diese Rede vorzutragen wie zuletzt die Leiden und Größe Richard Wagners. Er sagte sofort zu und nun läuft eine Anfrage im Lew-Kopelew-Forum, ob dort dieser Vortrag stattfinden könnte. Wenn ich dort keine Zusage bekomme, wird sich ein anderer Ort finden, gerne in Köln, um auch mal wieder auf unsere Mitglieder von dort zuzugehen.

    Im letzten Rundbrief hatte ich auch angefragt, ob ich den mir unbekannten Dr. Dieter Strauss nach Bonn einladen solle, um über seine Publikation über Thomas Mann und seine drei Töchter zu berichten. Ich erhielt darauf nur eine Rückmeldung, woraus ich schließe, daß kein Interesse besteht.

    Unser Kölner Mitglied Thomas Schmalzgrüber schrieb mich an, daß ihn für die anstehenden Weihnachtsferien die Lust anwandelt, sich an unser Übersetzungsprojekt der Hommage de la France à Thomas Mann zu begeben – siehe Rundbrief Nr. 51. Alle frankophilen Mitglieder sind aufgefordert, es ihm gleichzutun. Es wäre schön, wenn wir 2025 eine Übersetzung beieinander hätten. Ich verteile gerne die Scans von einzelnen Texten.

    Herr Prof. Hans Büning-Pfaue kündigte an, im nächsten Sommer seinen Rundgang durch den Botanischen Garten reaktivieren zu wollen. Für alle jüngeren Mitglieder: Mein Vorgänger im Amt bot diesen Rundgang 2016 schon einmal an unter dem Titel Pflanzen im Werk von Thomas Mann. Ein Grund zur Vorfreude!

    In der kommenden Woche werde ich mich mit den Vorstandskolleginnen zusammensetzen. Wir werden nicht nur über den Termin zur nächsten Jahresmitgliederversammlung beraten, sondern auch über weitere Veranstaltungen im kleinen, internen Mitgliederkreis, die im nun vergangenen Jahr sehr gut aufgenommen worden waren. Ideen und Vorschläge hierzu sind immer erwünscht!

    Von der Event-Agentur von Magdalena Bahr, Bonn, wurde ich angesprochen, ob unsererseits Interesse bestehe, an den Tagen des Exils, siehe Kasten im Anhang, teilzunehmen. Da die Anmeldefrist knapp bemessen ist, sagte ich sofort zu. Die Veranstaltungsreihe wird mit Unterstützung der Körber-Stiftung und der Stadt Bonn breit beworben – für uns auch eine Chance, ein breiteres Publikum anzusprechen. Das Thema Exil liegt bei Thomas Mann auf der Hand. Wir könnten die ganzen 14 Tage mit entsprechenden Veranstaltungen anfüllen. Angesprochen und schon eine Zusage bekommen habe ich von unserem Vorstandsmitglied Prof. Dr. Friedhelm Marx, der im letzten Jahr Stipendiat am letzten Exil-Wohnort Thomas Manns in Los Angeles war und zum gerade erschienen Buch Das Thomas Mann House einen Text beigetragen hat – womit wir schon ins Feuilleton hinübergleiten.

    Feuilleton

    Hatte der Wallstein-Verlag Weihnachten im Visier, als den Bildband Das Thomas Mann House herausgab? Ich nenne das Buch Bildband, da es in erster Linie durch eine aufwändige Gestaltung und professionelle Photographien hervortritt. Die bestellten Autoren werden zur Füllung der Zwischenräume gebraucht, die analog zu den Bildern das Haus raumweise zu betrachten haben. Der arme Heinrich Detering mußte über die Garage schreiben, unser Vize-Vorstand Friedhelm Marx, hat immerhin das Eßzimmer erwischt. Es bleibt nicht aus, daß die illustren Gäste, die dort häufig verkehrten, mehrfach erwähnt werden. Irmela von der Lühe sollte über Erikas Schlafzimmer schreiben, erwähnt dieses in einem Halbsatz, und liefert eine lesenswerte Kurzbiographie von Erikas Jahren in den USA.

    Man könnte das Ganze als einen literarischen Katalog mit vielen Schöner-Wohnen- Bildern abtun, wenn da nicht der einleitende Artikel von Heinrich Wefing wäre: ‚Innen Lübeck, außen Kalifornien: Thomas Manns Villa als Schutzraum im Exil‘. Kurzum: Als Weihnachtsgeschenk durchaus brauchbar, aber nicht unverzichtbar.

    Lassen Sie mich am Ende noch an einen Autor erinnern, der in einem ganz besonderen Verhältnis zu Thomas Mann stand und dessen großartigen Roman Die Insel des zweiten Gesichts ich die letzten Wochen ein zweites Mal las: Albert Vigoleis Thelen! Die beiden Autoren begegneten sich zweimal: Einmal 1937 in Locarno, und einmal 1947 in Amsterdam. 1937 finden sich in Manns Tagebuch einige Einträge zu Thelen, insbesondere zu dessen Übersetzertätigkeit portugiesischer und holländischer Literatur. In Thelens Briefband Meine Heimat bin ich selbst findet man einige Korrespondenz. Thelen bittet Mann mehrfach um ein Vorwort zu seinen Übersetzungen von Hendrik Marsmann und Teixeira de Pascoaes. Erfüllt wurde die Bitte nicht. Thelen hält Pascoaes für einen geeigneten Nobelpreiskandidaten, Mann setzt sich aber weiter für Hesse ein.

    Nach der Begegnung mit Thomas Mann 1947 notiert Thelen: „die begegnung mit thomas mann war sehr schön, er ist ein charmanter plauderer, und gar nicht das grosse tier, das er dichterisch ja darstellt.“ 1953 wagt er auch, Mann um eine Rezension seiner Insel anzugehen, obschon er schon im Anschreiben humorvoll bescheiden formuliert:

    Ich erwarte natürlich nicht, dass Sie die 1000 Seiten lesen, und wenn Sie mich fragen: ja, warum schickt er mir seinen Schmäucher überhaupt zu? dann möchte ich sagen, dass die »Insel« bei Ihnen in einem stillen Winkel auch ungelesen sehr gut aufgehoben ist.“ So wird das Schicksal dieses Buches auch gewesen sein. Thomas Mann hat wohl kurz darin verwundert geblättert und antwortet dann höflich, daß er sich mit dem „merkwürdigen, bunten und krausen Roman“ schon beschäftigt habe. Thomas Mann hatte in seinen letzten beiden (europäischen) Jahren hinreichend viel damit zu tun, ein breites Kreuz für sein eigenes Werk zu machen, Anfeindungen erfährt er hinreichend viele, ähnlich wie Thelen, dessen Atheismus man ihm übelnimmt und ihn auch als Pornographen beschimpft. Über seine radikal antifaschistische Haltung von Anfang an schweigt man sich aus, ein Tabu von großer Macht.

    Ich wünsche Ihnen geruhsame Feiertage in Ihrem Lesesessel, im neuen Jahr melde ich mich bald wieder, herzlich Ihr Peter Baumgärtner

  • Rundbrief Nr. 57 + Brief von Frau Fehrle

    Liebe Mitglieder des Ortsvereins Bonn-Köln der Deutschen Thomas-Mann- Gesellschaft, liebe Interessierte an unserer Arbeit,

    diesen Rundbrief muß ich leider mit einer traurigen Nachricht beginnen: Das Gründungsmitglied unseres Ortsvereins Herr Jürgen Haberland ist im Sommer verstorben. Mich erreichte diesen Nachricht verspätet und auf Umwegen: Aus Lübeck erhielt ich die Nachricht, daß verschiedene Spenden mit dem Betreff „Jürgen Haberland“ dort eingegangen seien. Mit seinem letzten Willen hatte er statt Blumen um Spenden für unsere Gesellschaft gebeten. Auf diesem Wege sind über tausend Euro bei uns eingegangen. Wir verneigen uns in Dankbarkeit. Der Familie habe ich kondoliert.

    Im Rundbrief Nr. 50 hatte ich Ihnen von der Anfrage von Frau Johanna Krumstroh berichtet. Zusammen mit dem Vibraphonist Oli Bott hat sie ein Literaturkonzert mit dem Titel: „Die Buddenbrooks und die Musik“ entwickelt. Frau Krumstroh schrieb:

    „Die Musik im Hause Buddenbrook spielt zuweilen eine große Rolle. Die Charaktere werden durch sie gezeichnet – durchaus amüsant, wie der Herr Organist Edmund Pfühl – oder mit geheimnisvoller Ausstrahlung, wie Gerda mit ihrer Stradivari.

    Die Musik ermöglicht ein innigliches, fast wortloses Verstehen zwischen Gerda, Hanno und dem Herrn Organisten von Sankt Marien, doch sie zeigt ebenso die tiefen Abgründe zwischen Gerda und Thomas. Es ist ein Abend voller überraschender Wendungen.“

    Schauen Sie sich auf ihrer Webseite um: johanna.krumstroh.de – Sie werden interessante Entdeckungen machen. Für eine Realisierung eines Abends mit ihr hatte ich im April um Spenden gebeten – es kamen 260,- Euro zusammen, ich danke an dieser Stelle nochmals herzlich. Mit den Spenden, die für Herrn Haberland eingegangen sind, haben wir einen hinreichenden Grundstock um die Sache anzugehen. Johanna Krumstroh und Oli Bott werden uns am 12. Januar ‘24 beehren, und zwar im Haus an der Redoute in Bad Godesberg um 19.00 Uhr. Es wird ein heiterer und dennoch besinnlicher Abend werden und dies auch im Sinne unseres verstorbenen Herrn Haberland sein. Merken Sie sich den Termin vor – ich werde nochmals daran erinnern.

    Über den letzten Monatswechsel fand in Düsseldorf die diesjährige Thomas-Mann-Tagung statt. Wie angekündigt konnte ich nur am ersten Abend zugegen sein. Den Jahresrückblick auf unsere Vereinsaktivitäten erledigte Herr Schmalzgrüber für mich, sein Auftritt wurde allseits gelobt, ich danke nochmals ausdrücklich; und Herr Schoch kümmerte sich um unser georgisches Mitglied Frau Choladze, sie hat sich sichtlich wohlgefühlt. Die Tagung fand statt im Haus der Universität in der Stadtmitte, einem schön restaurierten klassizistischen Stadtpalais. Wir wurden vom Düsseldorfer Germanistik- Professor Dörr begrüßt, der in seinen witzig-launigen Begrüßungsworten die häufigen Besuche Thomas Manns in Düsseldorf hervorhob, womit man nach der Schlacht von Worringen einen zweiten Sieg über die Kölner errungen habe. (Wie würde sich Bonn schlagen?)

    Herr Prof. Wißkirchen steckte bei seinem Eröffnungsvortrag den Rahmen der Tagung ab und hob hervor, daß wir in den späten Erzählungen Thomas Manns einen wieder leichteren, gelösteren Autor erleben dürfen, im Gegensatz zum Bruder Heinrich, dessen späte Texte immer hermetischer wurden. Die entspanntere Feder von Thomas belegte Herr Wißkirchen mit einem Zitat aus Die Betrogene mit der Vorstellung der Witwe Tümmler, die ihres heiteren Gemahls entbehren mußte, dessen öftere Abweichungen von der Richtschnur der ehelichen Treue nur das Merkmal überschüssiger Rüstigkeit gewesen waren. Ich bedauere sehr, nicht alle drei Tage erlebt zu haben, freue mich auf das nächste Jahrbuch und mache hiermit Werbung dafür, an den Jahrestagungen zahlreich teilzunehmen.

    Am Abend des Eröffnungstages gab es einen Empfang im Heinrich-Heine-Haus. Hier wurde zwei Mitgliedern des jungen Forums Gelegenheit gegeben, mit Interventionen ihr Können und Wissen unter Beweis zu stellen, mit dem ausdrücklichen Hinweis, dies angesichts des bereitstehenden Buffets kurz und knapp zu tun. Eine davon war Janka Zündorf, eine 23-jährige Studentin aus Bamberg, die über das Thema Thomas Mann und die Milch referierte. Bei der Ankündigung des Titels standen allen Anwesenden die Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. Was dann aber folgte war ein Feuerwerk von Ideen und Zitaten aus fast allen großen Werken Thomas Manns, von medizinischen und mythischen Bezügen, die dieser mit der Milch verknüpfte. Das Buffet war vergessen und am Ende erhielt Frau Zündorf einen donnernden Applaus von allen Seiten. Ich ging direkt zu ihr und fragte: Und wann kommen Sie nach Bonn? Diese Frage ist inzwischen geklärt: Sie wird am Sonntag, den 10. März ‘24 zur Matinee in das Haus von Frau Ulrike Keim kommen! Frau Keim sagte auf meine Anfrage sofort zu, diese Schnittstelle zwischen Medizin und Literatur ist genau ihr Thema. Ich danke schon jetzt herzlich.

    Gleichfalls in Düsseldorf wurde ich aufmerksam gemacht auf Thomas Manns Rede Deutschland und die Deutschen, gehalten unmittelbar nach Kriegsende in Washington. Ein dichter, intensiver und nie anklagender Text von großer Nachdenklichkeit. In Zeiten wieder aufkommender antiliberaler und nationalistischer Gedanken ist er von großer Aktualität. In der neu eröffneten Gemäldesammlung Zeit im Wandel des Bonner Landesmuseums finden sich eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten. Daher fragte ich dort an, ob wir innerhalb der Sammlung eine Veranstaltung durchführen könnten, erhielt aber leider eine Absage vom Direktor des Hauses, dem Germanisten Prof. Dr. Valk. Als Sprecher des Thomas-Mann-Textes hätte ich gerne wieder Bernt Hahn gewonnen. Anregungen für alternative Veranstaltungsorte nehme ich gerne entgegen.

    Mein Kollege Oliver Fischer hatte Herrn Dr. Dieter Strauss nach Hamburg eingeladen; er sprach dort unter dem Titel Einfach kompliziert über Thomas Mann und seine drei Töchter. Strauss hat bereits mehrere Bücher über die Familie Mann veröffentlicht. Der Vortrag wurde in Hamburg gut aufgenommen. Ich kenne weder den Autor noch seine Bücher – das muß aber nichts heißen. Besteht ihrerseits Interesse, Herrn Strauss nach Bonn einzuladen? Ich bitte um entsprechende Rückmeldungen.

    Feuilleton

    Unser Freund Tobias Schwartz machte mich auf die Autorin Gabriele Tergit aufmerksam. Sie war in der Weimarer Republik sehr populär, wurde mit dem satirischen Roman Käsebier erobert den Kurfürstendamm berühmt und angesichts des immer stärker werdenden Antisemitismus begann sie schon 1932 mit der Konzeption ihres wichtigsten Romans Effingers, den sie dann in ihren Jahren des Exils in den Städten ihrer Flucht vorantrieb. In der Nachkriegszeit hatte sie dann größte Mühe, für ihren 900-Seiten Roman einen Verlag zu finden.

    Es ist sicher kein Zufall, daß in Effingers sehr viele Motive aus den Buddenbrooks aufscheinen. Die Erzählung beginnt in den 1870er Jahren, in denen die Buddenbrooks enden. Erzählt wird die Geschichte einer jüdischern Familie, die im Kaiserreich zu Wohlstand gelangt. Die geschilderten gesellschaftlichen „Probleme“ sind die gleichen wie bei Thomas Mann: Da ist die fleißige und wohlhabende Unternehmerfamilie, die Schwierigkeiten hat, die Kinder „richtig“ zu verheiraten, da sind die Versuchungen am Wege, die Neigung zum Künstlertum, der Tod eines schönen und künstlerisch begabten Enkels der Gründergeneration. Auf Tonio Kröger kommen junge Leute zweimal wortwörtlich zu sprechen in ihrer Sehnsucht und ihrem jungen Verliebtsein. Noch werden Andeutungen von Antisemitismus weggewischt wie lästige Fliegen. Bis zum ersten Krieg leuchten die besagten Motive Thomas Manns nacheinander auf – freilich in ganz anderer Sprache, lakonisch, knapp, in filmischen Szenen den Fokus wechselnd von einem Familienmitglied zum andern, und das ganze stets mit der nötigen Prise Humor gewürzt. Dann der Krieg, die Niederlage, der Währungsverfall – die Bedrohung wird nicht ernst genommen, lauter Widerstand vermieden, man will nicht provozieren – die Beklemmung nimmt zu, dann die Entrechtung, die Vertreibung, Verschleppung, Ermordung. So knapp die letzten Kapitel gehalten sind, so sehr fühlt man den Schmerz Gabriele Tergits bei der Niederschrift.

    Auch die Erzähltechnik gemahnt an Thomas Mann, an der dessen Leitmotive. Tergit hebt vier Kapitel hervor, Querschnittskapitel würde ich sie bezeichnen, einen Überblick gebend über die Familie. Mit der Phrase ‚Was für ein Frühlingstag‘ beginnen viele, viele Absätze in den Kapiteln über die Jahre 1887, 1913, 1930 und zuletzt 1948; wie ein Idyll anmutend, aber das Unheil schon in sich tragend.

    Ein unbedingt lesenswertes Buch.

    Es grüßt herzlich Ihr Peter Baumgärtner


    Brief von Frau Fehrle

    Es ist mutig, wenn Heinz Strunk seinen Roman mit dem Titel „Zauberberg 2“ vor Mitgliedern der Thomas-Mann-Gesellschaft präsentiert, aber genau deshalb hätte er sich gut darauf vorbereiten sollen. „Verloren“ hatte Heinz Strunk durch zwei Dinge:

    1. Auf den Zuruf „Lauter bitte“, weil das Mikro anfangs zu leise war, reagierte er mit „Das ist nicht meine Aufgabe“, faktisch korrekt, aber in einem gereizten und arroganten Ton geäußert.

    2. Er ratterte dann zwei Romankapitel so schnell, undeutlich nuschelnd und monoton herunter, dass er selbst dadurch für eine irritierte Zuhörerschaft sorgte. Später war er auch germanistisch nicht auf der Höhe, denn selbst beim dritten Mal verstand er die in korrektem Deutsch gestellte Frage einer der Damen aus Georgien, warum in seinem Titel der Artikel (Der) fehle, nicht. Leider trug Edo Reents von der FAZ, befreundet mit Heinz Strunk, mit seinen wenigen Kommentaren und Fragen nicht zur Erhellung bei, er war als Moderator absolut überflüssig.

    Es war natürlich ein Versäumnis des Veranstalters, das Buch und Heinz Strunk nicht eingeführt zu haben. Niemand kannte diesen Schriftsteller, da half nur Wikipedia …

    Nach der Kaffeepause am Sonntag folgte einer der Höhepunkte der diesjährigen Tagung, nicht nur meiner Einschätzung nach. Das Podiumsgespräch zu den Gegenwartsbezügen 2024 mit Schwerpunkt Demokratie und Meinungsfreiheit wurde perfekt von Jan Ehlert von NDR Kultur moderiert: bestens vorbereitet, kluge Fragen, sachliche Diskussion. Dabei bezog sich Natascha Strobl, Expertin für Rechtsextremismus, sehr wohl auf den Roman und zwar ganz explizit auf die Kapitel „Die große Gereiztheit“ und „Der Donnerschlag“. Sie führte aus, dass der „Deckmantel Meinungsfreiheit“ gefährlich sein kann, Prof. Sina ergänzte, dass die Vielstimmigkeit im Zauberberg „Reiz und Gefahr“ gleichermaßen sei, mit dem Kipppunkt Gewalt.

    Das wird im FAZ-Artikel von Jannis Koltermann nicht korrekt wiedergegeben. In seinen Charakterisierungen von Hans Castorp und Joachim Ziemßen verkürzt er das Wesen der Figuren in diskussionswürdiger Weise und versucht im gesamten Artikel zwanghaft (geistige?) Verbindungen herzustellen, vom BSW über den Brauereikeller bis zum Weltfest des Populismus, ganz zu schweigen von der Wortwahl „spezialistisch“ sowie „abwägende Äquidistanz“. Was ist bloß mit dem Feuilleton-Personal bei der FAZ los?

    Zu 100% stimme ich der Einschätzung zu, dass solche Tagungen „vielfältig und bereichernd“ sind, nicht nur wegen der „offiziellen“ Programmpunkte, sondern gerade auch wegen der informellen Gespräche mit allen Teilnehmern. Ich kann nur appellieren, diese Veranstaltungen zu besuchen!